Österreichs absurdeste Steuer
Medizinprodukte sind mit einer Sonderabgabe belegt. Der bürokratische Aufwand ist dabei höher als der Ertrag.
Augentropfen, die als Desinfektionslösung verwendet werden, sind Klasse IIb. Jene, die Arzneimittel beinhalten, fallen unter Klasse III.
Die Medizinprodukteabgabe wurde in Österreich 2011 eingeführt. Diese wird von allen verlangt, die im größeren Stil Medizinprodukte an Konsumenten verkaufen. Das können Ärzte, Bandagisten, Orthopäden, Optiker und Apotheker sein. Die Berufsgruppen und Unternehmen laufen dagegen Sturm. Sie sehen eine Benachteiligung gegenüber ausländischen Online-Shops. Denn mittlerweile kaufen viele Konsumenten einfache Medizinprodukte wie beispielsweise Augentropfen bei ausländischen Online-Shops, weil dort die Preise niedriger sind. Ob und welche Anbieter vom Ausland nach Österreich liefern, ist für die österreichischen Behörden schwer kontrollierbar.
Das nächste Problem ist der bürokratische Aufwand. Denn die Höhe der Medizinprodukteabgabe hängt nicht von der Menge der verkauften Produkte, sondern von der Art des Produkts und der Anzahl der jeweiligen Betriebsstätten ab. Eine Brille fällt beispielsweise in die Klasse I. Bei Augentropfen ist die Sache komplizierter. Für Augentropfen, die als Desinfektionslösungen für okulare Prothesen verwendet werden, gilt die Klasse IIb. Bei Augentropfen, die Arzneimittel in unterstützender Wirkung beinhalten, muss die Klasse III angewendet werden.
Die verschiedenen Klassen hängen mit der Risikoeinschätzung zusammen. Brillen fallen in die niedrigste Risikoklasse. Die Unternehmen müssen die Abgabe jährlich nach Selbsteinstufung entrichten, wobei das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen „die Höhe der entrichteten Verwaltungsabgaben in nachprüfbarer Weise festzuhalten“hat, wie es in der entsprechenden Verordnung heißt.
Mittlerweile kann von Österreichs absurdester Steuer gesprochen werden. Denn der geschätzte Aufwand ist höher als der Ertrag. Neos-Gesundheitssprecher Gerald Loacker hat dazu eine parlamentarische Anfrage gestellt. In der Antwort von Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein heißt es, dass die Abgabe im Jahr 2016 (neuere Angaben liegen noch nicht vor) lediglich 1,1 Millionen Euro eingespielt hat. So fallen beispielsweise pro Apotheke durchschnittlich 67,63 Euro an. Bei anderen Betrieben, die Medizinprodukte verkaufen, liegt die durchschnittliche Abgabenhöhe bei 422,26 Euro im Jahr.
Falls das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen zur Kenntnis gelangt, dass ein Abgabepflichtiger seiner Verpflichtung nicht nachkommt, wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Dann wird die Abgabenpflicht per Bescheid festgelegt. Zahlt der Betrieb dann immer noch nicht, wird die Finanzprokuratur eingeschaltet – der oberste Anwalt der Republik. Zuletzt hat sie sich bei 118 Betrieben bemüht, das Geld einzutreiben. Wie hoch die Kosten bei der Finanzprokuratur dafür sind, ist nicht bekannt. Sie dürften aber über den geforderten 422,26 Euro liegen.