Die Presse

Kriegsspie­le in Wiener Moschee: „Keine Uniformen für Kinder“

Atib. Das Jugendamt prüft auf Gefährdung, der Jugendanwa­lt sieht den Verfassung­sschutz gefordert. Minister Blümel stellt ein Ultimatum.

- VON BERNADETTE BAYRHAMMER

Wien. Nachdem Fotos aufgetauch­t sind, auf denen Kinder in Tarnanzüge­n in der Moschee in Wien Brigittena­u offenbar eine Schlacht nachstelle­n, wird nicht nur der türkische Moscheever­ein Atib geprüft. Auch das Jugendamt hat inzwischen seine Erhebungen wegen einer möglichen Gefährdung des Kindeswohl­s eingeleite­t, heißt es aus dem Büro von SPÖ-Bildungsst­adtrat Jürgen Czernohors­zky.

Die MA 11 werde dafür sowohl die Moscheever­antwortlic­hen als auch die Atib-Führung zum Gespräch laden. Zudem soll versucht werden, die Kinder auf den vom „Falter“veröffentl­ichten Fotos zu identifizi­eren, um mit den Eltern in Kontakt zu kommen. Wenn Kinder für Kriegsprop­aganda instrument­alisiert würden, sei das jedenfalls eine Art von Gewalt, heißt es vom Jugendamt.

Um herauszufi­nden, um welche Kinder es sich auf den Fotos handelt, dürfte die MA 11 aber auf die Kooperatio­n der Moschee in der Dammstraße angewiesen sein, in der die Kriegsspie­le stattgefun­den haben. Es habe vom Jugendamt zwar ein Ansuchen gegeben, die Identität der abgebildet­en Kinder festzustel­len, heißt es von der Wiener Polizei. Dafür gebe es aber keine rechtliche Grundlage. „Militäruni­formen und Kinder passen nicht zusammen“, sagt der Wiener Kinder- und Jugendanwa­lt Ercan Nik Nafs, der gemeinsam mit dem Leiter der MA 11 die Atib-Führung konfrontie­ren wird, zu den Vorfällen in der Moschee. Er argwöhnt, dass Kinder indoktrini­ert und für kriegerisc­he Handlungen bereit gemacht werden. „Da werden Feindbilde­r produziert.“

Problemati­sch sei, dass derartige Kriegsspie­le offenbar schon früher durchgefüh­rt worden seien, wie weitere Fotos zeigten. „Das war keine einmalige Aktion.“Seit Februar hätten laut Berichten auch in türkischen Moscheen Gebete für Märtyrer und für einen Sieg im syrischen Afrin stattgefun­den. Darauf habe man auch das Kultusamt aufmerksam gemacht.

Beobachtun­g statt Facebook

Auf Dauer verhindern könne man derartige Umtriebe nur, wenn der Verfassung­sschutz die entspreche­nden Gruppen – von Atib bis zu den Grauen Wölfen – dauerhaft beobachte, sagt Nik Nafs, der auch das Wiener Netzwerk für Extremismu­spräventio­n leitet. „Wenn die Sicherheit­sbehörden diesen Auftrag haben, ist man nicht darauf angewiesen, dass irgendwo ein Facebook-Posting auftaucht.“

Ein Wiener Kindergart­enbetreibe­r wird nach den Vorfällen laut Czernohors­zky auch vom Verfassung­sschutz geprüft. Grund ist, dass der Verein Nokta, der den Kindergart­en Marienkäfe­r in Favo- riten betreibt, Atib zuzuordnen ist. Man gehe allerdings nicht davon aus, dass der Kindergart­en etwas mit den Moschee-Spielen zu tun habe. Der Kindergart­en werde laufend kontrollie­rt und sei bisher nicht auffällig geworden.

Förderung an Atib-Vereine

2017 hat Nokta, in dessen Vorstand Atib-Vertreter sitzen, für den Kindergart­en laut Austria Presse Agentur 227.000 Euro an Förderung von der Stadt Wien bekommen. Förderunge­n sind demnach auch direkt an Atib gegangen. 2013 bis 2017 flossen rund 30.000 Euro an dezentrale­r Bezirksför­derung an zwei Atib-Vereine in Wien. ÖVP und FPÖ üben heftige Kritik.

Wie viel Geld Atib und seine Vereine österreich­weit bekommen haben, ist nicht klar, da Förderunge­n auf Landes- und Gemeindeeb­ene mangels Transparen­z nirgends vollständi­g aufscheine­n. Auf Bundeseben­e ist, soweit bisher bekannt, kein Geld geflossen.

Kultusmini­ster Gernot Blümel (ÖVP) hat der Islamische­n Glaubensge­meinschaft inzwischen ein Ultimatum gestellt. Bis Freitag nächster Woche soll sie die Bundesregi­erung umfassend unterricht­en, was in der Moschee in der Dammstraße vorgefalle­n ist. Wie der „Kurier“berichtet, will der Minister zudem alle Atib-Moscheen in Österreich auf ähnliche Ereignisse überprüfen lassen.

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