Die offenen Fragen des Korea-Dialoges
Analyse. Der designierte US-Außenminister Mike Pompeo reiste in einer Geheimmission nach Pjöngjang, um das Treffen zwischen Diktator Kim Jong-un und US-Präsident Donald Trump vorzubereiten: Fünf Fragen zum „größten diplomatischen Hasardspiel des 21. Jahrhunderts“.
Der Friedensdialog mit dem isolierten Nuklearregime Nordkorea nimmt konkretere Konturen an: Am Dienstag wurde publik, dass der designierte USAußenminister und Noch-CIA-Chef Mike Pompeo mit Nordkoreas Diktator Kim Jongun in Pjöngjang zusammengekommen ist. Es war das hochrangigste Treffen zwischen einem Vertreter der nordkoreanischen und der US-Regierung seit dem Jahr 2000, als die damalige US-Außenministerin Madeleine Albright Nordkoreas Diktator Kim Jong-il in Pjöngjang besuchte.
Das Gespräch zwischen Kim und Pompeo sei sehr „reibungslos“verlaufen, schrieb Donald Trump gestern auf „Twitter“. Der USPräsident selbst will bald Diktator Kim treffen, um über nukleare Abrüstung zu reden. Noch nie zuvor hat ein US-Präsident einen Staatschef aus dem streng-kommunistischen Nordkorea getroffen, der mit Atom- und Raketentests die internationale Gemeinschaft brüskiert. Trump, der Nordkorea in den vergangenen Jahren wiederholt mit militärischen Angriffen gedroht hatte, ist optimistisch. „Ich glaube wirklich, dass es viel guten Willen gibt.“Allerdings warnte er auch: „Es ist aber auch möglich, dass die Dinge nicht so gut ausgehen werden.“
1 Worum ging es beim Treffen zwischen Mike Pompeo und Kim Jong-un in Pjöngjang?
Über den Inhalt des Treffens ist ebenso wenig bekannt wie über den Zeitpunkt – USMedien schreiben, Pompeo und Trump hätten sich am Ostersonntag getroffen, Trump hingegen spricht von vergangener Woche. Beim Meeting wurde vermutlich der KimTrump-Gipfel vorbereitet, der Ende Mai oder Anfang Juni stattfinden soll. Pompeos Reise nach Pjöngjang hatte eine große symbolische Bedeutung: Die USA und Nordkorea reden jetzt offiziell wieder miteinander. Zwischen den beiden Staaten herrschte nahezu ein Jahrzehnt lang diplomatische Eiszeit, offiziell hatten die Erzfeinde keinen Kontakt, Gespräche mit dem Kim-Regime galten als diplomatisches Tabu.
Optimisten vergleichen Pompeos Geheimmission mit dem Besuch des damaligen US-Sicherheitsbeauftragten Henry Kissinger in Peking im Jahr 1971: Diese Reise bereitete den Besuch von Präsident Richard Nixon ins kommunistische China 1972 vor, der zur defacto-Anerkennung der Volksrepublik durch die USA und zur Öffnung Chinas führte.
2 Wo könnten sich Donald Trump und Kim Jong-un treffen?
Der Ort des Gipfels ist offenbar noch nicht vereinbart worden – und falls schon, wird er geheim gehalten. Die USA selbst sprechen von fünf möglichen Optionen. In Medien wurde zuletzt über den symbolisch bedeutenden koreanischen Grenzort Panmunjom oder Peking spekuliert. Erwähnt wurden zudem die „neutralen“europäischen Städte Genf und Stockholm. Insider weisen jedoch darauf hin, dass Kim Jong-uns veraltetes Flugzeug aus Sowjetzeiten technisch nicht für einen Langstreckenflug gerüstet ist. So wurden als mögliche Treffpunkte auch ein Schiff im Ozean genannt – und die mongolische Hauptstadt Ulan Bator: Die Mongolei hat gute Beziehungen sowohl zu Nordkorea als auch zum Westen. Das Land war immer wieder Ort für Nordkorea-Geheimgespräche.
