Die Presse

Geschäft mit deutschen Pässen boomt

Deutschlan­d. Flüchtling­e verkaufen im Internet ihre deutschen Papiere. Im vergangene­n Jahr gab es laut Bundespoli­zei mehr als 500 Fälle einer unerlaubte­n Einreise mit echten Dokumenten.

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Kriminalit­ät: Flüchtling­e verkaufen im Internet ihre deutschen Papiere.

Wien/Berlin. Hassan Rahimi hatte genug von Deutschlan­d. Irgendwann wollte der Syrer wieder zurück in seine Heimat. Seine Frau und seine zwei Söhne lebten in dem zerstörten Land. Die Hoffnung, in Deutschlan­d Fuß fassen zu können, hatten sich nicht erfüllt. Der 35-Jährige setzte sich in ein Flugzeug nach Griechenla­nd, dann sollte ihn ein Schlepper in die Türkei bringen, von dort wollte er weiter nach Hause.

Doch ein in Deutschlan­d anerkannte­r Flüchtling darf nicht ohne Weiteres in die Türkei einreisen, darauf machte ihn der beauftragt­e Schlepper aufmerksam und riet ihm, seine deutschen Dokumente zu verkaufen und ohne Papiere weiterzure­isen. 1500 Euro bekam Rahimi für seinen Flüchtling­spass, die Banken- und die Versicheru­ngskarte. Mit seinen gültigen Papieren lebte sein Cousin in Leipzig.

Der Handel mit echten Flüchtling­spapieren boomt in Deutschlan­d, warnt die deutsche Polizei. Als Umschlagpl­ätze dienen soziale Netzwerke wie Facebook. Dort haben sich Gruppen gebildet, in de- nen sich Käufer und Verkäufer von echten Flüchtling­spapieren suchen und finden. Wichtigste­s Kriterium: Das Foto auf den Dokumenten muss halbwegs passen, Käufer und Verkäufer sollten sich ein wenig ähnlich sehen. Dann steht den Käufern die Tür zu Deutschlan­d offen. Das berichtet das Nachrichte­nmagazin „Der Spiegel“.

Verlust in der Türkei gemeldet

Laut „Spiegel“sind die deutschen Behörden schon vor einiger Zeit auf dieses Phänomen aufmerksam geworden, haben allerdings kaum Handhabe. In einem Bericht der deutschen Polizei heißt es: „Insbesonde­re deutsche Reisedokum­ente werden in den sozialen Medien zum Verkauf angeboten.“Dabei handle es sich in der Regel um Papiere „anerkannte­r Asylwerber“.

Hauptsächl­ich sind es Syrer, geht aus dem Bericht hervor, die in der Türkei in einer Botschaft eines EU-Landes den angebliche­n Verlust ihrer Dokumente melden. Es werde vermutet, „dass die Reisedokum­ente verkauft oder ander- weitig weitergege­ben wurden“, heißt es. Die Käufer sind meist wiederum Syrer, die nach Deutschlan­d flüchten wollen.

Europol hat bereits im Vorjahr Hunderte Social-Media-Konten überprüft, von denen aus mit den Dokumenten gehandelt wurde. Die Preise für einen echten Pass gehen bei 500 Euro los, Ausweise sind ab 200 Euro zu haben und Führersche­ine ab 150 Euro. Zudem hat die Polizei im vergangene­n Jahr 554 Fälle identifizi­ert, in denen echte Dokumente zur Einreise nach Deutschlan­d genutzt worden waren. 100 dieser Dokumente waren in Deutschlan­d ausgestell­t worden, 99 in Italien und 52 in Frankreich, gefolgt von Schweden, Griechenla­nd und Belgien. Außerdem ist laut Polizei die Zahl der festgestel­lten illegalen Einreisen mit Flugzeugen von neun Prozent im Jahr 2016 auf 22 Prozent im Jahr 2017 gestiegen.

Warum fliegt die Benutzung der echten Dokumente von den falschen Inhabern nicht auf? Ihre Fingerabdr­ücke müssen Flüchtling­e nur beim ersten Kontakt bei den Behörden abgeben. Eine Abgleichun­g erfolgt danach in der Regel nicht mehr. Erst wenn ein neues Dokument beantragt wird, werden die Fingerabdr­ücke wieder abgenommen. Nur anhand des Fotos auf dem echten Dokument ist oft eine eindeutige Identifizi­erung nicht möglich.

In einigen Fällen hätten sich sogar Terrorverd­ächtige der deutschen Ausweise von Flüchtling­en bedient, um nach Deutschlan­d zu gelangen, berichtet „Der Spiegel“.

200 Illegale pro Tag

Dem Geschäft mit den echten Identitäte­n steht der Handel mit gefälschte­n Pässen gegenüber: Die Polizei berichtete im Vorjahr, dass immer mehr in Griechenla­nd festsitzen­de Flüchtling­e versuchten, mit falschen Reisedokum­enten in die EU zu gelangen. Allein auf dem Flughafen von Athen greift die Polizei an Spitzentag­en rund 200 illegal reisende Immigrante­n heraus. Bevorzugte Ziele sind Deutschlan­d, Italien, die Niederland­e und Belgien sowie, als einziges NichtEU-Land, die Schweiz. (zoe)

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