Der linientreue Kronprinz
Porträt. Miguel D´ıaz-Canel, möglicher Nachfolger Castros, will von der Parteilinie nicht abrücken – trotz seiner etwas „wilderen“Vergangenheit.
Havanna. Auf den ersten Blick wirkt Miguel D´ıaz-Canel wie der typische Apparatschik: zurückhaltend, linientreu, penibel gewissenhaft. Öffentlich trat der 57-Jährige bisher kaum in Erscheinung, mit internationalen Journalisten redet er nicht. Und noch weniger lächelt er.
Dieser Mann wird mit großer Wahrscheinlichkeit der allererste Präsident des sozialistischen Kuba, der nicht der Castro-Familie angehört. Der scheidende Staatschef, Rau´l Castro, persönlich soll ihn auserkoren haben. Tatsächlich hat der Elektroingenieur eine makellose Kaderkarriere vorzuweisen: Geduldig stieg er Stufe um Stufe die Parteihierarchie auf. Nach dem Militär machte der junge Professor sich einen Namen beim KP-Jugendverband, bald darauf wurde er Parteichef seiner Heimatprovinz Santa Clara. Damals „entdeckte“ihn Fidel Castros Bruder Rau´l: Im Jahr 2003 machte er D´ıaz-Canel zum jüngsten PolitbüroMitglied und sorgte dafür, dass er den Partei- vorsitz der Provinz Holguin übernahm. 2009 holte Rau´l Castro seinen Protege´ zu sich in die Regierung, D´ıaz-Canel wurde Erziehungsminister – und 2013 Vizepräsident. Ein Mitarbeiter Castros beschreibt ihn als „Zivilisten, mit solider ideologischer Grundlage“. Auf Kuba kursiert ein Video, in dem der Vizepräsident mit ernsthaftem Gesicht gegen „subversive“unabhängige Medien und ausländische Botschaften wettert.
Seine größte Leistung war es wohl, als einer der wenigen Kader nie in Ungnade zu fallen – trotz etwas „wilderer“Vergangenheit. Denn in den früheren Santa-Clara-Jahren galt D´ıaz-Canel als „cooler“Kader in Jeans, trug lange Haare, bezeichnete sich als BeatlesFan, fuhr Fahrrad. Manche Bewohner nannten ihn hinter vorgehaltener Hand „progressiv“: Immerhin stimmte er der Öffnung eines Kulturzentrums zu, in denen Transvestiten und Homosexuelle auftraten. Er selbst kam oft in den Club, mit seinen Kindern. (basta)