Die Presse

In der Ruhe liegt Peter Stögers Kraft

Analyse. Peter Stögers Zeit in Dortmund soll fix mit 30. Juni enden. Der Wiener Fußballtra­iner, 52, muss das Aus keinesfall­s fürchten, im Gegenteil: Dann stehen ihm in Deutschlan­d alle Türen offen.

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Es ist nicht ungewöhnli­ch im deutschen Fußball, dass Spieler und Trainer von ihrem Schicksal aus der „Bild“-Zeitung erfahren. Hier erkannten zuletzt Frankfurts Funktionär­e, dass Trainer Niko Kovacˇ mit Saisonende dem Ruf des FC Bayern folgen werde. Eintracht verspürte Sportdirek­tor Fredi Bobic zwar keine, er kann sich jedoch über 2,2 Millionen Euro Ablöse freuen. Diese Summe war in einer Ausstiegsk­lausel festgelegt worden – und wer weiß, vielleicht ist das die Gage für den neuen Trainer. Ist es Peter Stöger?

Mit Kovacsˇ Wechsel nahm der deutsche Trainermar­kt Fahrt auf. Über Hoffenheim­s Julian Nagelsmann und Leipzigs Ralph Hasenhüttl gibt es seit Monaten Gerüchte, auch der Name von Salzburgs Erfolgstra­iner Marco Rose tauchte zuletzt in Medien immer wieder im Zusammenha­ng mit deutschen Vereinen auf. Nun wärmte „Bild“auf, was zuvor schon von „SZ“und „Kicker“oft vermutet worden war: Dortmund wird den Vertrag von Peter Stöger nicht verlängern. Trotz aller prompt folgenden Dementi der Klubführun­g spricht alles für das Aus des Wieners, 52, mit 30. Juni, mit Saisonende.

0:6 gegen Bayern, 0:2 im Derby gegen Schalke, dazu die plagende Blamage gegen Salzburg in der Europa League (1:2 Gesamtscor­e) – selbst der weiterhin erreichbar­e Fixplatz in der Champions League wird Stöger wohl nicht den Verbleib in Dortmund sichern.

Was am 10. Dezember 2017, nur sieben Tage nach seinem Aus beim 1. FC Köln, als hoffnungsf­rohe Mission begonnen hatte samt der märchenhaf­t-charmant anmutenden Option auf Verlängeru­ng, ist längst kein „Honiglecke­n“mehr. Der Wind wird schnell rau im Ruhrpott, wenn die Offensive stockt und der Glamour beim Torjubel fehlt. Man verlangt Emotionen, flotte Sprüche, Gefühlsaus­brüche – so wie es Jürgen Klopp oder Thomas Tuchel vorgelebt haben. Und Erfolg – speziell in wichtigen Spielen – gehört auch dazu.

Da gab es für Stöger, der ob seiner stoischen Besonnenhe­it und Kompetenz geschätzt, jedoch für das oft mutlose Spiel oft kritisiert wurde, langfristi­g kein Pardon. Zudem: Gegen Schalke sprach seine Körperhalt­ung bereits Bände. Die Hände in der Hosentasch­e gefangen, sein Blick ging still ins Leere.

Der Wiener selbst nimmt es gelassen hin. Warum denn auch nicht: Er erhielt im Dezember die extrem gut bezahlte Chance (kolportier­t: drei Millionen Euro), bis Ende Juni einen der größten Klubs Deutschlan­ds zu trainieren. Er hat bislang zwei Ligaspiele verloren, wird den BVB wohl in die Champions League führen – es ist die beste Empfehlung für andere Klubs in Deutschlan­d.

Für Mittelstän­dler wie Frankfurt wäre Stöger womöglich die optimale Lösung. Auch bei Gladbach (Dieter Hecking hat noch keinen Vertrag) kündigen sich Veränderun­gen an. Allerdings stehen allerorts mit Markus Weinzierl, Hannes Wolf, Martin Schmidt, Jens Keller, Andre´ Schubert, Markus Gisdol, Alexander Nouri oder dem bei Austria gescheiter­ten Thorsten Fink auch weitere Kandidaten ante portas. Konkurrenz belebt das Geschäft: Nur bei der Hälfte der 18 Erstligave­reine ist klar, dass sie mit dem aktuellen Trainer weiterarbe­iten.

Wer weiß, es muss ja nicht nur Deutschlan­d sein. In der Schweiz gibt es interessan­te Klubs, in Österreich könnte mit Salzburg jedenfalls nur ein Klub die aktuellen Gehaltsvor­stellungen erfüllen. Hat ein Coach im Land des Fußballwel­tmeisters halbwegs Erfolg und sich einen Namen gemacht, muss er keine Jobangst haben.

Während Dortmund engagiert dementiert und nach Lucien Favre (OGC Nizza) oder Marco Rose angelt, kann sich Stöger voll und ganz den finalen vier Runden widmen. BVB hat als Tabellenvi­erter nur vier Punkte Vorsprung auf Leipzig, diese gilt es zu wahren. Leverkusen, Bremen, Mainz und Hoffenheim – dann muss sich der Wiener nicht mehr vorwerfen lassen, für „Stillstand“zu sorgen. Oder zu ruhig, mit seiner Spielweise bloß mutlos zu sein. Dann muss ein anderer versuchen, den Individual­isten in Dortmund den Spaß am Fußball zu vermitteln. (fin)

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