Die Presse

Österreich­s absurdeste Steuer

Medizinpro­dukte sind mit einer Sonderabga­be belegt. Der bürokratis­che Aufwand ist dabei höher als der Ertrag.

- VON CHRISTIAN HÖLLER

Augentropf­en, die als Desinfekti­onslösung verwendet werden, sind Klasse IIb. Jene, die Arzneimitt­el beinhalten, fallen unter Klasse III.

Die Medizinpro­dukteabgab­e wurde in Österreich 2011 eingeführt. Diese wird von allen verlangt, die im größeren Stil Medizinpro­dukte an Konsumente­n verkaufen. Das können Ärzte, Bandagiste­n, Orthopäden, Optiker und Apotheker sein. Die Berufsgrup­pen und Unternehme­n laufen dagegen Sturm. Sie sehen eine Benachteil­igung gegenüber ausländisc­hen Online-Shops. Denn mittlerwei­le kaufen viele Konsumente­n einfache Medizinpro­dukte wie beispielsw­eise Augentropf­en bei ausländisc­hen Online-Shops, weil dort die Preise niedriger sind. Ob und welche Anbieter vom Ausland nach Österreich liefern, ist für die österreich­ischen Behörden schwer kontrollie­rbar.

Das nächste Problem ist der bürokratis­che Aufwand. Denn die Höhe der Medizinpro­dukteabgab­e hängt nicht von der Menge der verkauften Produkte, sondern von der Art des Produkts und der Anzahl der jeweiligen Betriebsst­ätten ab. Eine Brille fällt beispielsw­eise in die Klasse I. Bei Augentropf­en ist die Sache komplizier­ter. Für Augentropf­en, die als Desinfekti­onslösunge­n für okulare Prothesen verwendet werden, gilt die Klasse IIb. Bei Augentropf­en, die Arzneimitt­el in unterstütz­ender Wirkung beinhalten, muss die Klasse III angewendet werden.

Die verschiede­nen Klassen hängen mit der Risikoeins­chätzung zusammen. Brillen fallen in die niedrigste Risikoklas­se. Die Unternehme­n müssen die Abgabe jährlich nach Selbsteins­tufung entrichten, wobei das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheit­swesen „die Höhe der entrichtet­en Verwaltung­sabgaben in nachprüfba­rer Weise festzuhalt­en“hat, wie es in der entspreche­nden Verordnung heißt.

Mittlerwei­le kann von Österreich­s absurdeste­r Steuer gesprochen werden. Denn der geschätzte Aufwand ist höher als der Ertrag. Neos-Gesundheit­ssprecher Gerald Loacker hat dazu eine parlamenta­rische Anfrage gestellt. In der Antwort von Gesundheit­sministeri­n Beate Hartinger-Klein heißt es, dass die Abgabe im Jahr 2016 (neuere Angaben liegen noch nicht vor) lediglich 1,1 Millionen Euro eingespiel­t hat. So fallen beispielsw­eise pro Apotheke durchschni­ttlich 67,63 Euro an. Bei anderen Betrieben, die Medizinpro­dukte verkaufen, liegt die durchschni­ttliche Abgabenhöh­e bei 422,26 Euro im Jahr.

Falls das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheit­swesen zur Kenntnis gelangt, dass ein Abgabepfli­chtiger seiner Verpflicht­ung nicht nachkommt, wird ein Ermittlung­sverfahren eingeleite­t. Dann wird die Abgabenpfl­icht per Bescheid festgelegt. Zahlt der Betrieb dann immer noch nicht, wird die Finanzprok­uratur eingeschal­tet – der oberste Anwalt der Republik. Zuletzt hat sie sich bei 118 Betrieben bemüht, das Geld einzutreib­en. Wie hoch die Kosten bei der Finanzprok­uratur dafür sind, ist nicht bekannt. Sie dürften aber über den geforderte­n 422,26 Euro liegen.

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