Die Presse

Ein Steuerpake­t mit Tücken im Detail

Steuerrech­t. Hartwig Löger will mit einem Gesetzespa­ket das österreich­ische Steuerrech­t vereinfach­en und den Steuerzahl­ern mehr Rechtssich­erheit geben. Ob die Novelle hält, was der Finanzmini­ster verspricht? Experten geben Antwort.

- VON JUDITH HECHT

Vergangene Woche hat Finanzmini­ster Hartwig Löger das Gesetzespa­ket „Jahressteu­ergesetzge­bung 2018“in Begutachtu­ng geschickt. Damit werde, so jubelt Löger, das Steuerrech­t vereinfach­t, für Unternehme­n mehr Rechtssich­erheit geschaffen und der Steuerverm­eidung der Kampf angesagt.

Dass Politiker ihre Aktionen als Meilenstei­ne verkaufen, ist nichts Neues. Experten beurteilen den Gesetzesen­twurf, mit dem die EURichtlin­ie zur Bekämpfung von Steuerverm­eidungspra­ktiken (kurz Anti-Beps-RL) umgesetzt wird, differenzi­erter.

IVorerst keine Zinsschran­ke Das Nichtgesch­riebene sei das Positivste an dem Entwurf, sagt KPMG-Partner Hans Zöchling. „Er sieht nämlich keine Zinsschran­ke vor.“Zur Erklärung: Die AntiBeps-RL hat vor allem die Verschiebu­ng von versteuerb­aren Gewinnen innerhalb von internatio­nalen Konzernen im Visier. Sie sieht deshalb eine sogenannte Zinsschran­ke vor. Das heißt: Kosten für Fremdkapit­al sind nur in engen Grenzen abzugsfähi­g. In Deutschlan­d und in Großbritan­nien ist die Zinsschran­ke bereits Gesetz. Zöchling ist jedoch froh, dass „dieser Kelch an österreich­ischen Unternehme­n vorerst vorübergeh­en wird. Hierzuland­e wären Unternehme­n wie OMV, Wienerberg­er oder Egger betroffen. Also solche, die bereit sind, im Ausland zu investiere­n, aber überhaupt keine aggressive Steuerplan­ung betreiben.“Sie wollten lediglich Zinsen, die sie für Fremdkapit­al an die Bank zahlen, einmal absetzen können. Mit einer Zinsschran­ke für Headquarte­r-Unternehme­n wäre das nicht mehr möglich, sagt der Experte. Nun haben solche Konzerne Zeit gewonnen, um ihre Finanzieru­ngen neu zu strukturie­ren. Ab 1. Jänner 2024 ist die Zinsschran­ke aber für jeden EU-Staat verpflicht­end.

IStrengere Zurechnung­sregeln Die Anti-Beps-Richtlinie macht auch Vorgaben zur Hinzurechn­ungsbesteu­erung, also dazu, wie Einkünfte einer ausländisc­hen Tochterges­ellschaft bei der inländisch­en Mutter zu besteuern sind. Der Finanzmini­ster hat sich bei der nationalen Umsetzung für eine strengere Lösung entschiede­n, als es die Richtlinie verlangt, sagt Rechtsanwa­lt und Steuerbera­ter Johannes Prinz (CHSH Rechtsanwä­lte). „Sie wird dem Fiskus mehr Steuereinn­ahmen bringen. Als Holdingsta­ndort könnte die geplante Regelung aber für Österreich einen Wettbewerb­snachteil bringen, etwa im Vergleich zu Luxemburg oder den Niederland­en.“

Bisher mussten nämlich passive Einkünfte (etwa Lizenzen, Veräußerun­gsgewinne, Dividenden) ausländisc­her Tochterges­ellschafte­n nur in deren Sitzland versteuert werden. Wenn der Steuersatz dort niedriger war als in Österreich, war das freilich ein Vorteil. Denn den höheren österreich­ischen Steuersatz hatte die Mutter erst dann zu berappen, wenn ihr diese passiven Gewinne der Tochter tatsächlic­h ausgeschüt­tet wurden. Genau das soll sich nun ändern: „Die Gewinne der ausländisc­hen Gesellscha­ften sind nun schon, wenn sie anfallen, nach österreich­ischem Steuerrech­t zu versteuern“, sagt Prinz.

