Das Parlament als Tummelplatz für Beamtenpolitiker und Politbeamte
Rund die Hälfte aller Abgeordneten sind Beamte und Funktionäre. Das bildet die Realität nicht ab und befördert die Politblase.
Ende Juni läuft die Frist ab. Bis dahin müssen die Abgeordneten im Sinn der Vorschriften zur Transparenz ihre Nebeneinkünfte melden. Regelmäßig folgt darauf die öffentliche Erregung über die Topverdiener, also jene, die zusätzlich zu ihrem Abgeordnetengehalt noch andere Einkünfte aus ihrer beruflichen Tätigkeit erzielen. Dabei sollte es genau umgekehrt sein: Zu denken geben sollte der hohe Anteil jener, die außer ihrem Abgeordnetengehalt sonst keine Einkünfte beziehen. Sie sind nämlich finanziell offenbar von ihrem politischen Mandat abhängig.
Analysiert man die Angaben der Abgeordneten, die auf der Parlamentswebsite veröffentlicht werden, so haben von 183 Mandataren immerhin 73 keine anderen Einkünfte – das sind 40 Prozent! Dazu kommen 33 Abgeordnete, die Angestellte einer Kammer oder Gewerkschaft oder aktive Beamte sind. Nur zehn Abgeordnete sind Angestellte in der Privatwirtschaft, wobei einige von ihnen unkündbare Betriebsräte sind. Die übrigen Mandatare arbeiten als Freiberufler, Unternehmer, Selbstständige oder Bauern und beziehen daraus Einkünfte. Anstatt diese kritisch zu beäugen, gebührt ihnen hohe Anerkennung, dass sie nicht ausschließlich in der Politblase schwimmen und finanziell unabhängig von der Politik sind.
Von ihrer beruflichen Herkunft her sind etwa 40 Prozent der Abgeordneten Beamte. Verwunderlich ist die Dominanz von Beamten und Funktionären nicht. Während ein Selbstständiger ein hohes finanzielles Risiko in Kauf nehmen muss, wenn er seine Zeit der politischen Arbeit widmet, haben Beamte überhaupt kein Risiko, im Gegenteil. In der Bundesverfassung heißt es in Artikel 59a: „Der öffentlich Bedienstete, der Mitglied des Nationalrates oder des Bundesrates ist, ist auf seinen Antrag in dem zur Ausübung seines Mandates erforderlichen Ausmaß dienstfrei oder außer Dienst zu stellen.“Während der politischen Tätigkeit können sie bis zu 75 Prozent der Bezüge weiter beziehen, je nach Zeitaufwand.
DAuch für den Wahlkampf haben Beamte das Recht auf Freistellung bei vollen Bezügen. Das ist vor allem bei Vorzugsstimmenwahlkämpfen ein klarer Vorteil gegenüber Nichtbeamten.
Freiberufler und Unternehmer erleiden mitunter einen massiven Verdienstentgang, denn durch die Zeit, die sie in die Politik investieren, verlieren sie Kunden und Aufträge. Angestellte riskieren durch ihre häufige Abwesenheit ihren Job, sofern sie nicht unkündbare Betriebsräte sind. Geben sie ihren Job für das politische Mandat auf, ist es schwierig, wieder einzusteigen.
Denn auch das ist ein großer Vorteil für Beamte: Nach der politischen Laufbahn können sie jederzeit auf ihren Posten zurückkehren. Ein nicht zu unterschätzender Bonus, wenn man bedenkt, wie schwer es für Berufspolitiker oft ist, später in der Privatwirtschaft Fuß zu fassen.
Es ist demokratiepolitisch fragwürdig, wenn sich in den gesetzgebenden Gremien vorwiegend Beamte und Funktionäre tummeln. Repräsentativ ist der Nationalrat nämlich nicht, wenn etwa nur fünf Prozent davon Angestellte in der Privatwirtschaft sind und nur einzelne KMU, in der Realität dies jedoch die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung darstellt. as Parlament, aber auch Bundesrat und Landtage sollten kein von der „echten“Welt abgeschottetes Biotop für Beamte, lebenslange Berufspolitiker und Interessenvertreter sein. Die politischen Gremien sollten in jeder Hinsicht die Bevölkerung repräsentieren und durchlässig sein. Mandatare sollten nicht ihr gesamtes (Berufs-)Leben nur in der Politik verbringen. Steter Wechsel ist wichtig, aber dafür braucht es eine Perspektive für das Leben danach. Daher ist es am vorteilhaftesten, wenn die berufliche Tätigkeit während dieser Phase weiterläuft. Das ist befruchtend und verhindert ein Sesselkleben sowie eine JasagerMentalität, den Hemmschuh einer lebendigen Demokratie.