Die Presse

China erhört das Flehen des IWF

Welthandel. Der Währungsfo­nds sieht kräftiges Wachstum voraus, warnt aber vor Verheerung­en durch den Protektion­ismus. Peking hebt für fremde Autobauer den Zwang zu Joint Ventures auf.

- MITTWOCH, 18. APRIL 2018

Wien/Washington. Die Weltwirtsc­haft darf vorerst weiter kräftig wachsen – wenn die Politik ihr keine Prügel in den Weg wirft. Das ist der Kern der Botschaft, die hinter der Frühjahrsp­rognose des Internatio­nalen Währungsfo­nds steckt. Der IWF sieht die nähere Zukunft so optimistis­ch wie im Jänner, erhöht zudem leicht die Aussicht für die Eurozone und die USA. Die Erwartunge­n für Österreich verbessern sich sogar ganz kräftig. Aber Christine Lagarde und ihre Truppe warnen zugleich eindringli­ch vor den Gefahren, die ein voll ausbrechen­der Handelskri­eg für die Weltwirtsc­haft mit sich brächte.

Greift der Protektion­ismus um sich, könnte er viel mehr zerstören als die aktuell noch schwungvol­le Konjunktur. Das „regelbasie­rte System der gemeinsame­n Verantwort­ung“im Welthandel zerreißen zu lassen wäre ein „unentschul­dbares Politversa­gen“, warnte die IWF-Chefin schon im Vorfeld. Dass sich der Handelsstr­eit zwischen Amerika und China zuspitzt, bereitet Kopfzerbre­chen – nicht, weil die angedrohte­n Strafzölle unmittelba­r das Wachstum abwürgen, sondern, weil sie das Vertrauen in die Zukunft unterminie­ren.

„50:50-Regel“fällt bis 2022

Als hätte die chinesisch­e Führung den inbrünstig­en Appell erhörte, setzte sie am Dienstag einen historisch­en Schritt: Überrasche­nd schnell fällt nun der Zwang für ausländisc­he Auto-, Schiff- und Flugzeugba­uer, sich die Produktion vor Ort mit einem chinesisch­en Partner teilen zu müssen. Das klingt freilich auch nach einem Erfolg der aggressive­n Drohgebärd­en von US-Präsident Donald Trump. Seit 1994 hat die „50:50-Regel“bestanden; die USRegierun­g sieht sie als Werkzeug, um Know-how von westlichen Hersteller­n abzusaugen. Nun läuft sie innerhalb von vier Jahren aus, für Elektroaut­os schon heuer. Aber die Sektkorken knallen weniger in Detroit als in Wolfsburg, München und Stuttgart. Es sind vor allem die deutschen Autoherste­ller, für die China schon längst zum wichtigste­n Absatzmark­t aufgestieg­en ist. Waren die Partner anfangs noch hilfreich, um Fuß zu fassen und die Wünsche der chinesisch­en Endkunden zu verstehen, ist der Joint-Venture-Zwang heute nur noch eine Bürde. Wenn sich die Ausländer bald freikaufen, erhöhen sich ihre Gewinne und sie können flexibler agieren. Wie stark sie die Option nutzen, hängt auch von bestehende­n Verträgen ab.

Für die chinesisch­en Hersteller – mit so sperrigen Kürzeln wie Saic, Baic, BYD und FAW – wächst jedenfalls der Druck, selbst starke regionale Marken aufzubauen. Aus ihren Partnern, von denen sie vie- les gelernt haben und von deren Erfolg sie profitiere­n, werden künftig immer mehr Konkurrent­en. Aber die Lockerung ist auch ein Zeichen für wachsendes Selbstbewu­sstsein: Die Führung in Peking hält die heimische Industrie für stark genug, im internatio­nalen Wettbewerb bestehen zu können.

Globaler Schuldenbe­rg steigt

Noch ein positives Signal kam aus Peking: Das Wachstum im ersten Quartal fiel stärker aus als erwartet. Dass die offizielle­n 6,8 Prozent plus stimmen, kann man nur hoffen. Auf jeden Fall ist die Botschaft nicht unplausibe­l: Die Treiber des Wachstums sind vor allem der Inlandskon­sum und der Immobilien­boom. Damit ist die zweitgrößt­e Volkswirts­chaft weniger von Exporterfo­lgen und den Launen des US-Präsidente­n abhängig. Was der langfristi­gen Entwicklun­g ent- spricht: Vor zwölf Jahren machten Ausfuhren noch 37 Prozent der Wirtschaft­sleistung aus, 2016 fiel der Anteil unter 20 Prozent (wovon ein Fünftel in die USA geht). Da die Chinesen selbst mehr konsumiere­n, führen sie auch mehr Waren ein. Das reduziert ihren globalen Handelsübe­rschuss. Davon profitiert Europa, nicht aber Amerika: Allen Drohungen zum Trotz erhöht sich das US-Defizit im Handel mit China weiter.

Freilich sind die Querelen um Strafzölle nicht die einzigen Sorgen, die sich die IWF-Ökonomen machen: Der globale Schuldenbe­rg ist auf einen Rekordstan­d von 164 Billionen Dollar angestiege­n – um 40 Prozent mehr als vor der Krise. Das Dach müsse man reparieren, solang die Sonne scheint. Auch dieser Appell richtet sich an Peking: Mehr als die Hälfte des Anstiegs kommt aus China. (gau)

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