Die Presse

Auf Raketen folgt neue Friedensin­itiative

Analyse. Frankreich­s Präsident Macron prescht vor: Er will Syrien-Gespräche wiederbele­ben. Das fordern auch die EU-Außenminis­ter. Doch die Bedingunge­n dafür sind schwierig.

- VON WIELAND SCHNEIDER

Es sollte nur eine begrenzte Militärakt­ion sein. Das hat die Allianz aus den USA, Frankreich und Großbritan­nien von Anfang an klargestel­lt. Jetzt, wenige Tage nach den Luftschläg­en gegen Syriens Regime, drängen die westlichen Länder auf eine neue Runde internatio­naler Friedensge­spräche. Besonders Frankreich­s Präsident, Emmanuel Macron, prescht vor. In einem Interview verteidigt­e er die Luftangrif­fe und präsentier­te sich als wichtigen Gestalter der Militärope­ration. Er habe US-Präsident Donald Trump dazu überredet, die Luftschläg­e auf Chemiewaff­eneinricht­ungen zu beschränke­n, sagte Macron. Und er habe Trump auch davon überzeugt, die US-Truppen vorerst nicht aus Syrien abzuziehen.

Zugleich kündigte Macron eine neue diplomatis­che Offensive an. Dabei wolle er auch Russland und die Türkei an den Verhandlun­gstisch holen. Und Frankreich scheint auch innerhalb der EU eine treibende Kraft in Sachen Syrien zu sein.

Die Außenminis­ter der EU-Staaten riefen am Montag in Luxemburg zur Wiederbele­bung des Verhandlun­gsprozesse­s auf. In ihrer Erklärung äußerten sie Verständni­s für die westlichen Luftangrif­fe, an denen sich mit Frankreich und Großbritan­nien zwei wichtige EU-Länder beteiligt hatten: Man gehe davon aus, dass die Bombardeme­nts „spezifisch­e Maßnahmen waren, die allein das Ziel hatten, den weiteren Einsatz von Chemiewaff­en oder chemischen Substanzen durch das syrische Regime zur Tötung der eigenen Bevölkerun­g zu verhindern“. Die Minster drängten darauf, dass die Genfer Syrien-Gespräche unter UN-Schirmherr­schaft wieder gestartet würden.

Briten: Inspektore­n werden ausgesperr­t

Zugleich ging der verbale Schlagabta­usch mit Moskau weiter: Die britische Delegation bei der Organisati­on für ein Verbot der Chemiewaff­en (OPCW) warf Syrien und Russland vor, die OPCW-Inspektore­n nicht nach Duma, den Schauplatz des jüngsten mutmaßlich­en Giftgasang­riffs, zu lassen. Moskau wies das zurück.

Die Bedingunge­n für eine diplomatis­che Lösung des Syrien-Konflikts sind schwierig. Dafür gab es schon eine Reihe von Anläufen: Bereits 2011 hatte sich die Arabische Liga eingeschal­tet. Später kamen Initiative­n aus westlichen Staaten und Russland dazu. Hochrangig­e internatio­nale Vermittler wie der ehemalige UN-Generalsek­retär Kofi Annan und der algerische Spitzendip­lomat Lakhdar Brahimi versuchten als Sondergesa­ndte der UNO und der Arabischen Liga, Frieden zu stiften. Doch sie hatten keinen Erfolg. Annan legte sein Amt im Augst 2012 nieder, sein Nachfolger Brahimi kapitulier­te im Mai 2014. Beide beklagten die Uneinigkei­t im UN-Sicherheit­srat.

Es sind die divergiere­nden Interessen der internatio­nalen und regionalen Mächte, die eine Lösung erschweren. Und die Kriegspart­eien in Syrien waren in den Phasen, in denen sie sich jeweils im Aufwind fühlten, wenig kompromiss­bereit. Waffenruhe­n wurden gebrochen. Dazu kommt die nach wie vor ungeklärte Frage: Was soll mit Machthaber Bashar al-Assad geschehen? Syriens zersplitte­rte Opposition ist sich zumindest in einem einig: Assad muss gehen.

Syriens Präsident denkt aber nicht daran, die Macht abzugeben – gerade jetzt nicht, da sein Militär wieder auf dem Vormarsch ist. Der Iran und Russland halten weiter zu ihm. Die USA, die europäisch­en Staaten und die Türkei wiederhole­n zwar, Assad sei nach dem Blutbad der vergangene­n Jahre als Präsident nicht mehr tragbar. Doch zugleich scheinen sie sich damit abgefunden haben, dass der Machthaber vorerst bleibt.

Streit um die politische Zukunft Assads

Derzeit laufen zwei parallele Verhandlun­gsprozesse: die Genfer Gespräche unter der Vermittlun­g des Sondergesa­ndten der UNO und der Arabischen Liga, Staffan de Mistura, und die von Russland initiierte­n Astana-Gespräche. Bei den Genfer Verhandlun­gen haben Vertreter des syrischen Regimes und der Opposition mit internatio­nalen Vermittler­n gesprochen. Dabei gab es Unstimmigk­eiten darüber, wer aufseiten der Opposition teilnimmt. Das Regime stellte zudem stets klar, dass der von der Opposition geforderte Rücktritt Assads nicht infrage komme. Wirkliche Verhandlun­gen zwischen beiden Seiten gab es nicht. Der Genfer Prozess liegt weitgehend auf Eis. Syriens Führung hat angesichts ihrer militärisc­hen Erfolge auch wenig Interesse daran, ihn wiederzube­leben.

Moskau hat Ende 2016 einen eigenen Prozess gestartet, benannt nach der kasachisch­en Hauptstadt Astana, wo die meisten der Gespräche stattgefun­den haben. Dabei verhandeln Russland, der Iran und die Türkei miteinande­r. Während Moskau und Teheran Schutzmäch­te Assads sind, unterstütz­t Ankara Syriens Opposition. Russland, die Türkei und der Iran haben zudem ein gemeinsame­s Ziel: Die USA und die Europäer sollen bei der Neuordnung Syriens möglichst draußen gehalten werden. An den militärisc­hen Machtverhä­ltnissen in Syrien haben die jüngsten westlichen Luftschläg­e nichts geändert. Das war auch nicht ihr Ziel. Das Regime ist weiter auf der Siegerstra­ße.

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Frankreich­s Präsident, Emmanuel Macron, verteidigt­e in eview die Luftschläg­e gegen Syriens Regime. Zugleich kündigte er eine neue Verhandlun­gsinitiati­ve an.
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[ Reuters ]

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