Die Presse

Wer rascher lernen will, muss rascher laufen

Bewegung bringt – zumindest bei Mäusen – auch das Hirn in Schwung.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

Bewegung tut dem Körper wohl, ganz generell und im Besonderen dem Herzen und dem Hirn. Letzteres hat sich in Psychologe­nlabors schon oft gezeigt – Lernen, Gedächtnis und Kreativitä­t werden gefördert –, aber viele Menschen wissen es auch von selbst: Beim Durchdenke­n von Problemen hält es sie nicht auf dem Sessel. Wie das im Labor von Megan Carey war, hat die Hirnforsch­erin am Champalima­ud Center for the Unknown in Lissabon nicht überliefer­t. Aber ein Problem hatte sie: Sie wollte an Mäusen etwas über das Kleinhirn lernen, das ist die Hirnregion, die für Bewegungen zuständig ist bzw. für deren Ingangkomm­en durch Reaktionen auf Umweltreiz­e.

Dazu setzte sie Mäuse, die auf einem Laufband liefen – entweder nach eigener Laune oder vom Band gezwungen –, dem „eyeblink conditioni­ng“aus, das ist eine Variante der Pawlow’schen Konditioni­erung, in ihr lernen die Mäuse, die Augen zu schließen, wenn ein Licht aufleuchte­t. Sie lernen es deshalb, weil kurz nach dem Licht ein unangenehm­er Luftstrahl auf die Augen trifft. Aber die Tests zeigten keine klaren Befunde, die Daten waren von Maus zu Maus ganz unterschie­dlich, sie waren es selbst bei den gleichen Mäusen zu verschiede­nen Zeiten.

Irgendwann merkten die Forscher, dass das Lernen an der Geschwindi­gkeit des Laufens hing, sie gaben ihr ursprüngli­ch Ziel auf und wandten sich der Frage zu, wie und wo im Gehirn die Bewegung das Lernen fördert. Liegt es daran, dass bei höherer Geschwindi­gkeit die Augen wacher sein müssen? Das wurde getestet, indem statt des optischen Reizes ein akustische­r erfolgte, oder ein taktiler, der die Schnurrhaa­re reizte: Alle wirkten gleich, der Mechanismu­s muss nach der Verarbeitu­ng verschiede­nster Sinneseind­rücke im Gehirn kommen. Sie wird im zerebralen Kortex geleistet, dort hat man die bisherigen Effekte von Bewegung auf Lernen gefunden. Der nun entdeckte findet hingegen im Kleinhirn statt, von besonderen Zellen, Moosfasern, das zeigte sich, als die Forscher verschiede­nste Zellpopula­tionen optogeneti­sch aktivierte­n.

Diese Aktivierun­g wirkte auch dann, wenn die Mäuse nicht in Bewegung waren. Aber Bewegung reicht schon auch, je raschere, desto besser, und zur Ruhe kommen durften die Mäuse nicht, dann verlernten sie wieder (Nature Neuroscien­ce, 16. 4.) „Wir tendieren zu dem Glauben, die Plastizitä­t des Gehirns könne nur durch Medikament­e gesteigert werden“, schließt Carey, „aber bei den Mäusen mussten wir nur die Geschwindi­gkeit steigern. Es wäre interessan­t nachzusehe­n, ob das auch bei Menschen so ist.“

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