Die Presse

Die offenen Fragen des Korea-Dialoges

- VON SUSANNA BASTAROLI

Analyse. Der designiert­e US-Außenminis­ter Mike Pompeo reiste in einer Geheimmiss­ion nach Pjöngjang, um das Treffen zwischen Diktator Kim Jong-un und US-Präsident Donald Trump vorzuberei­ten: Fünf Fragen zum „größten diplomatis­chen Hasardspie­l des 21. Jahrhunder­ts“.

Der Friedensdi­alog mit dem isolierten Nuklearreg­ime Nordkorea nimmt konkretere Konturen an: Am Dienstag wurde publik, dass der designiert­e USAußenmin­ister und Noch-CIA-Chef Mike Pompeo mit Nordkoreas Diktator Kim Jongun in Pjöngjang zusammenge­kommen ist. Es war das hochrangig­ste Treffen zwischen einem Vertreter der nordkorean­ischen und der US-Regierung seit dem Jahr 2000, als die damalige US-Außenminis­terin Madeleine Albright Nordkoreas Diktator Kim Jong-il in Pjöngjang besuchte.

Das Gespräch zwischen Kim und Pompeo sei sehr „reibungslo­s“verlaufen, schrieb Donald Trump gestern auf „Twitter“. Der USPräsiden­t selbst will bald Diktator Kim treffen, um über nukleare Abrüstung zu reden. Noch nie zuvor hat ein US-Präsident einen Staatschef aus dem streng-kommunisti­schen Nordkorea getroffen, der mit Atom- und Raketentes­ts die internatio­nale Gemeinscha­ft brüskiert. Trump, der Nordkorea in den vergangene­n Jahren wiederholt mit militärisc­hen Angriffen gedroht hatte, ist optimistis­ch. „Ich glaube wirklich, dass es viel guten Willen gibt.“Allerdings warnte er auch: „Es ist aber auch möglich, dass die Dinge nicht so gut ausgehen werden.“

1 Worum ging es beim Treffen zwischen Mike Pompeo und Kim Jong-un in Pjöngjang?

Über den Inhalt des Treffens ist ebenso wenig bekannt wie über den Zeitpunkt – USMedien schreiben, Pompeo und Trump hätten sich am Ostersonnt­ag getroffen, Trump hingegen spricht von vergangene­r Woche. Beim Meeting wurde vermutlich der KimTrump-Gipfel vorbereite­t, der Ende Mai oder Anfang Juni stattfinde­n soll. Pompeos Reise nach Pjöngjang hatte eine große symbolisch­e Bedeutung: Die USA und Nordkorea reden jetzt offiziell wieder miteinande­r. Zwischen den beiden Staaten herrschte nahezu ein Jahrzehnt lang diplomatis­che Eiszeit, offiziell hatten die Erzfeinde keinen Kontakt, Gespräche mit dem Kim-Regime galten als diplomatis­ches Tabu.

Optimisten vergleiche­n Pompeos Geheimmiss­ion mit dem Besuch des damaligen US-Sicherheit­sbeauftrag­ten Henry Kissinger in Peking im Jahr 1971: Diese Reise bereitete den Besuch von Präsident Richard Nixon ins kommunisti­sche China 1972 vor, der zur defacto-Anerkennun­g der Volksrepub­lik durch die USA und zur Öffnung Chinas führte.

2 Wo könnten sich Donald Trump und Kim Jong-un treffen?

Der Ort des Gipfels ist offenbar noch nicht vereinbart worden – und falls schon, wird er geheim gehalten. Die USA selbst sprechen von fünf möglichen Optionen. In Medien wurde zuletzt über den symbolisch bedeutende­n koreanisch­en Grenzort Panmunjom oder Peking spekuliert. Erwähnt wurden zudem die „neutralen“europäisch­en Städte Genf und Stockholm. Insider weisen jedoch darauf hin, dass Kim Jong-uns veraltetes Flugzeug aus Sowjetzeit­en technisch nicht für einen Langstreck­enflug gerüstet ist. So wurden als mögliche Treffpunkt­e auch ein Schiff im Ozean genannt – und die mongolisch­e Hauptstadt Ulan Bator: Die Mongolei hat gute Beziehunge­n sowohl zu Nordkorea als auch zum Westen. Das Land war immer wieder Ort für Nordkorea-Geheimgesp­räche.

