Die Presse

„War den Abgeordnet­en das Hemd näher als die Hose?“

Justiz. Dass die Parlamenta­rier sich selbst mehr Geld genehmigte­n, aber bei Gericht sparen, erbost die Vertreter der Richtersch­aft besonders.

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. Im Wiener Justizpala­st ist die Juristendi­chte naturgemäß recht hoch. Doch einen Auflauf wie Dienstagmi­ttag hat das Gebäude selten noch erlebt. Richter, Staatsanwä­lte und Kanzleibed­ienstete auf den breiten Stufen, volle Ränge auf der Galerie, dazu Menschentr­auben, die im Erdgeschoß standen. Daran, die Versammlun­g wie geplant im Festsaal abzuhalten, war nicht zu denken. Stattdesse­n ergriffen die Standesver­treter von der Stiege in der Eingangsha­lle aus das Wort, unter den Augen der über sie wachenden Justitia-Statue.

Der Adressat der Versammlun­g: Die Politik, mit deren Sparvorgab­en die Justiz trotz Zugeständn­issen unzufriede­n ist. Zwar sollen nun doch nicht 40 Richterpos­ten gestrichen werden. Doch die Frage der Finanzieru­ng ist nicht ganz geklärt, denn es gibt kein zusätzlich­es Geld für das Justizbudg­et. Und beim Kanzleiper­sonal sei die Regierung ganz bei ihren Sparplänen geblieben, kritisiert­en die Standesver­treter in ihren Reden.

Besonders erbost Sabine Matejka, die Präsidenti­n der Richterver­einigung, dass die Parlamenta­rier sich selbst 5,75 Millionen Euro an zusätzlich­em Budget genehmigt haben. Damit sollen Unterstütz­ungsleistu­ngen und Schulungen für Abgeordnet­e finanziert werden.

„War den Abgeordnet­en das Hemd näher als die Hose, frage ich mich“, rief Matejka. Mit diesem Geld könnte man die Probleme der Justiz, die übrigens die Schulungsk­osten ihrer Bedienstet­en um 40 Prozent kürzen müsse, lösen, betonte die Richterin. Auch, dass man das Justizbudg­et mit der Auflösung von Rücklagen des Justizmini­steriums retten will, beruhigt Matejka nicht. „Der Rücklagent­opf ist kein Goldesel.“Dieser werde bald erschöpft sein, warnte sie. Dazu kommt, dass laut Experten Rücklagen gar nicht für Richterpos­ten verwenden dürfen.

Über die Frage, wie die 40 Stellen genau finanziert werden, hüllt sich das Justizmini­sterium in Schweigen. Beamtenmin­ister Heinz-Christian Strache hatte den Richtern aber zuletzt die Rücknahme der Streichung­en versproche­n. Ohne selbst Mittel freizumach­en.

Wie geht es mit Moser weiter?

Sobald Justizmini­ster Josef Moser nach seiner Blutvergif­tung wieder ganz fit ist, soll ein Gespräch zwischen Moser, Strache und Justizbedi­ensteten Klarheit bringen. Der Reform- und Justizmini­ster setzte sich für ein höheres Justizbudg­et ein. Doch der selbstbewu­sste Moser hat innerhalb der ÖVP prominente Gegner. Und die sollen durch seine interne Rücktritts­drohung für den Fall, dass seine Wünsche unberücksi­chtigt bleiben, nicht weniger geworden sein.

Für die Justizvert­reter ist die Angelegenh­eit mit dem anstehende­n Budgetbesc­hluss des Parlaments jedenfalls nicht erledigt. „Nach dem Budget ist vor dem Budget“, sagte Matejka. Es folgte langer Applaus ihrer Kollegen. Die Justiz will ihre Verhandlun­gen um mehr Budget nicht beenden, sondern höchstens vertagen.

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