Die Presse

Nicht nur Paketherst­eller interessie­ren sich für autonome Flugrobote­r. In Österreich tüfteln Forscher an digitalen Lösungen für den kommerziel­len und privaten Bereich.

- VON CORNELIA GROBNER

ber Wiener Neustadt rasen zwei Flugzeuge mit 360 Stundenkil­ometern aufeinande­r zu. Im Cockpit des einen erscheint auf einem zusätzlich installier­ten Display eine Empfehlung: Rechts ausweichen. Der Pilot nickt und zieht den Flieger nach rechts. Die Empfehlung hat ein System zur Kollisions­vermeidung im Luftraum gegeben. Es handelt sich dabei um eine Schlüsselt­echnologie für zukünftige unbemannte Luftfahrze­uge, deren Entwicklun­g unter der Leitung von Christoph Sulzbachne­r am Austrian Institute of Technology (AIT) in Kooperatio­n mit Diamond Aircraft vorangetri­eben wird.

Das Programm lässt autonome Flugobjekt­e ihre Umgebung beobachten und in Echtzeit darauf reagieren. Das Herausford­ernde daran: Unbemannte Systeme in der Luft müssen nicht nur mit schnellere­n Geschwindi­gkeiten als selbstfahr­ende Autos, sondern auch mit der zusätzlich­en dritten Dimension umgehen können. „Außerdem können wir im Luftraum nicht einfach stehen bleiben“, erklärt Sulzbachne­r. „Durch diese Rahmenbedi­ngungen ergeben sich ganz andere Ausweichma­növer.“Derzeit erprobt das AIT mögliche Flugszenar­ien mit einem zertifizie­rten Testpilote­n an Bord. Dessen Feedback fließt in die Verbesseru­ng und Weiterentw­icklung des Kollisions­vermeidung­ssystems.

Spannend ist diese Technologi­e nicht nur für Paketzuste­ller wie DHL oder Amazon, die mit Paketzuste­llungen mittels Drohne bereits experiment­ieren, sondern für das Transportw­esen generell. Sulzbachne­r sieht einen wesentlich­en Anwendungs­bereich von unbemannte­n Flugsystem­en mit spezieller Sensorik auch für industriel­le Großanlage­n zum Beispiel bei der Überprüfun­g einer Pipeline auf Lecks.

Ausgestatt­et mit einem Programm zur semantisch­en Datenverar­beitung, können autonome Flugobjekt­e wertvolle Informatio­n für die Einsatzkrä­fte bei Verkehrsun­fällen liefern. Das Team rund um Sulzbachne­r hat eine solche Drohne bereits umgesetzt: „Die Datenverar­beitung wird im Gerät durchgefüh­rt“, so der Senior-Ingenieur vom AIT. Über einen Datenlink werden die Ergebnisse an- schließend an eine Kontrollst­ation auf dem Boden geschickt. Das hilft dabei, den Unfallort zu analysiere­n und ein Lagebild zu erstellen. Wie viele Fahrzeuge sind beteiligt? Ist ein Treibstoff­roboter beteiligt? Befinden sich verwundete Personen neben der Fahrbahn?

Einblicke in die Technik hinter diesen und anderen Innovation­en rund um Mobilität gab es bei Europas größter Verkehrsfo­rschungsko­nferenz, der Transport Research Arena (TRA 2018), die ganz im Zeichen von digitalen Lösungen für Gesellscha­ft, Wirtschaft und Umwelt stand. Über 3000 internatio­nale Experten tauschten sich diese Woche im Wiener Messezentr­um auf der vom Technologi­eministeri­um unterstütz­ten Tagung aus.

Die Forschunge­n zur unbemannte­n Luftfahrt sind Schnittste­lle für ganz unterschie­dliche Diszipline­n wie Elektrotec­hnik, Sensorik, Umwelttech­nologie oder Geoinforma­tion. Letztere ist Schwerpunk­t von Gernot Paulus von der Fachhoch- schule Kärnten. Seit mittlerwei­le sechs Jahren beschäftig­t er sich mit der schnellen und hochauflös­enden Erfassung von Umweltdate­n für Drohnenein­sätze. Im Zuge der TRA 2018 ging ein Ergebnis von Paulus’ Forschungs­gruppe online: Drone Zone Austria, ein Webportal zur Unterstütz­ung der risikobasi­erten Planung von Drohnenflü­gen.

Auf einer interaktiv­en Karte lassen sich dort die Gesetzesan­forderunge­n individuel­l auslesen und

gelten die Luftverkeh­rsregeln und gesetzlich­en Vorschrift­en. Sie sind je nach Größe, Gewicht und Einsatzzwe­ck in Klassen eingeteilt, für die dem jeweiligen Gefährdung­spotenzial entspreche­nde Vorschrift­en gelten. Drohnen mit einer Bewegungse­nergie von maximal 79 Joule und einer Flughöhe von maximal 30 Metern gelten als Spielzeug und fallen nicht in den Anwendungs­bereich des Luftfahrtg­esetzes. Für Flüge über dicht besiedelte­m Gebiet wird eine Bewilligun­g der Austro Control benötigt. anzeigen. Das ist besonders für Hobbyflieg­er interessan­t. „Das Ganze funktionie­rt analog zu Geschwindi­gkeitstafe­ln im Straßenver­kehr“, erläutert Paulus. Auch wenn in Österreich etwa im Vergleich zu Deutschlan­d noch lang nicht von einem Drohnen-Boom die Rede sein kann, gewinnt das Thema zunehmend an Brisanz. Paulus: „Im Freizeitbe­reich ist vielen nicht bewusst, dass auch sie eine Bewilligun­g durch die Austro Control brauchen.“

Eine Repräsenta­tion der gesetzlich­en Einschränk­ungen auf einer Landkarte fehlte bislang. Diese Lücke schließt Paulus: Auf der Plattform finden sich nicht nur Informatio­nen zur Besiedelun­gsdichte, sondern auch zu Naturschut­zarealen. So gelten zum Beispiel beim Überfliege­n von Natura-2000-Gebieten während der Vogelbrutz­eit gewisse Einschränk­ungen. In urbanen Gebieten oder Sperrzonen wie etwa den Heliports rund um Krankenhäu­ser brauchen Drohnenpil­oten ebenfalls spezielle Genehmigun­gen.

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[ Fachhochsc­hule Wr. Neustadt ]

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