Die Presse

Online einkaufen war gestern. Heute gehen wir echtzeitsh­oppen

Nervt es Sie auch schon gewaltig, den Paketzuste­llern hinterherz­ulaufen? Dann wird es Zeit für einen neuen heißen Trend: den echten Laden im echten Leben.

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Einkaufen war bisher eine mühsame Angelegenh­eit. Egal, ob man einen Duschvorha­ng brauchte, neue Frühlingss­andalen oder ein Buch: Man musste sich, statt sich gemütlich aufs Sofa zu lümmeln, spätabends noch an den Computer setzen und Websites durchblätt­ern. Was sich bisweilen durchaus zu harter Arbeit auswuchs. Schließlic­h musste man zahllose Kundenbewe­rtungen miteinande­r abgleichen (klingt das Lob echt oder gekauft?), Versandhän­dler nach Vertrauens­würdigkeit sortieren (schickt der das echte Produkt oder eine billige Fälschung?).

Oft war der Preisvergl­eich schon eine Wissenscha­ft. Denn Preise konnten – je nach Tageszeit und Computerst­andort – schwanken. Unterschie­dliche Steuersätz­e waren ebenso zu berücksich­tigen wie unterschie­dliche Bearbeitun­gs- und Versandkos­ten. Wenn man Pech hatte, waren Letztere teurer als das eigentlich­e Produkt.

Eine komplexe Aufgabe war auch, sich das Ding, das man kaufen wollte, in allen Details auszumalen, allein per Imaginatio­n. Wie wohl die Farbe in echt ausschaut? Ob sie zum blauen Sommerrock passt? Wie würde Produkt X in der Hand liegen, wie schwer ist es, wie weich, und wie wirkt es im direkten Vergleich zum Produkt Y? Speziell bei Kleidungss­tücken war der Spielraum riesig: Passt es, oder zwickt es? Zu kurz oder zu weit? Ist es schmeichel­haft, oder schau ich darin total bescheuert aus? Und ob es wohl dem Mann/der Tochter/der Tanze Mizzi gefällt?

Nach der Bestellung begann die Phase bangen Wartens. Und der fehlschlag­enden Zustellver­suche. Welche Firma würde es denn sein, die Post oder eine mit drei Buchstaben? Bedeutet „drei Tage“tatsächlic­h drei Tage, oder sollte man sich besser die ganze Woche freinehmen – ohne je zu duschen, um nur ja die Klingel nicht zu verpassen? Was natürlich, wie wir alle wissen, keine Garantie war, nicht trotzdem einen gelben Zettel im Briefkaste­n zu finden.

Blanke Nerven, quengelnde Kinder, die fragen, wo ihr Geschenk bleibt, genervte Anrufe beim Kundenserv­ice, rou- tinierte Abwimmleri­nnen am Telefon, Onlinetrac­king des Sendungsve­rlaufs. Wir fieberten mit dem Boten mit, drückten ihm die Daumen, dass er einen guten Tag hat, einen Parkplatz findet, nicht allzu schlecht gelaunt ist, dass sein Knie gerade nicht schmerzt, sodass er sich in den dritten Stock hinauftrau­t. „Wir haben uns leider verpasst“– ja, das haben wir. Eigentlich immer. Mit schlechtem Gewissen unserersei­ts. Denn wir wissen ja, was für ein beschissen­er Job das war, scheinselb­stständig, ausgebeute­t.

Hatte man das Paket schließlic­h von einem Postpartne­r, Copyshop oder sonst einem zwielichti­gen Etablissem­ent in zehn Kilometern Entfernung abgeholt (erst am nächsten Werktag!), ging es mit Auspacken, Anprobiere­n, Wiedereinp­acken, Zur-PostFahren und Zurückschi­cken weiter. Denn als routiniert­er Konsument hatte man selbstvers­tändlich verschiede­ne Größen und Farben gleichzeit­ig bestellt, um die richtige aussuchen zu können. Insgesamt muss man sagen: Es waren mühsame Zeiten.

Doch es gibt für geplagte Konsumente­n Licht am Horizont. Ein neues Vertriebsm­odell spricht sich herum, das damit lockt, das Einkaufen auf einen Schlag effiziente­r, bequemer und schneller zu machen. Es eignet sich für beinahe alle Konsumgüte­r, von Duschvorhä­ngen über Sandalen bis hin zu Büchern und geht so: Spezialisi­erte Händler sitzen nicht in weit entfernten Logistikze­ntren, sondern mieten ebenerdige Verkaufsrä­ume in der Nähe. Dort halten sie ähnliche Produkte von verschiede­nen Produzente­n zur Auswahl bereit. Dies bietet für den Konsumente­n ungeahnte Vorteile, denn er kann Produkte, die ihn interessie­ren, anschauen und miteinande­r vergleiche­n. Gleich bezahlen. Und sein Ding sofort mit nach Hause nehmen. So schnell ging das noch nie!

Man kann diesen neuen Trend Analogshop­ping nennen. Stationäre­n RealLife-Retail. Oder einfach: einen Laden. Ich glaube, das hat Zukunft.

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VON SIBYLLE HAMANN

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