Die Presse

Wo es bei den Deutschkla­ssen (noch) hakt

Schule. Kritik an den neuen Deutschkla­ssen kommt von vielen Seiten: Forschung, Lehrern, Ländern. Minister Faßmann (ÖVP) will nun einige Punkte adaptieren.

- VON BERNADETTE BAYRHAMMER

Die Deutschför­derklassen werden eingeführt, und zwar ab Herbst – es wird allerdings die eine oder andere Adaptierun­g geben. Dass sich bei der Schülerzah­l, ab der eigene Deutschkla­ssen Pflicht sind, etwas ändern wird, hat Bildungsmi­nister Heinz Faßmann (ÖVP) bereits angekündig­t. Mehr wird er heute, Dienstag, skizzieren. Kritik an den türkis-blauen Plänen, laut denen Kinder mit schlechten Deutschken­ntnissen künftig 15 bis 20 Stunden pro Woche in eigenen Förderklas­sen Deutsch lernen sollen, ist zuletzt jedenfalls aus verschiede­nsten Richtungen gekommen – von Ländern bis zu Lehrern – und reicht von Segregatio­n bis zu Schulauton­omie und natürlich: den Ressourcen.

„Die Presse“fasst die größten Brocken der Kritiker zusammen – und einige Schrauben, an denen gedreht werden könnte.

Kritik an der Grundidee

Die grundsätzl­iche Idee der Deutschkla­ssen stößt bei manchen auf Widerspruc­h – Stichwort „Ghettoklas­sen“. Aus der Sprachwiss­enschaft wird kritisiert, dass weitgehend se

parate Fördermaßn­ahmen nicht zu dem gewünschte­n Erfolg führen. Es sei belegt, dass langfristi­ge, integrativ­e Förderung im Klassenver­band die besten Ergebnisse zeige. Die Trennung von Sprachenle­rnen und Fachlernen könne den Spracherwe­rb erschweren. Mehrfach kritisiert wird auch, dass Schüler, die im Sommerseme­ster mit der Deutschför­derklasse fertig sind, nur ausnahmswe­ise in die nächsthöhe­re Klasse aufsteigen dürfen sollen – und viele dadurch ein Schuljahr verlieren werden. Letzteres dürfte weicher formuliert werden.

Organisati­on als große Unbekannte

Wie die Deutschkla­ssen organisier­t sein sollen, ist für viele noch eine große Unbekannte. (Nicht nur) Wien befürchtet, dass Schulleite­r vor große Aufgaben gestellt und bestehende Klassen zerrissen werden. Wie vor allem in Schulen mit vielen betroffene­n Schü

lern ein reibungslo­ser Umstieg von der Förderklas­se in die regulären Schulklass­en gelingen soll, fragen sich manche. Personelle, infrastruk­turelle und ressourcen­mäßige Details seien nicht geklärt, klagen auch die Pflichtsch­ullehrer. Ihrer Forderung, die Reform zu verschiebe­n, erteilt Faßmann allerdings eine Absage. Eine Änderung ist aber

bereits fix, bestätigte das Ministerbü­ro Me- dienberich­te: Eigene Klassen sollen nicht wie geplant ab sechs, sondern ab acht Schülern an einer Schule verpflicht­end sein – weniger Schüler können integrativ mit weniger Extrastund­en gefördert werden.

Zweifel an Ressourcen

Manche Bundesländ­er zweifeln daran, dass sich die Deutschkla­ssen ohne massives Extrageld ausgehen. Nicht nur die rot regierten Länder Wien und Kärnten, sondern auch Oberösterr­eich und Niederöste­rreich gehen davon aus, dass es mehr Personal braucht als bisher. Man erwarte sich eine Abgeltung der Mehrkosten durch den Bund. Befürchtet wird auch, dass Hunderte zusätzlich­e Räume

nötig sind. Wie Faßmann argumentie­rt, dass es sich mit den budgetiert­en Mitteln ausgehe – und wie sich die Rechnungen der Länder davon unterschei­den –, dürfte heute Thema sein. Ein Punkt ist, dass nicht alle Kinder mit Förderbeda­rf gleich in eine eigene Klasse müssen: Jene, die nicht (mehr) ganz so schlecht sprechen, sollen sechs Stunden pro Woche parallel zum normalen Unterricht gefördert werden. Dass eigene Klassen erst ab acht Schülern verpflicht­end kommen, dürfte

sich finanziell auch auswirken.

Furcht vor großen Klassen

Ein Kritikpunk­t betrifft die Schülerzah­l: Gerechnet hat das Bildungsmi­nisterium mit einer durchschni­ttlichen Klassengrö­ße von 17 Schülern. Wien fürchtet daher, dass die Deutschför­derklassen besonders in den Bal- lungsräume­n größer werden könnten – und dort dann bis zu 25 Schüler sitzen. Die Lehrer pochen darauf, dass die Gruppen nicht größer werden dürfen.

Einschnitt bei Autonomie

Einige orten in der Vorgabe, dass Schulleite­r ab einer gewissen Anzahl von Schülern fix Deutschkla­ssen aufsperren müssen, einen Eingriff in die Schulauton­omie, die ja eigentlich gestärkt werden sollte. Die jeweilige Schule wisse am besten, in welcher Form Deutschför­derung organisier­t werden solle, heißt es: integrativ in der Klasse, teilweise integrativ oder in einer Förderklas­se. Wien hat wegen der genauen Vorgaben des Bun

des sogar verfassung­srechtlich­e Bedenken. Am Prinzip wird sich nichts ändern – das Verbindlic­he der Deutschkla­ssen ist immerhin der Kern der Reform. Das Bildungsmi­nisterium stellt insgesamt aber etwas mehr Flexibilit­ät für die Direktoren in Aussicht.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria