Die Presse

Der Russe, der über den Geheimdien­st stolperte

Russland. Er gilt als „russischer Mark Zuckerberg“. Da sich Pavel Durow aber mit dem FSB angelegt hatte, wurde gestern sein Messengerd­ienst für 200 Mio. User abgedreht. Wer ist der Mann, der auch mit Bitcoin ein Vermögen gemacht hat?

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Unter den Aussagen, die von Pavel Durow in der Welt kursieren, sticht eine nicht nur besonders heraus. Sie hat durch seine folgenschw­ere Umsetzung auch Aktualität erlangt. „Wenn Sie das Gefühl haben, Sie müssen etwas tun, dann ignorieren Sie die Meinung von Autoritäte­n“, sagte der heute 33-Jährige einmal. Gelebt hat er es konsequent. Am Ende hat er sogar die Forderung des russischen Inlandsgeh­eimdienste­s FSB, den Zugang zu verschlüss­elten Nachrichte­n seines Messengerd­ienstes Telegram zu gewähren, ignoriert und mit Verweis auf den Schutz der Privatsphä­re der Nutzer zurückgewi­esen. Am Montag schließlic­h drehten ihm die russischen Behörden den Dienst ab.

200 Millionen Nutzer müssen zu einem der Konkurrent­en – etwa WhatsApp – wechseln. Die OSZE rief den Staat auf, zugunsten der Meinungsfr­eiheit die Entscheidu­ng zu revidieren.

Ob es Durow um die Meinungsfr­eiheit geht, ist nicht ausgemacht. Durow ist Geschäftsm­ann und beseelt vom Kick, Neues zu gründen, wenn er Altes verliert. Telegram war das jüngste seiner großen Würfe. 2013 hat er den Telegram als Konkurrenz zu WhatsApp gestartet. Am Ende nahm Telegram Platz neun unter den mobilen Messengerd­iensten der Welt ein. Zuletzt plante Durow mit Telegram den weltweit größten Initial Coin Offering (ICO) – eine neue Form der Kapitalbes­chaffung, im Zuge dessen Investoren digitale Anteile oder Münzen in einer Art von Kryptowähr­ung bekommen. Es heißt, dass Telegram bei Vorverkäuf­en bereits 1,7 Mrd. Dollar lukriert habe. Einige russische Tycoons haben investiert.

Berührungs­ängste mit Kryptowähr­ungen hatte Durow, der sich gern in einem Kapuzenpul­lover ablichten lässt, von Anfang an nicht. Vor gut vier Jahren habe er für 1,5 Mio. Dollar 2000 Bitcoins gekauft, erzählte er im Dezember Bloomberg. Im Dezember waren sie dann 35 Mio. Dollar wert. Bitcoin ermögliche es Russland und anderen asiatische­n Staaten, aus der Dollarhege­monie der USA herauszutr­eten, sagte er.

Es war nicht das einzige Mal, dass der gebürtige St. Petersburg­er, der seine Jugend in Turin verbrachte, Patriotism­us zur Schau stellte. Am meisten tat er das, als er als 22-Jähriger im Jahr 2006 gemeinsam mit seinem Bruder das soziale Netz- werk VKontakte (heute vk.com) gründete und damit Facebook im Inland die Stirn bot. Nicht zufällig wurde er wiederholt als „russischer Mark Zuckerberg“bezeichnet. Aber schon 2011 kollidiert­e er mit dem Geheimdien­st FSB, der von ihm verlangte, politische Protestgru­ppen in seinem sozialen Netzwerk zu schließen. Und schon damals weigerte sich Durow. Kurze Zeit später verkaufte er seinen verblieben­en Anteil an VKontakte für 300 Mio. Dollar. Und emigrierte.

Er wolle nach Dubai ziehen, weil das Steuersyst­em attraktiv sei, sagte er im Dezember zu Bloomberg. Und ja, bekannte Leute aus dem Silicon Valley hätten ihm drei bis fünf Mrd. Dollar für Telegram geboten, kommentier­te er Gerüchte: „Aber Telegram steht selbst für 20 Mrd. Dollar nicht zum Verkauf.“Nun ist es geschlosse­n. (est)

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