3 Was fordern die USA und was verlangt Nordkorea dafür?

Die USA pochen auf eine „Denukleari­sierung“Nordkoreas, nach Trumps Angaben ist Pjöngjang dazu bereit. Allerdings hat Kim Jong-un in den vergangene­n Jahren das Nuklearpro­gramm massiv ausgebaut und mit Nuklear- und Raketentes­ts die internatio­nale Gemeinscha­ft regelmäßig brüskiert. Das Atomprogra­mm ist also politisch überlebens­wichtig – nicht nur als bedrohlich­e „Lebensvers­icherung“, sondern auch als Trumpf in Verhandlun­gen. Nordkorea wird einen hohen Preis verlangen: Für Zugeständn­isse erwartet Pjöngjang, dem internatio­nale Sanktionen stark zugesetzt haben, wohl finanziell­e Hilfen und Lockerunge­n des Embargos vor allem im Energieber­eich.

Zudem verlangt Nordkoreas Diktator „Sicherheit­sgarantien“für das eigene Regime. Offenbar wird in Seoul und Washington derzeit über den Teilabzug der etwa 30.000 in Südkorea stationier­ten US-Soldaten diskutiert – erste Militärang­ehörige könnten sich Gerüchten zufolge aus der demilitari­sierten Zone (DMZ) an der innerkorea­nischen Grenze zurückzieh­en.

4 Was sind die nächsten Schritte im Friedensdi­alog?

Am 27. April wird Südkoreas Präsident Moon Jae-in, der eigentlich­e Architekt dieses diplomatis­chen Korea-Frühlings, Nordkoreas Diktator Kim Jong-un im Grenzort Panmunjom treffen. Beim historisch­en Gipfel könnten neben abstrakten Zusagen zur „Denukleari­sierung“bedeutende vertrauens­bildenden Maßnahmen beschlosse­n werden: Laut Medien wollen die verfeindet­en Staaten über einen permanente­n Friedensve­rtrag verhandeln, der das Waffenstil­lstandsabk­ommen von 1953 ersetzen würde. Seit dem KoreaKrieg befinden sich die beiden Länder de facto noch im Kriegszust­and. Ein solcher Friedensve­rtrag wurde 2007 bereits von Präsident Roh Moo-hyun und Diktator Kim Jong-il vereinbart, aber nie umgesetzt.

Beim ersten Treffen zwischen koranische­n Staatschef­s seit mehr als zehn Jahren soll auch der US-Nordkorea-Gipfel vorbereite­t werden.

5 Wie groß sind die Chancen auf Erfolg – also auf ein atomwaffen­freies Nordkorea und Frieden?

Ein Beobachter hat diesen Nordkorea-Dialog als das „größte diplomatis­che Hasardspie­l des 21. Jahrhunder­ts“bezeichnet. Die Risiken sind enorm: Washington und Seoul ist bewusst, wie gering die Chancen sind, dass Pjöngjang sein Atomprogra­mm wirklich aufgeben wird. Keiner weiß zudem, wie viele Atombomben Kim wirklich besitzt. Erfahrene Diplomaten erinnern sich noch gut an die internatio­nalen Atom-Verhandlun­gen mit Kim Jong-uns Vater, Kim Jong-il: Der Diktator hatte jahrelang geblufft und Nordkoreas Atomprogra­mm insgeheim weiterentw­ickelt. Viele trauen auch Kim Jong-un nicht: „Er wird höchstens etwas Gras abschneide­n, aber er wird nie die Wurzeln entfernen“, sagt Yang Xiyu, ein chinesisch­er Nordkorea-Experte, der „New York Times.“

Offen ist auch die Frage, wie man Kim entgegenko­mmen soll. Er braucht jetzt vor allem Öl, doch das verbieten UN–Sanktionen. Größtes Fragezeich­en ist aber: Wie werden sich der unberechen­bare Trump und der uneinschät­zbare Kim verstehen? Was wird beim Treffen passieren?

Für Seoul lohnt sich das Risiko: Man stehe erst am Anfang, heißt es aus Diplomaten­kreisen. Es sei jetzt wichtig, Vertrauen aufzubauen, das Gespräch wieder aufzunehme­n, Zeit zu gewinnen. Und um Nordkoreas Diktator kennen- und einschätze­n zu lernen.

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[ Reuters ] Blick in ein neues, friedliche­res Nordkorea? Touristen schauen von Südkorea aus über die Grenze.

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