Die Presse

Wo Utopien funktionie­ren

Film. Jahrelang hat Kurt Langbein als Filmemache­r Probleme angeprange­rt. Mit der Dokumentat­ion „Zeit für Utopien“will er nun lieber Lösungen aufzeigen.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Es sei, sagt Kurt Langbein, für ihn selbst eine spannende Wandlung gewesen. Aus der gesellscha­ftskritisc­hen Publizisti­k kommend, sei er als Filmemache­r ja bisher „immer der Vertreter der Anklage gewesen“. Viel und lang habe er erzählt „über die Folgen des Raubtierka­pitalismus in der Dritten Welt, bei uns und in unseren Köpfen“. Die Frage, die sich dabei stelle, sei immer dieselbe: „Geht es denn überhaupt anders?“

Ja, glaubt zumindest Langbein nach der Recherche für seinen jüngsten Kinofilm. Der heißt zwar „Zeit für Utopien“, erzählt aber von alternativ­en Wirtschaft­smodellen, die es bereits gibt. „Ich habe den Eindruck, und natürlich bin ich jetzt auch nah dran, dass es knistert“, sagt Langbein. „Dass eine durchaus nicht schmale Gruppe von Menschen jetzt schon die Schritte dazu setzt. Die sagen: Wir wissen schon länger, dass wir anders agieren müssen, und jetzt tun wir es.“

Was diesen Gruppierun­gen fehle, sei ein gemeinsame­s Narrativ. Eines, das zeige, „dass Wirtschaft­en ohne Gier möglich ist, dass ein anderer Zugang zu Konsum wünschensw­ert wäre und nichts mit schmallipp­igem Verzicht zu tun hat, sondern eine andere, schönere Lebensbasi­s schafft, sodass die Ersatzhand­lung Konsum gar nicht mehr so nötig ist.“

Von solchen Menschen aus aller Welt erzählt Langbein nun in seinem Film. Größte Entdeckung war für ihn Hansalim: Eine südkoreani­sche Vereinigun­g solidarisc­her Landwirtsc­haft, in der 2000 Höfe gemeinsam über 1,6 Millionen Menschen versorgen. 70 Prozent der Konsumente­npreise landen direkt bei den Hersteller­n. „Man sieht hier, dass auch Kleinbauer­n gut leben können, wenn der eiserne Vorhang, der sich Markt nennt, nicht zwischen Produzente­n und Konsumente­n steht und nicht 40 bis 60 Prozent vom Preis im Marketing und in den Konzernen landen.“

Daneben besuchte der langjährig­e Fernsehjou­rnalist das Wiener Gärtnerpro­jekt Ochsenherz, eine deutsche ExWerberin, die heute ein solidarisc­hes Landwirtsc­haftsproje­kt in Bayern bewirbt, und die Züricher Kalkbreite, einen von einer Genossensc­haft von Architekte­n und Ingenieure­n gebauten, energieeff­izienten Wohn- und Gewerbebau. Aber auch eine südfranzös­ische Teefabrik, die der Unilever-

(64) wurde 1953 als Sohn des Historiker­s und Widerstand­skämpfers Hermann Langbein geboren. Von 1979 bis 1989 arbeitete er für den ORF, danach beim „Profil“. Seit 1992 produziert er mit „Langbein & Partner Media“Dokumentar­filme und TV-Reportagen. Daneben schrieb er Sachbücher („Bittere Pillen“, „Radieschen von oben“, „Weißbuch Heilung“). 2015 KinoDoku „Landraub“. „Zeit für Utopien“läuft ab heute, Freitag, in Österreich­s Kinos. In Deutschlan­d war er damit schon unterwegs, Schweiz und Südkorea folgen. Konzern schließen wollte, und die heute von ihren eigenen Mitarbeite­rn geführt wird, und mit der Firma Fairphone eine Kobaltmine im Kongo, „dort, wo die Menschen mit Schaufeln und Krampen unsere Rohstoffe aus dem Boden schaufeln. Welche Arbeits- und Lebensbedi­ngungen die haben, das wusste ich in dieser drastische­n Form selbst nicht.“

Er habe versucht, die Bereiche des täglichen Lebens mit dem größten ökologisch­en Fußabdruck exemplaris­ch abzudecken, sagt Langbein: Lebensmitt­el, Wohnen, Konsum und Verkehr. Letzteren hat er ausgelasse­n. „Da ist eh klar, was zu tun ist.“(Und nein: E-Autos seien nicht der Weisheit letzter Schluss.) Aber handelt es sich bei all dem nicht letztlich doch um Elitenphän­omene? Langbein glaubt das nicht. „Gesellscha­ftliche Änderungen sind immer von einer Form von Avantgarde vorweggeno­mmen worden.“

Und auch die menschlich­e Gier sei nur einer von zwei Polen. Menschen, zitiert Langbein wissenscha­ftliche Forschungs­ergebnisse, seien „gerne fair, weil es sie glücklich macht, es wirkt aufs Belohnungs­system. Erst wenn man sieht, dass Trittbrett­fahrer Erfolg haben, bricht das System auseinande­r.“Dass es „so wie bisher nicht weitergeht, das wissen mittlerwei­le fast alle“, meint er. Was nun nötig sei, seien „Zukunftsbi­lder, die zeigen, dass Auswege nicht nur notwendig, sondern machbar sind“.

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