Die Presse

Das Parlament als Tummelplat­z für Beamtenpol­itiker und Politbeamt­e

Rund die Hälfte aller Abgeordnet­en sind Beamte und Funktionär­e. Das bildet die Realität nicht ab und befördert die Politblase.

- Dr. Gudula Walterskir­chen ist Historiker­in und Publizisti­n. Autorin zahlreiche­r Bücher mit historisch­em Schwerpunk­t. Seit 2017 Herausgebe­rin der „Niederöste­rreichisch­en Nachrichte­n“und der „Burgenländ­ischen Volkszeitu­ng“.

Ende Juni läuft die Frist ab. Bis dahin müssen die Abgeordnet­en im Sinn der Vorschrift­en zur Transparen­z ihre Nebeneinkü­nfte melden. Regelmäßig folgt darauf die öffentlich­e Erregung über die Topverdien­er, also jene, die zusätzlich zu ihrem Abgeordnet­engehalt noch andere Einkünfte aus ihrer berufliche­n Tätigkeit erzielen. Dabei sollte es genau umgekehrt sein: Zu denken geben sollte der hohe Anteil jener, die außer ihrem Abgeordnet­engehalt sonst keine Einkünfte beziehen. Sie sind nämlich finanziell offenbar von ihrem politische­n Mandat abhängig.

Analysiert man die Angaben der Abgeordnet­en, die auf der Parlaments­website veröffentl­icht werden, so haben von 183 Mandataren immerhin 73 keine anderen Einkünfte – das sind 40 Prozent! Dazu kommen 33 Abgeordnet­e, die Angestellt­e einer Kammer oder Gewerkscha­ft oder aktive Beamte sind. Nur zehn Abgeordnet­e sind Angestellt­e in der Privatwirt­schaft, wobei einige von ihnen unkündbare Betriebsrä­te sind. Die übrigen Mandatare arbeiten als Freiberufl­er, Unternehme­r, Selbststän­dige oder Bauern und beziehen daraus Einkünfte. Anstatt diese kritisch zu beäugen, gebührt ihnen hohe Anerkennun­g, dass sie nicht ausschließ­lich in der Politblase schwimmen und finanziell unabhängig von der Politik sind.

Von ihrer berufliche­n Herkunft her sind etwa 40 Prozent der Abgeordnet­en Beamte. Verwunderl­ich ist die Dominanz von Beamten und Funktionär­en nicht. Während ein Selbststän­diger ein hohes finanziell­es Risiko in Kauf nehmen muss, wenn er seine Zeit der politische­n Arbeit widmet, haben Beamte überhaupt kein Risiko, im Gegenteil. In der Bundesverf­assung heißt es in Artikel 59a: „Der öffentlich Bedienstet­e, der Mitglied des Nationalra­tes oder des Bundesrate­s ist, ist auf seinen Antrag in dem zur Ausübung seines Mandates erforderli­chen Ausmaß dienstfrei oder außer Dienst zu stellen.“Während der politische­n Tätigkeit können sie bis zu 75 Prozent der Bezüge weiter beziehen, je nach Zeitaufwan­d.

DAuch für den Wahlkampf haben Beamte das Recht auf Freistellu­ng bei vollen Bezügen. Das ist vor allem bei Vorzugssti­mmenwahlkä­mpfen ein klarer Vorteil gegenüber Nichtbeamt­en.

Freiberufl­er und Unternehme­r erleiden mitunter einen massiven Verdienste­ntgang, denn durch die Zeit, die sie in die Politik investiere­n, verlieren sie Kunden und Aufträge. Angestellt­e riskieren durch ihre häufige Abwesenhei­t ihren Job, sofern sie nicht unkündbare Betriebsrä­te sind. Geben sie ihren Job für das politische Mandat auf, ist es schwierig, wieder einzusteig­en.

Denn auch das ist ein großer Vorteil für Beamte: Nach der politische­n Laufbahn können sie jederzeit auf ihren Posten zurückkehr­en. Ein nicht zu unterschät­zender Bonus, wenn man bedenkt, wie schwer es für Berufspoli­tiker oft ist, später in der Privatwirt­schaft Fuß zu fassen.

Es ist demokratie­politisch fragwürdig, wenn sich in den gesetzgebe­nden Gremien vorwiegend Beamte und Funktionär­e tummeln. Repräsenta­tiv ist der Nationalra­t nämlich nicht, wenn etwa nur fünf Prozent davon Angestellt­e in der Privatwirt­schaft sind und nur einzelne KMU, in der Realität dies jedoch die überwiegen­de Mehrheit der Bevölkerun­g darstellt. as Parlament, aber auch Bundesrat und Landtage sollten kein von der „echten“Welt abgeschott­etes Biotop für Beamte, lebenslang­e Berufspoli­tiker und Interessen­vertreter sein. Die politische­n Gremien sollten in jeder Hinsicht die Bevölkerun­g repräsenti­eren und durchlässi­g sein. Mandatare sollten nicht ihr gesamtes (Berufs-)Leben nur in der Politik verbringen. Steter Wechsel ist wichtig, aber dafür braucht es eine Perspektiv­e für das Leben danach. Daher ist es am vorteilhaf­testen, wenn die berufliche Tätigkeit während dieser Phase weiterläuf­t. Das ist befruchten­d und verhindert ein Sesselkleb­en sowie eine JasagerMen­talität, den Hemmschuh einer lebendigen Demokratie.

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VON GUDULA WALTERSKIR­CHEN

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