3 Was fordern die USA und was verlangt Nordkorea dafür?
Die USA pochen auf eine „Denuklearisierung“Nordkoreas, nach Trumps Angaben ist Pjöngjang dazu bereit. Allerdings hat Kim Jong-un in den vergangenen Jahren das Nuklearprogramm massiv ausgebaut und mit Nuklear- und Raketentests die internationale Gemeinschaft regelmäßig brüskiert. Das Atomprogramm ist also politisch überlebenswichtig – nicht nur als bedrohliche „Lebensversicherung“, sondern auch als Trumpf in Verhandlungen. Nordkorea wird einen hohen Preis verlangen: Für Zugeständnisse erwartet Pjöngjang, dem internationale Sanktionen stark zugesetzt haben, wohl finanzielle Hilfen und Lockerungen des Embargos vor allem im Energiebereich.
Zudem verlangt Nordkoreas Diktator „Sicherheitsgarantien“für das eigene Regime. Offenbar wird in Seoul und Washington derzeit über den Teilabzug der etwa 30.000 in Südkorea stationierten US-Soldaten diskutiert – erste Militärangehörige könnten sich Gerüchten zufolge aus der demilitarisierten Zone (DMZ) an der innerkoreanischen Grenze zurückziehen.
4 Was sind die nächsten Schritte im Friedensdialog?
Am 27. April wird Südkoreas Präsident Moon Jae-in, der eigentliche Architekt dieses diplomatischen Korea-Frühlings, Nordkoreas Diktator Kim Jong-un im Grenzort Panmunjom treffen. Beim historischen Gipfel könnten neben abstrakten Zusagen zur „Denuklearisierung“bedeutende vertrauensbildenden Maßnahmen beschlossen werden: Laut Medien wollen die verfeindeten Staaten über einen permanenten Friedensvertrag verhandeln, der das Waffenstillstandsabkommen von 1953 ersetzen würde. Seit dem KoreaKrieg befinden sich die beiden Länder de facto noch im Kriegszustand. Ein solcher Friedensvertrag wurde 2007 bereits von Präsident Roh Moo-hyun und Diktator Kim Jong-il vereinbart, aber nie umgesetzt.
Beim ersten Treffen zwischen koranischen Staatschefs seit mehr als zehn Jahren soll auch der US-Nordkorea-Gipfel vorbereitet werden.
5 Wie groß sind die Chancen auf Erfolg – also auf ein atomwaffenfreies Nordkorea und Frieden?
Ein Beobachter hat diesen Nordkorea-Dialog als das „größte diplomatische Hasardspiel des 21. Jahrhunderts“bezeichnet. Die Risiken sind enorm: Washington und Seoul ist bewusst, wie gering die Chancen sind, dass Pjöngjang sein Atomprogramm wirklich aufgeben wird. Keiner weiß zudem, wie viele Atombomben Kim wirklich besitzt. Erfahrene Diplomaten erinnern sich noch gut an die internationalen Atom-Verhandlungen mit Kim Jong-uns Vater, Kim Jong-il: Der Diktator hatte jahrelang geblufft und Nordkoreas Atomprogramm insgeheim weiterentwickelt. Viele trauen auch Kim Jong-un nicht: „Er wird höchstens etwas Gras abschneiden, aber er wird nie die Wurzeln entfernen“, sagt Yang Xiyu, ein chinesischer Nordkorea-Experte, der „New York Times.“
Offen ist auch die Frage, wie man Kim entgegenkommen soll. Er braucht jetzt vor allem Öl, doch das verbieten UN–Sanktionen. Größtes Fragezeichen ist aber: Wie werden sich der unberechenbare Trump und der uneinschätzbare Kim verstehen? Was wird beim Treffen passieren?
Für Seoul lohnt sich das Risiko: Man stehe erst am Anfang, heißt es aus Diplomatenkreisen. Es sei jetzt wichtig, Vertrauen aufzubauen, das Gespräch wieder aufzunehmen, Zeit zu gewinnen. Und um Nordkoreas Diktator kennen- und einschätzen zu lernen.