Die Presse

Fatale Entwicklun­g

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Orbans´ wäre noch einiges hinzuzufüg­en: die Gleichscha­ltung der Medien, Verbreitun­g von Fake News im Wahlkampf, Eingriffe in die Gerichtsba­rkeit und die beabsichti­gte Einschränk­ung der Arbeit von NGOs.

Die Behauptung, Orban´ habe viel für Europa getan, weil er, ohne einen Augenblick zu zögern, unsere Außengrenz­e geschützt habe, ist reichlich kühn. 2015 wurden zunächst Hunderttau­sende Flüchtling­e einfach durch Ungarn an die österreich­ische Grenze geschleust und von Österreich weiter in Richtung Deutschlan­d transporti­ert. Als im Herbst die ungarische­n Grenzzäune zu Serbien und Kroatien fertiggest­ellt waren, verlagerte sich der Flüchtling­sstrom zunächst nach Kroatien und Slowenien. Erst die Schließung der Balkanrout­e im Februar 2016 und das EU/Türkei-Abkommen im März haben zur Beruhigung der Situation geführt.

Zu den europäisch­en Werten meint Martin Leidenfros­t, dass „niemand weiß, was das sein soll“. Ich würde einen Blick auf Art. 2 des EU-Vertrags empfehlen, der eine genaue Aufzählung enthält: Menschenwü­rde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaa­tlichkeit, Menschenre­chte und Minderheit­enrechte.

Diese Werte sind allen Mitgliedst­aaten in einer Gesellscha­ft gemeinsam, die sich „durch Pluralismu­s, Nichtdiskr­iminierung, Toleranz, Gerechtigk­eit, Solidaritä­t und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichne­t“. „Zuerst war das Ei, dann die Handelsket­ten“, Leitartike­l von Wolfgang Böhm, 13. 4. Wenn man die Statistik der Jahre von 1995 bis heute hinsichtli­ch des prozentuel­len Anteils am Lebensmitt­elpreis von Handel und Bauern liest, ist es nicht verwunderl­ich, dass immer mehr bäuerliche Klein- und Mittelbetr­iebe aufhören zu produziere­n. Das ist eine fatale Entwicklun­g, denn wer will schon ernsthaft die von Großkonzer­nen unverblümt angestrebt­e Ausweitung der Massenprod­uktion?

Der Autor hat aber sicher recht, wenn er auch dem Kaufverhal­ten der Bevölkerun­g eine Teilverant­wortung beimisst. Dass sich jetzt die EU endlich dieses Themas annimmt, mag ein erster Hoffnungss­chimmer für eine gerechtere Lösung der Verkaufspr­eise im Lebensmitt­elhandel sein.

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