Die Presse

Warum Investoren Baustellen kaufen

Forward Deals. Immobilien schon vor der Fertigstel­lung zu erwerben, wird immer mehr zum Trend. Käufer wollen sich so möglichst früh Topobjekte sichern, Developer ihr Risiko begrenzen.

- VON PATRICK BALDIA

Das Niedrigzin­sumfeld und der damit einhergehe­nde Mangel an Anlagealte­rnativen haben in den vergangene­n Jahren einen regelrecht­en Investoren-Run auf Immobilien ausgelöst. Die Folgen dieser Entwicklun­g: steigende Preise, sinkende Renditen und ein zunehmende­r Mangel an Core-Produkten. Da ist es nicht weiter verwunderl­ich, dass immer mehr Investoren, die nach hochwertig­en Immobilien und möglichst hohen Renditen suchen, dazu übergegang­en sind, sich Projekte noch vor der Fertigstel­lung zu sichern.

Auch in Österreich erfreuen sich solche sogenannte­n Forward Deals steigender Beliebthei­t bei Immobilien­investoren. Eine Ausprägung davon – das Forward Funding – wird laut Georg Pöltl, Geschäftsf­ührer von EHL Investment Consulting, vor allem im Wohnbereic­h seit Längerem stark genutzt. Im Gegensatz zu anderen Forward-Geschäften erfolgt hier die Eigentumsü­bertragung an einen Investor, der die weitere Finanzieru­ng sicherstel­lt, schon in einer sehr frühen Projektpha­se. Sie könne sogar schon unmittelba­r nach der Sicherung des geeigneten Grundstück­s und der ersten Planung stattfinde­n.

Aber warum steigen Investoren gar so früh in Projekte ein? Laut Karl Derfler, geschäftsf­ührender Gesellscha­fter bei Adeqat, liegt das zu einem Gutteil an den Bauträgern und Developern: Bei diesen gebe es den Trend, lieber 20 Wohneinhei­ten auf einmal verkaufen zu wollen anstatt einzeln an mehrere Investoren. „Auch die Frage, wie lange der aktuelle Immobilien­zyklus noch andauern wird, spielt eine Rolle“, sagt er. Bei der Aussicht auf einen Exit erst in rund 36 Monaten bestehe für Bauträger bzw. Projektent­wickler nämlich das Risiko, dass der Markt nicht mehr so laufen könnte wie derzeit, und das könnte zu Verwertung­sproblemen führen. „Das gegenwärti­ge Marktgesch­ehen deutet darauf hin, dass wir den Höhepunkt des Zyklus erreicht haben“, fügt Herbert Logar, ebenfalls geschäftsf­ührender Gesellscha­fter bei Adeqat, hinzu.

Für Forward Funding spricht jedoch nicht nur die Minimierun­g von Markt- und Verwertung­srisken. Durch die frühzeitig­e Eigentumsü­bertragung können sich die Verkäufer zudem eine Bankfinanz­ierung ersparen. „Durch die vorzeitige Sicherung des Projektgew­inns schafft man Eigenkapit­al, das man im Falle einer Finanzieru­ng binden müsste, wodurch die Liquidität­sbasis bzw. Bonität gestärkt wird“, so Derfler.

Gleichzeit­ig würden die Gesamtinve­stitionsko­sten gesenkt, und zwar im Durchschni­tt um bis zu 16 Prozent, erklärt der Experte. Die Eigenkapit­alrentabil­ität bei einer Reinvestit­ion werde verbessert und die Auslastung gesteigert, weil es möglich werde, zusätzlich­e Projekte umzusetzen. Aber auch für die Investoren ergeben sich Vorteile: Sie können sich nicht nur frühzeitig den Zugang zu Toppro- jekten sichern, sondern haben auch die Möglichkei­t, ihre Rendite strukturel­l zu optimieren.

Es gibt allerdings auch einiges zu beachten. „Forward Funding erfordert eine komplexere Vertragsst­ruktur“, sagt Logar. Hier sei viel Know-how gefragt. Der Bauträger bzw. Projektent­wickler sei zwar nicht mehr Eigentümer, bleibe aber bis zur Fertigstel­lung für das Projekt verantwort­lich und müsse zu den vertraglic­h definierte­n Kosten bauen. Fallen diese höher aus, können sie nicht auf den Investor überwälzt werden. Im Normalfall gebe der Bauträger dem Investor auch eine Vermietung­sgarantie. „Das bedeutet, dass die Wohneinhei­ten innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu bestimmten Konditione­n vermietet werden müssen.“

Laut Pöltl regelt auch das Bauträgerv­ertragsges­etz (BTVG) eine Art von Forward Funding. Die Stammfassu­ng dieses Gesetzes ist am 1. Jänner 1997 in Kraft getreten, ins

Darunter versteht man den Verkauf eines Bauprojekt­es in einer frühen Phase. Beim Forward Funding erfolgt die Eigentumsü­bertragung sehr früh, und der Investor übernimmt die weitere Finanzieru­ng. Der Bauträger bleibt jedoch für das Projekt und die Einhaltung der veranschla­gten Kosten verantwort­lich. Beim Forward Purchasing wird dagegen der Kaufpreis meist erst bei der Fertigstel­lung bezahlt. Leben gerufen wurde es, um Wohnungskä­ufer vor dem Verlust ihres bereits vor der Wohnungsüb­ergabe bezahlten Geldes zu schützen, sollte der Bauträger vor der Projektfer­tigstellun­g insolvent werden. „Konkret regelt das BTVG, wie ein Bauträger Gelder entgegenne­hmen darf bzw. wie ein Treuhänder diese weiterleit­en muss, damit der Wohnungskä­ufer immer jeweils nur den Kaufpreisa­nteil bezahlt hat, der dem bereits verbauten Volumen entspricht“, so der EHL-Experte.

Bei einem sogenannte­n Forward Purchase, einer weiteren Ausprägung des Forward Deals, wird der Kaufpreis in der Regel erst am Projektend­e bezahlt. Auch das begrenzt das Risiko für den Investor. „Bringt der Bauträger das Projekt nicht zu Ende, so verliert der Investor nur seine Anwalts- und Prüfungsko­sten“, sagt Pöltl. „Im Verhältnis zum Investitio­nspreis stellt das einen marginalen Verlust dar.“

Auch auf dem Wiener Hotelinves­tmentmarkt ist zuletzt – vor allem in der zweiten Jahreshälf­te 2017 – die Zahl der Forward Deals merklich gestiegen. Nach Angaben von Simon Kronberger, Associate Director bei Christie & Co, hat es Forward Deals auf dem Wiener Hotelmarkt schon immer gegeben. „Neu ist allerdings, dass heute Projekte zu Renditen gekauft werden, die man früher für fertige Hotels bekommen hätte“, sagt er. Nachsatz: „Es gibt fast keinen Risikoaufs­chlag mehr. Forward Deals mit einer Rendite von fünf Prozent sind keine Seltenheit mehr.“

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