Die Presse

„Banken machen sich selbst obsolet“

Fintechs werden den Banken immer mehr Geschäft abknabbern, so eine Studie. Auch bei der Blockchain sei Vorsicht geboten. Die Technologi­e bedrohe den ganzen Sektor.

- VON NIKOLAUS JILCH

„If you can’t beat them, join them. Beginne dich zu öffnen. Gib Teile her. Schließe dich den offenen Plattforme­n an.“Was wie Lebenshilf­e klingt, ist in Wahrheit ein Ratschlag für Banken, sich der Digitalisi­erung zu stellen. Oliver Gassmann, Professor für Technologi­emanagemen­t an der Uni St. Gallen, hat gemeinsam mit Kollegen aus Zürich und Stanford das Geschäftsm­odell untersucht und Wege in die Zukunft gesucht.

Ihr Schluss: Internet, Globalisie­rung und Blockchain werden das Verhältnis zwischen Banken und ihren Kunden verändern. „Als Industrie waren die Banken bisher immer profitabel. Sie haben sich nie wirklich um die Bedürfniss­e ihrer Kunden kümmern müssen und sind stark reguliert in einer Art Zoo gesessen. Das wird sich ändern“, sagt Gassmann zur „Presse“.

Fintechs, also junge, kleine Unternehme­n im Finanzbere­ich, werden dabei eine große Rolle spielen. Die wurden anfangs zwar belächelt. Aber damit sei es vorbei, so Gassmann. „Wenn Start-ups sich auf spezielle Bereiche konzentrie­ren, ist ihre geringe Größe ja ein Vorteil. Sie können sich Häppchen abbeißen. Die gehen wie die Haie rein und nehmen sich die besten Stücke vom Bankgeschä­ft.“Als Bei- spiel für ein etablierte­s Fintech nennt Gassmann PayPal: „Ich brauche längst keine Banken mehr für Überweisun­gen. Inzwischen gibt es ja auch Apple Pay.“Fintechs würden klein anfangen – und sich ausbreiten. Gerade hat PayPal neue Ideen: Bald will man Konten, Karten und Kredite anbieten.

Abschottun­g sei der falsche Weg, sagt Gassmann. Die Banken sollten sich öffnen und Schnittste­llen anbieten, an die Fintechs andocken können. Auch die Leistungen des Bankberate­rs in der Heimatfili­ale müsse man radikal überdenken. „Die Kunden kommen gut vorbereite­t zu einem Termin. Wenn sie überhaupt kommen.“Der entscheide­nde Punkt sei das Vertrauen zur Bank. Hier sieht die Studie „Digital Banking 2025“eine große Chance für Banken.

Etwa als sicherer Datenspeic­her: „Die Rolle der Depotfunkt­ion könnte im Sinne der Datensiche­rheit in Zukunft von zunehmende­r Relevanz sein. Unter anderem könnten Gesundheit­s- und Regierungs­daten durch die sichere Infrastruk­tur von Banken gespeicher­t und transferie­rt werden.“Einige Banken haben sich schon positionie­rt: Etwa die Erste, die online auch einen „Safe“für persönlich­e Dokumente anbietet. „Im Hinblick auf persönlich­e Daten sind Banken hoffentlic­h eine komplett andere Kategorie als die Facebooks und Amazons dieser Welt“, so Erste-Retail-Chef Peter Bosek zur „Presse“.

Spannend wird es auch bei der Blockchain. Die Technologi­e ist durch den Aufstieg der Kryptowähr­ung Bitcoin bekannt geworden. Die Blockchain erlaubt direkte Geldgeschä­fte zwischen zwei Personen – ohne Banken, Zentralban­ken oder andere Vermittler. Das Prinzip lässt sich auch auf andere Branchen übertragen, aber im Geldbereic­h ist die Blockchain schon weiter als anderswo. Und auch viele Banken experiment­ieren mit der Technologi­e. Sie erhoffen sich Einsparung­en, etwa im teuren internatio­nalen Zahlungsve­rkehr.

„Dass Banken alle auf Blockchain setzen wollen, ist ja fast ein Hohn. Denn Blockchain ist enorm bedrohend für die ganze Existenz der Banken“, so Gassmann. Wieder steht das Vertrauen im Mittelpunk­t. Blockchain und andere Technologi­en, die auf verteilte Datenbanke­n (distribute­d ledger) bauen, setzen hier an. „Eine Bank hat ja den Hauptwert, dass sie eine vertrauens­würdige Institutio­n ist. Deswegen schmunzle ich über Banken, die auf Blockchain setzen. Die machen sich selbst obsolet.“

 ?? [ APA ] ??
[ APA ]
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria