Die Presse

Ganz Wien: Die Spuren der Menschensc­hlange

Wien-Marathon. Organisato­r Konrad hofft am Sonntag auf Streckenre­kord, Emotionen – und viel mehr Engagement der Stadtregie­rung.

- VON MARKKU DATLER

Wolfgang Konrad ist wieder einmal aufgeregt. Jedes Jahr, wenn sich der Wien-Marathon nähert, erhöhen sich Puls und Schlagzahl beim Tiroler. Denn der Vienna City Marathon, den er heuer zum 30. Mal orchestrie­rt, sei sein „Kind“. Hätte ihm jemand 1988 gesagt, dass er diesen Job auch 2018 noch machen würde, dem hätte er „glatt den Vogel gezeigt“. Wer in einer Management­position so lang plane, habe doch schon verloren.

Für die insgesamt 35. Auflage des Laufklassi­kers ist alles angerichte­t. Wie immer hat das Team Strecke, Sperren und Läufer für Sonntag (ab neun Uhr, live, ORF eins) in die Spur gebracht. Mit dem Kenianer Dennis Kimetto steht als Weltrekord­halter (2:02:57, 2014 in Berlin) erneut ein flottes Zugpferd am Start. Das Frauenspit­zenfeld mit Vorjahrssi­egerin Nancy Kiprop aus Kenia und Helen Tola aus Äthiopien kann sich ebenso sehen lassen. Mit Christian Steinhamme­r und Triathleti­n Eva Wutti versuchen zwei Lokalmatad­ore, in Wien das EM-Limit für Berlin zu laufen.

Und trotzdem, Kritik und Unverständ­nis laufen dann doch immer einher. Konrad prangert un-

lockt am Sonntag über 40.000 auf die Straßen. Aus Logistikgr­ünden finden der Kinderlauf (Ringstraße, 17.30 Uhr) oder die Zehn-km-Staatsmeis­terschaft (Hauptallee) bereits am Samstag statt.

des Marathons startet am Sonntag um 8.50 Uhr auf der Wagramer Straße, der Rest des Feldes um neun Uhr.

womöglich der Kenianer Dennis Kimetto, wird gegen 11.05 Uhr im Ziel vor dem Burgtheate­r erwartet. verhohlen an, dass er sich „mehr Engagement von der Stadtpolit­ik“wünsche. Ihm fehle das klare Bekenntnis zu diesem Lauf, der am Sonntag über 40.000 Menschen auf die Straßen führe. „29.000 davon sind Wiener“, fügt Konrad hinzu. „Welches Ereignis hier weckt noch so viele Emotionen? Das Derby?“

Die Stadtpolit­ik rund um den künftigen Bürgermeis­ter, Michael Ludwig, sei gefragt. Es gehe natürlich, aber nicht nur um Geld. 40.000 Euro habe Wien Tourismus bereitgest­ellt. Immerhin, aber Werbewert, Wertschöpf­ung, Nächtigung­szahlen, Image – Konrad war in seinem Element und hätte sich bei der Aufzählung dieser Eckpfeiler beinahe selbst überholt. Alles sei „gewaltig“, man verbinde Moderne und Historie. „Dieser Marathon ist etwas Besonderes, quer durch die ganze Stadt stehen Zuschauer. Die TV-Bilder sind grandios.“Wien bewege sich – und bleibe doch wieder viel zu oft starr stehen.

Sein Ansuchen, die Strecke zu revolution­ieren und durch die Kärntner Straße zu legen, wurde unlängst von der Rathaus-Bürokratie endgültig abgelehnt. Konrad nahm es gelassen, selbst Harry Houdini gelang nicht jeder Entfesslun­gstrick. Zumindest habe er es versucht, und wer den Tiroler kennt, weiß, dass er irgendwann wieder mit seiner Idee bei den Beamten vorstellig werden wird.

1984 nahmen 794 Starter den ersten Wien-Marathon unter die Beine, 1988 übernahm Konrad ein „lieblos betreutes Rennen“, und in der Gegenwart erlebt Wien das Massenphän­omen mit einer Menschensc­hlange am Start. Dass jedes Rennen von namhaften Stars lebt, ist klar – vor allem aber die Zeit ist die wahre Visitenkar­te jedes 42,195-km-Events.

2018 soll Kimetto für den Streckenre­kord sorgen, „zumindest hat er mir das versproche­n“, beteuert Konrad. Vom Weltrekord würden bloß Illusionis­ten träumen, denn würde er es können, liefe ihn der Kenianer eher dort, wo das meiste Preisgeld warte. In Berlin oder Dubai, Wien könnte das nie bezahlen.

Wie viel ihm der Streckenre­kord wert wäre, verschwieg Konrad getrost. Dass der Kenianer in den vergangene­n Saisonen oft verletzt war, sogar wichtige Rennen abbrechen musste, ist kein Ge- heimnis. Auch läuft die Gefahr mit, dass er am Sonntag weder ins Ziel kommt noch die seit 2014 bestehende Bestzeit des Äthiopiers Getu Feleke (2:05:41) knacken kann. Nur Konrad wollte sich diesen Negativpro­gnosen nicht anschließe­n. Kimetto, 34, wolle doch über Wien zurück auf die große Bühne des Laufsports. Ohne Topzeit bliebe ihm diese Tür jedoch versperrt. Er werde also sicher kein „inszeniert­es Rennen“absolviere­n, keinen laschen Halbmarath­on laufen, sondern auf der klassische­n Distanz alles geben. Und damit hinterlass­e der VCM „einmal mehr seine Spuren“, sagt Konrad. Bis zum nächsten Jahr.

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