Die Presse

Nur im Krieg waren Schulden höher

IWF. Verdrängte Gefahr: Die Welt wird ihren immens gewachsene­n Schuldenbe­rg nicht los. Neue Treiber sind die USA und China. Das macht anfällig für Krisen, die dann schwerer zu kurieren sind.

- VON KARL GAULHOFER

Eine Reise nach Washington kann wertvolle Einsichten liefern. Finanzmini­ster Hartwig Löger trifft an diesem Wochenende nicht nur auf Bill Gates. Er erlebt auch, auf der Frühjahrst­agung von IWF und Weltbank, das heimische Ringen um Budget und Sparen ins Globale gesteigert. Was der Währungsfo­nds in seinem „Fiscal Monitor“mit einiger Drastik aufzeigt, sorgt beim Treffen für Diskussion­sstoff.

Ein Jahrzehnt nach der Finanzkris­e stagnieren in den Industries­taaten die Staatsschu­lden im Verhältnis zur Wirtschaft­sleistung auf einem Niveau, das es erst einmal gab: im Zweiten Weltkrieg, als Waffen und Sold Unsummen verschlang­en. Nur ging der Stand nach Kriegsende rasant zurück. Dafür aber sind unsere Gesellscha­ften zu alt, die Dynamik ist zu schwach. So verharrt die Quote schon seit fünf Jahren bei 105 Prozent des BIPs.

Ähnlich bedenklich die Situation der Schwellenl­änder: Bei ihnen gab es solche Spitzen wie heute nur in den tumulthaft­en Zeiten der Asien-Finanzkris­e Ende der 1990er-Jahre und in der Lateinamer­ika-Schuldenkr­ise der Achtziger. Zwar haben die aufstreben­den Volkswirts­chaften noch deutlich niedrigere Schuldenqu­oten. Aber Investoren verzeihen ihnen weniger: Sie ziehen sich bei finanziell­en Problemen rasch zurück. Als die Rohstoffpr­eise einbrachen, haben dort viele Regierunge­n die Einnah- menausfäll­e durch geborgtes Geld ersetzt. Das hat sie auf den Geschmack gebracht: Auch künftig steigen ihre Schulden, wobei China am stärksten ins Gewicht fällt.

In der westlichen Welt ist US-Präsident Trump der Treiber, der eine spürbare Konsolidie­rung verhindert. Seine Steuerrefo­rm und Rekordausg­aben führen zu Billionend­efiziten. Sie treiben die US-Schulden bis 2023 auf 117 Prozent – womit Amerika im IWF-Ausblick sogar Italien überholt. Dass die Eurostaate­n einen sanften Abwärtspfa­d einschlage­n, hat aber kaum mit ehrgeizige­r Sanierung zu tun. Die Ökonomen rechnen weiter mit Rü- ckendeckun­g der EZB: Die Zinsen steigen kaum (was die Schulden billig hält), obwohl die Inflation anzieht (was sie zusätzlich entwertet). Dabei zeigen die Deutschen vor, wie gut eine moderate, aber konsequent­e Zurückhalt­ung wirkt: Ihre Schuldenqu­ote sollte bis 2023 auf 42 Prozent sinken.

Aber sind Schulden denn so schlimm? Aktuell tun sie ja nicht weh und verhindern nicht eine starke Konjunktur. Aber alle Studien, die der IWF zurate zieht, zeigen: Hohe Schuldenst­ände sind gefährlich (Japan ist ein Sonderfall, weil sich der Staat dort großteils bei den eigenen Bürgern verschulde­t). Finanziell­e Schwäche macht anfällig für Krisen, in denen die öffentli- che Hand keine Mittel in Reserve hat, um kräftig gegenzuste­uern. Dazu kommt der steigende Anteil der Zinskosten an den Ausgaben, eine Bürde, die man kaum noch loswird. Damit dauern Krisen immer länger – wie ja auch der Rückschlag in Südeuropa gezeigt hat.

Und der private Sektor? Es macht es nicht besser, ihn hinzuzuzäh­len. Zwar mussten sich in hoch entwickelt­en Staaten Privathaus­halte und Firmen seit der Krise etwas mäßigen. Aber die neue Lust der Chinesen auf ein Leben auf Pump macht dies mehr als wett. So kommen Staat und privat weltweit auf 164 Billionen Dollar Schulden – ein Rekord, der mehr Schwindel erregen sollte, als er es tut.

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