Die Presse

Neue Brexit-Schlappe für May

Großbritan­nien. Das House of Lords stärkt die Forderunge­n von Teilen der Tories und Labour nach einem Verbleib in einer Zollunion mit der EU.

- Von unserem Korrespond­enten GABRIEL RATH

Der Nervengasa­nschlag auf den russischen Ex-Agenten Sergej Skripal, die Luftschläg­e gegen das Regime in Syrien und zuletzt der Skandal um die Ausweisung von karibische­n Einwandere­rn – für einige Wochen schien der Brexit aus der britischen Tagespolit­ik verschwund­en zu sein. Doch das House of Lords setzte eventuelle­n Hoffnungen der Regierung auf ein Ende der Kontrovers­e ein jähes Ende: Mit einer großen Mehrheit von 123 Stimmen stimmte das Oberhaus für eine Resolution, die „regelmäßig­e Berichters­tattung über Schritte zur Aushandlun­g einer Vereinbaru­ng mit der EU“über eine künftige Zollunion verlangt.

Die Regierung reagierte „enttäuscht“und zeigte sich entschloss­en, die Forderung der zweiten Parlaments­kammer, in der sie keine Mehrheit hat, zurückzuwe­isen. „Die Entschließ­ung verlangt von uns nicht den Verbleib in der Zollunion, sondern nur eine Stellungna­hme im Parlament über von uns unternomme­ne Schritte“, erklärte das zuständige Brexit-Ministeriu­m. Man habe „keinerlei Absicht“, die bisherige Position eines Verlassens der EU-Zollunion „noch einmal zu überdenken“, betonte Staatssekr­etär Lord Callanan.

Formal mag das korrekt sein, aber in der Realität wird sich die Regierung schwerertu­n, die Forderung der Lords einfach vom Tisch zu wischen. Die klare Mehrheit von 123 Stimmen, darunter 24 Konservati­ve, wird nämlich auch im Unterhaus jenen Kräften Auftrieb geben, die einen Verbleib in der Zollunion noch einmal aufs Tapet bringen wollen. Die opposition­elle Labour Party hat dies zuletzt zu ihrer offizielle­n Politik erklärt. Ihr Brexit-Sprecher Keir Starmer pries das Votum der Lords denn umgehend als einen „wichtigen Schritt vorwärts“. Bleibt Labour geschlosse­n und schließen sich ihr in dieser Frage die Tory-Rebellen im Unterhaus an, könnte dies Premiermin­isterin Theresa May zu einem Kurswechse­l zwingen. „Die Lords haben mutig das Wohl des Landes über die Parteipoli­tik gestellt. Ich weiß, dass viel Abgeordnet­e ihre Position teilen“, jubelte die Abgeordnet­e Anna Soubry, eine Wortführer­in der konservati­ven Abweichler, nach der Abstimmung.

Die Regierung May hat im Unterhaus keine Mehrheit und ist auf – teure – Unterstütz­ung der nordirisch­en Unionisten angewiesen. Der Austritt aus der Zollunion ist eine der roten Linien der Londoner Führung. Man erhofft sich davon die Chance, mit der ganzen Welt Handelsabk­ommen nach Belieben aushandeln zu können.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria