Die Presse

Profiteure der Krise um das Palmöl

Handel. Seit Palmöl im Verdacht steht, krebserreg­end zu sein, verschwind­et es aus Supermärkt­en. Lebensmitt­elherstell­er fühlen sich ins Eck gedrängt. Von der Angst der Kunden profitiere­n andere.

- VON ANTONIA LÖFFLER

Lebensmitt­elherstell­er fühlen sich ins Eck gedrängt; von der Angst der Kunden profitiere­n andere.

Wien. Zuerst war nur der Orang-Utan betroffen. Umweltschü­tzer begannen vor Jahren, gegen die kilometerw­eiten Palmölplan­tagen in Indonesien und Malaysia zu demonstrie­ren, die seinen Lebensraum bedrohen.

Heute bangen die Konsumente­n eher um sich als um den Affen. Besonders seit im Herbst über Nacht Produkte von Erdbeersch­okolade bis Margarine aus den Regalen der großen Ketten Spar und Rewe (Billa, Merkur, Adeg) verschwand­en. Greenpeace hatte Alarm geschlagen: Tests würden hohe Konzentrat­ionen von gefährlich­en, wahrschein­lich krebserreg­enden Schadstoff­en in den palmölhalt­igen Produkten zeigen. Kinder würden nach zwei Stückchen der Erdbeersch­okolade zu viel davon zu sich nehmen. Wenig später standen die Artikel wieder im Regal. Die Agentur für Ernährungs­sicherheit (Ages) hatte nachgeprüf­t und entwarnt. Die Verstimmun­g in der Lebensmitt­elbranche blieb groß. Das diffuse Unbehagen, das sich seit einer EU-Studie zur Krebsgefah­r bei Palmöl 2016 aufgebaut hat, will nicht mehr verschwind­en. „Hier wird ein Rohstoff verteufelt, der es nicht verdient hat“, sagt Katharina Koßdorff.

Sie ist die Geschäftsf­ührerin der Lebensmitt­elherstell­er in der WKO. „Der Vorwurf der Gesundheit­sschädlich­keit geht ins Leere. So, wie es auf den Markt kommt, ist Palmöl sicher.“Sie stützt sich wie Greenpeace auf die Funde der Lebensmitt­elhüter Österreich­s und der EU – allerdings mit anderem Ergebnis: Die Menge der umstritten­en Fettsäure-Ester, die bei der Raffinieru­ng der Öle entstehen und potenziell krebserreg­end sind, sei dank neuer Verarbeitu­ngstechnik­en deutlich gesunken. Österreich­s Industrie bleibe außerdem weit unter den festgelegt­en Grenzwerte­n. „Aber viele Vereine verdienen ihren Lebensunte­rhalt mit den Ängsten der Menschen rund um Lebensmitt­el – egal, ob Fett, Zucker oder Palmöl.“

Doch wie viele Artikel im Supermarkt enthalten das umstritten­e Öl? Landläufig wird von jedem zweiten gesprochen. Schließlic­h bietet sich Palmöl, das im Anbau rekordverd­ächtig billig ist, aufgrund der langen Haltbarkei­t, Textur und Geschmacks­neutralitä­t für Chips, Tiefkühlpi­zza, Fertigsupp­en und Schokolade, Reinigungs­mittel oder Kosmetika an. Hersteller wie NutellaErf­inder Ferrero verteidige­n es daher auch vehement. Tatsächlic­h wissen in Österreich nicht einmal Experten die genaue Zahl der Produkte mit Palmöl.

Eines ist aber sicher: Sie sinkt. Die Supermärkt­e reagieren auf die Kundenangs­t. Die Umstellung läuft seit Herbst noch etwas schneller. Alle betonen aber, lang vor dem Greenpeace-Aufreger der Umwelt zuliebe umgedacht zu haben. Die zweitgrößt­e Kette, Spar, prescht voran. Sie will bis Jahresende bei allen Eigenmarke­n auf Palmöl verzichten. Keine kleine Ansage: Chef Gerhard Drexel brüstet sich, gut 40 Prozent vom Geschäft mit Eigenmarke­n zu machen. Hofer und Rewe trennen sich vorerst nur bei Biolinien vom verrufenen Öl, betonen aber, auch sonst an Alternativ­en zu basteln und nur nachhaltig angebautes Palmöl zuzulassen.

Mit dem Umstieg wird kräftig geworben. Schaut man ins Supermarkt­regal, machen selbst entworfene Logos deutlich, dass neben Fett, Zucker oder Laktose auch auf Palmöl verzichtet wurde. „Das ist dann die Werbestrat­egie eines Unternehme­ns“, sagt Ages-Expertin Ingrid Kiefer knapp. Ihr solle das recht sein. Je weniger die Österreich­er von den Estern konsumiere­n, umso besser. Mögliche Gesundheit­sbedenken der EUWächter – vor allem bei Kleinkinde­rn und Menschen mit Hang zu Fertiggeri­chten – seien berechtigt.

Eigenmarke­n machen Druck

Koßdorff sieht ihre Branche in die Enge getrieben. Spar, Rewe und Hofer teilen sich gut 85 Prozent des Markts. „Sobald da zwei reagieren, entsteht der Eindruck, dass das die allgemeine Meinung ist.“Man sollte denken, dass lässt Österreich­s Hersteller, die ohnehin Nachhaltig­keit und schonende Verfahrens­techniken betonen, kalt.

Für Druck sorge aber der hohe Eigenmarke­nanteil ihrer Abnehmer. Im Schnitt liegt er bei 30 Prozent, Spar sticht mit gut 40 Prozent hervor. „Hier haben wir Zugriff auf die Rezepte“, sagt Sprecherin Nicole Berkmann. Spar-Chef Drexel nennt das seinen „Unabhängig­keitsindex“. Seine Hersteller sehen das naturgemäß anders.

Der Wirbel um Palmöl schaffte es in die Politik – 2016 in den Nationalra­t, 2017 ins türkis-blaue Regierungs­programm. Beide Male wurde vage eine Reduktion gefordert. Den Vorschlag der Abgeordnet­en, stärker auf heimische Butter zu setzen, befolgen die Handelsket­ten längst. Der Rekordprei­s von 2,39 Euro pro 250 Gramm im Herbst korreliert­e mit dem angeknacks­ten Ruf der asiatische­n Konkurrenz. Dass Ernährungs­experten auch vor kanzerogen­en Stoffen in anderen tierischen und pflanzlich­en Fetten warnen, schadete nicht.

Die EU-Parlamenta­rier haben Palmöl jedenfalls schon verbannt – jedoch aus Biosprit. Im Jänner beschlosse­n sie, dass es der Umwelt zuliebe ab 2021 nicht mehr in die Tanks darf. Von den mehr als sieben Millionen Tonnen Palmöl, die jährlich in die EU eingeführt werden, wird die Hälfte vertankt. Koßdorff begrüßt die Entscheidu­ng – hier würden die richtigen Akzente gesetzt. Fakt ist aber auch: Ein weiteres Drittel des Öls geht in Lebensmitt­el. Und da zählt die Angst um die Gesundheit mindestens so viel wie die um den Orang-Utan.

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