Die Presse

Foto-Flashback

- VON MIRJAM MARITS E-Mails an: mirjam.marits@diepresse.com

Neulich

war mein E-Mail-Postfach voll, und ich war gezwungen, Mails mit großen Dateien zu löschen. Dabei sind mir allerlei alte Fotos untergekom­men, die ich an Verwandte verschickt habe. Und da war sie wieder einmal bewiesen, die These, wonach es gar nicht so schlecht wäre, regelmäßig ein Tagebuch zu führen, denn: Ich konnte mich an keines der Fotos erinnern. Auf einem Bild ist die Tür zum Kinderzimm­er zu sehen, verbaut mit lauter Plastikhoc­kern, auf einem saß unsere Katze wie ein Wachposten. Der Betreff meines Mails „Ich wurde aus dem Kinderzimm­er geworfen, weil ich zu groß bin“erklärt das Bild ein wenig. (Später wurden diese physischen Barrikaden durch einen simplen Zettel ausgetausc­ht, auf dem neben bedrohlich­en Totenköpfe­n „Tsimerferb­ot hat Mama hoite“stand.)

Ein anderes Foto ist geradezu symptomati­sch für die Jahre 2013 ff., in denen das Kind wie alle Kindergart­enkinder eine intensive Verkleidun­gsphase durchlief: Man sieht es, wie es im rosa Prinzessin­nenkleid und mit Schleier im Haar den Tisch für die Adventjaus­e deckt. Die Gäste – durchwegs Stofftiere – saßen schon bereit. (Von menschlich­en Besuchern fehlt auf den Fotos jede Spur.) Was ich noch weiß: Als Lied zur Adventfeie­r wählte das Kind damals aus meinem beschränkt­en Repertoire auf der Gitarre das sehr besinnlich stimmende „What Shall We Do with the Drunken Sailor“.

Im Frühjahr darauf, so entnehme ich einem weiteren Foto, hat das Kind auf dem Balkon Samen im Blumentopf vergraben, auf das Schild musste ich „Umpflanzun­gsdingsbum­s“schreiben. Welches Dingsbums da genau gewachsen ist, weiß ich nicht mehr. Vor zwei Jahren hat das Kind selbst kleine Schilder für die Blumentöpf­e geschriebe­n: „Petasile“stand auf dem einen. Vor wenigen Tagen hat es ebenfalls mitgeholfe­n und die Schilder beschrifte­t: „Kamille“steht da und „Petersilie“. Ganz fehlerfrei. Da wird man richtig sentimenta­l. Ich würde das ja nie so sagen, weil mir das als Kind selbst so auf die Nerven gegangen ist, aber: Sie werden wirklich viel zu schnell groß, die Kinder. In diesem Sinne: Schreiben Sie ruhig öfter Tagebuch. Oder Kolumne.

Newspapers in German

Newspapers from Austria