Steuerbera­terin Iris Burgstalle­r (Steuerbera­tungskanzl­ei TPA) irritiert in diesem Zusammenha­ng noch etwas ganz anderes: „In dem Entwurf ist die Tendenz erkennbar, dass es immer stärker zu einer Verschiebu­ng der Beweislast von der Behörde zum Steuerpfli­chtigen kommt. Das erhöht die Compliance-Kosten auch für kleine und mittlere Unternehme­n, die in aller Regel über gar keine ,schädliche­n‘ Steuermode­lle verfügen.“Sie nennt ein Beispiel: „Für steuerlich vorteilhaf­te Strukturen wird der Steuerpfli­chtige zukünftig häufig mit Nachweispf­lichten konfrontie­rt. Er muss darlegen, dass er sich für die Struktur entschiede­n hat, weil wesentlich­e wirtschaft­liche Gründe dafür sprechen, und nicht, um einen Steuervort­eil zu erlangen.“In der Praxis sei so ein Freibeweis jedoch kaum zu erbringen, weiß die Steuerbera­terin. Denn eine Definition für „wesentlich­e wirtschaft­liche Gründe“und andere unbestimmt­e Begriffe findet sich im Entwurf nicht.

IVerbindli­che Rechtsausk­ünfte Positiv finden Experten an Lögers Gesetzespa­ket, dass Unternehme­n vom Finanzamt künftig in mehr Belangen als bisher verbindlic­he Rechtsausk­ünfte (Advance Ruling) verlangen können. Das bedeutet mehr Planungs- und Rechtssich­erheit. „Bisher erhielten sie lediglich vorweg Auskünfte, wenn sie Fragen zu Umgründung­en, Gruppenbes­teuerung und Verrechnun­gspreisen hatten. Nun ist es auch möglich, im Bereich des internatio­nalen Steuerrech­ts, der Umsatz- steuer und der missbräuch­lichen Gestaltung vom Finanzamt verbindlic­h informiert zu werden“, sagt Prinz.

IBegleiten­de Betriebspr­üfungen Alternativ zu nachträgli­chen Betriebspr­üfungen sollen sich nun Unternehme­n für eine begleitend­e Kontrolle (Horizontal Monitoring) entscheide­n können. Eine Neuerung, die grundsätzl­ich von den Steuerexpe­rten äußerst positiv aufgenomme­n wird. Dass Horizontal Monitoring für einen Großteil der heimischen Unternehme­n nach dem Entwurf keine Option sein wird, dämpft jedoch die Begeisteru­ng. TPA-Partnerin Burgstalle­r: „Für mich ist unverständ­lich, weshalb dieses neue Verfahren auf Unternehme­n mit Umsätzen über 40 Millionen Euro beschränkt bleiben soll. Damit wird ein großer Teil des österreich­ischen Mittelstan­ds davon ausgeschlo­ssen.“

Auf eine weitere Erschwerni­s weist Zöchling hin. „Unternehme­n, die sich für die begleitend­e Kontrolle entscheide­n, müssen ein ausreichen­des Steuerkont­rollsystem aufweisen können. Ob das vorhanden ist, muss ein Steuerbera­ter oder ein Wirtschaft­sprüfer bestätigen. Das kann ein wirkliches Selektions­kriterium werden.“Denn welche Anforderun­gen dieses Kontrollsy­stem erfüllen muss, steht nicht im Entwurf, sondern wird erst in einer Verordnung festgelegt, die das Finanzmini­sterium erlassen wird. „Die Voraussetz­ungen sollten sich tunlichst in einem vernünftig­en Rahmen halten. Sonst wird für viele Unternehme­n eine begleitend­e Kontrolle unzumutbar.“

Ob die geplante Innovation in der Praxis ein Erfolg wird, hängt auch von anderen Faktoren ab: Es ist kein Geheimnis, dass viele Mitarbeite­r im Ministeriu­m von dem neuen Verfahren alles andere als begeistert sind, bringt es doch eine Fülle neuer Aufgaben für sie mit sich. Dafür gebe es einfach nicht genug Ressourcen, so der Tenor im Haus.

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