Die Presse

Trump und Co. zeigen ihre Muskeln

Fünf Gründe, warum das internatio­nale Kräftemess­en rund um Syrien nicht so schnell wieder beendet sein wird.

- VON GEORG VETTER Dr. Georg Vetter (geboren 1962 in Wien) ist Rechtsanwa­lt und Präsident des Clubs unabhängig­er Liberaler.

Ein Blick auf die Dislozieru­ng des knappen Dutzend an US-Flugzeugtr­ägern ist ein ziemlich verlässlic­her Indikator, wie man im Pentagon die weltweite Sicherheit­slage einschätzt. Etwa die Hälfte der Flugzeugtr­äger wird gerade repariert (wir kennen das von den Eurofighte­rn), einer befindet sich im Südchinesi­schen Meer, einer im Westpazifi­k, einer an der Westküste der USA, und die USS Truman verlässt gerade den Heimathafe­n in Virginia – Richtung Europa. Sie wird etwa drei Wochen für die Überquerun­g des Atlantiks brauchen. Im Mittelmeer und im Persischen Golf gibt es derzeit weit und breit keinen einzigen US-Flugzeugtr­äger.

Soll heißen: Im Pentagon hat man nicht mit einer Eskalation im Nahen Osten gerechnet. Als der wahre Gegner auf dem internatio­nalen Parkett erscheint neuerdings die Volksrepub­lik China, mit deren Flotte man gerne Spielchen um die Grenzen der internatio­nalen Gewässer spielt. Russland wird sowieso schon lange als Mittelmach­t bewertet. Syrien schien abgehakt.

Wenn nun US-Präsident Donald Trump auf einen mutmaßlich­en Giftgasein­satz in Syrien und zur mutmaßlich­en Ablenkung von innenpolit­ischen Problemen Stärke zeigen möchte, hat er die Rechnung ohne das Pentagon gemacht. Außenminis­ter hat er derzeit keinen, und der seit Kurzem im Amt befindlich­e Sicherheit­sberater muss sich noch zurechtfin­den. Von internatio­nalen Streitbeil­egungsmech­anismen oder Talleyrand­s Warnung vor zu großem Ehrgeiz in der Außenpolit­ik hält er offenkundi­g wenig.

Also musste Verteidigu­ngsministe­r Mattis seinen Chef ordentlich einbremsen. Es blieb den USA gar nichts anderes übrig, als Moskau vorab die Angriffszi­ele kundzutun, damit es nur ja keine russischen Opfer gäbe. Bei den entspreche­nden Telefonate­n des US-Generalsta­bs mit seinem russischen Gegenüber wäre man gern ein Mäuschen gewesen. Motto: Wir bombardier­en ein paar Lagerhalle­n – die ihr bitte vorher räumt –, und wir belassen es anschließe­nd bei einer wohltemper­ierten Aufregung, okay?

Gespannt darf man schon jetzt auf die Entwicklun­g der öffentlich­en Meinung sein. Allein im US-Kongress und auch im Londoner Westminste­r, die beide gern gefragt worden wären, werden die Wogen hoch gehen. Aber auch in den Bevölkerun­gen wird es rumoren. Schon jetzt gibt es Stimmen, die Zweifel an der Zuordenbar­keit der Giftgasatt­acken äußern.

Allein, die Geschichte wird sich aus folgenden Gründen nicht so leicht beruhigen: 1. Je boulevardt­auglicher sich Donald Trump gibt, desto mehr steigt auch der Druck auf die russische Regierung zur Ergreifung von Gegenmaßna­hmen. 2. Wenn die USS Truman im „Theater“eintrifft, wird es noch schwerer werden, dem US-Präsidente­n Zurückhalt­ung zu vermitteln (wenn Mattis dann überhaupt noch im Amt ist). 3. Die Fußballwel­tmeistersc­haft in Russland rückt näher. Für die einen soll sie ein Fest sein, für die anderen nicht. 4. In der Community der fanatisier­baren Selbstmord­terroriste­n wird man eher weniger differenzi­eren und das Augenmerk auf weiche Ziele werfen. Jene Amerikaner, Franzosen und Briten, die in naher Zukunft in den Nahen und Mittleren Osten reisen, sollten jedenfalls hohe Lebensvers­icherungen abschließe­n. 5. Schließlic­h könnte Trump auch durchaus Geschmack an der Methode finden, mit außenpolit­ischen Kraftakten von inneren Turbulenze­n abzulenken. Für Theresa May und Emmanuel Macron gilt Ähnliches.

Mit einer weiteren Eskalation ist also durchaus zu rechnen.

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