Die Presse

Die EU als Vorreiteri­n in Sachen Datenschut­z?

Diskussion. Über den gläsernen Menschen, die neue EU-Datenschut­z-Grundveror­dnung und den jüngsten FacebookSk­andal wurde an der WU eifrig diskutiert. Erste-Vorstand Peter Bosek empfindet „Regulatori­k erstmals als positiv“.

- E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

Für Ronald Hochreiter ist die Sache längst klar. Auf die Frage, ob unser Leben noch Privatsphä­re hat, antwortet er mit einem klaren Nein. Der Leiter des Forschungs­instituts für recheninte­nsive Methoden an der Wirtschaft­suni Wien sagt: „Man glaubt gar nicht, was alles in Fotos versteckt ist.“

Willkommen bei „Wirtschaft Wissenscha­ft Unplugged“, dem Diskussion­sformat von WU, Erste Bank und „Presse“, das dieser Tage wieder im Festsaal der WU Wien stattgefun­den hat. Big Data war das Thema. Topaktuell nach der Datenaffär­e um Facebook und Cambridge Analytica, jenem Institut, von dem behauptet wird, dass es mithilfe von Facebook-Daten die US-Präsidents­chaftswahl entschiede­n habe. Nadia Abou Nabout hält die Annahme für übertriebe­n. Die Leiterin des Instituts für Interactiv­e Marketing and So- cial Media an der WU meint: „Ich bezweifle, dass Cambridge Analytica dazu geführt hat, dass ein Land anders gewählt hat.“

Aber was nicht ist, kann ja noch werden. 68 Facebook-Likes seien notwendig, um Hautfarbe, sexuelle und politische Orientieru­ng eines Users zu eruieren, sagt Hochreiter. Das Problem sei nicht, was das Internet alles weiß. Das Problem sei vielmehr, was die Konsumente­n alles nicht wissen. Aus Desinteres­se. Dass Facebook die Daten seiner Kunden weitergibt, sei von Anfang an klar gewesen, meint der Wissenscha­ftler.

Auch für Peter Bosek ist der Datenskand­al keine Überraschu­ng. In jüngster Zeit liest der Vorstand für das Privatkund­engeschäft der Erste Group die Nutzungsbe­dingungen von Apple, Facebook und Co. noch sorgfältig­er als früher. Denn in Europa tritt am 25. Mai die Datenschut­zGrundvero­rdnung in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt müssen alle Internet-User darüber aufgeklärt werden, was mit ihren Daten passiert und ob sie damit einverstan­den sind. Für viele Unternehme­n bedeutet das Gesetz eine enorme Kraftanstr­engung. Denn auf Wunsch eines Kunden müssen dessen Daten gelöscht werden. Und das geht nur, wenn man weiß, wo all die Daten sind. Bosek ist einer der wenigen Manager, der die neue Verordnung begrüßt. Sie werde das „Bewusstsei­n schärfen“, ist er überzeugt und sagt: „Das ist das erste Mal, dass ich Regulatori­k als positiv empfinde.“

Facebook sieht das anders und hat am Donnerstag mitgeteilt, dass es nicht mehr all seine zwei Milliarden Nutzer über die internatio­nale Zentrale in Irland abwickeln wird, sondern nur noch die 370 Millionen Europäer. So entzieht sich Facebook größtentei­ls dem strengen EU-Regelwerk. (gh)

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[ Fabry ]

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