„Banken machen sich selbst obsolet“
Fintechs werden den Banken immer mehr Geschäft abknabbern, so eine Studie. Auch bei der Blockchain sei Vorsicht geboten. Die Technologie bedrohe den ganzen Sektor.
„If you can’t beat them, join them. Beginne dich zu öffnen. Gib Teile her. Schließe dich den offenen Plattformen an.“Was wie Lebenshilfe klingt, ist in Wahrheit ein Ratschlag für Banken, sich der Digitalisierung zu stellen. Oliver Gassmann, Professor für Technologiemanagement an der Uni St. Gallen, hat gemeinsam mit Kollegen aus Zürich und Stanford das Geschäftsmodell untersucht und Wege in die Zukunft gesucht.
Ihr Schluss: Internet, Globalisierung und Blockchain werden das Verhältnis zwischen Banken und ihren Kunden verändern. „Als Industrie waren die Banken bisher immer profitabel. Sie haben sich nie wirklich um die Bedürfnisse ihrer Kunden kümmern müssen und sind stark reguliert in einer Art Zoo gesessen. Das wird sich ändern“, sagt Gassmann zur „Presse“.
Fintechs, also junge, kleine Unternehmen im Finanzbereich, werden dabei eine große Rolle spielen. Die wurden anfangs zwar belächelt. Aber damit sei es vorbei, so Gassmann. „Wenn Start-ups sich auf spezielle Bereiche konzentrieren, ist ihre geringe Größe ja ein Vorteil. Sie können sich Häppchen abbeißen. Die gehen wie die Haie rein und nehmen sich die besten Stücke vom Bankgeschäft.“Als Bei- spiel für ein etabliertes Fintech nennt Gassmann PayPal: „Ich brauche längst keine Banken mehr für Überweisungen. Inzwischen gibt es ja auch Apple Pay.“Fintechs würden klein anfangen – und sich ausbreiten. Gerade hat PayPal neue Ideen: Bald will man Konten, Karten und Kredite anbieten.
Abschottung sei der falsche Weg, sagt Gassmann. Die Banken sollten sich öffnen und Schnittstellen anbieten, an die Fintechs andocken können. Auch die Leistungen des Bankberaters in der Heimatfiliale müsse man radikal überdenken. „Die Kunden kommen gut vorbereitet zu einem Termin. Wenn sie überhaupt kommen.“Der entscheidende Punkt sei das Vertrauen zur Bank. Hier sieht die Studie „Digital Banking 2025“eine große Chance für Banken.
Etwa als sicherer Datenspeicher: „Die Rolle der Depotfunktion könnte im Sinne der Datensicherheit in Zukunft von zunehmender Relevanz sein. Unter anderem könnten Gesundheits- und Regierungsdaten durch die sichere Infrastruktur von Banken gespeichert und transferiert werden.“Einige Banken haben sich schon positioniert: Etwa die Erste, die online auch einen „Safe“für persönliche Dokumente anbietet. „Im Hinblick auf persönliche Daten sind Banken hoffentlich eine komplett andere Kategorie als die Facebooks und Amazons dieser Welt“, so Erste-Retail-Chef Peter Bosek zur „Presse“.
Spannend wird es auch bei der Blockchain. Die Technologie ist durch den Aufstieg der Kryptowährung Bitcoin bekannt geworden. Die Blockchain erlaubt direkte Geldgeschäfte zwischen zwei Personen – ohne Banken, Zentralbanken oder andere Vermittler. Das Prinzip lässt sich auch auf andere Branchen übertragen, aber im Geldbereich ist die Blockchain schon weiter als anderswo. Und auch viele Banken experimentieren mit der Technologie. Sie erhoffen sich Einsparungen, etwa im teuren internationalen Zahlungsverkehr.
„Dass Banken alle auf Blockchain setzen wollen, ist ja fast ein Hohn. Denn Blockchain ist enorm bedrohend für die ganze Existenz der Banken“, so Gassmann. Wieder steht das Vertrauen im Mittelpunkt. Blockchain und andere Technologien, die auf verteilte Datenbanken (distributed ledger) bauen, setzen hier an. „Eine Bank hat ja den Hauptwert, dass sie eine vertrauenswürdige Institution ist. Deswegen schmunzle ich über Banken, die auf Blockchain setzen. Die machen sich selbst obsolet.“