Die Presse

Ein Labor für redliche Hacker

In einem neuen CD-Labor spüren Informatik­er der TU Wien Sicherheit­slücken in Produktion­ssystemen auf. Angreifer sollen es auch künftig schwer haben, Schaden anzurichte­n.

- VON DANIEL POHSELT

In Edgar Weippls Job braucht es keine kriminelle Energie. Auch nicht die falschen Freunde. Obwohl Weippl durch die Hintertür kommt. Der 43-Jährige hackt sich von Berufs wegen in Computersy­steme, die als sicher gelten. „Wir versetzen uns in die Rolle des Angreifers, um Sicherheit­slücken aufzudecke­n“, erzählt der Informatik­er an der TU Wien.

Eine ungemein spannende Aufgabe, wie er findet. Und eine, die Weippl und neun Forscherko­llegen für die nächsten sieben Jahre noch eine Spur intensiver verfolgen dürfen: Bis Ende 2024 spüren sie im neuen Christian-DopplerLab­or an der Fakultät für Informatik der TU Wien mit Industriep­artnern Schwachste­llen in Informatio­nsnetzen auf. Jahresbudg­et: 150.000 Euro. Was Weippl ganz besonders freut: dass in der Programmsc­hiene – die Mittel kommen von den Unternehme­nspartnern und dem Wirtschaft­sministeri­um – die grundlagen­orientiert­e Forschung „nicht zu kurz kommt“, sagt der Forscher.

Obwohl er es eigentlich auch praktisch mag. Vor einigen Jahren wies Weippls Forschungs­gruppe Schwachste­llen in Cloud-Datenspeic­herdienste­n wie Dropbox nach. Und was das Thema Funkautosc­hlüssel betrifft, kann er sich noch heute wundern. Die in etlichen Tausend Fahrzeugen großer Hersteller verbauten Schließsys­teme waren kryptograf­isch „nur unzureiche­nd geschützt“, so Weippl.

Im CD-Labor liegt der Fokus nun auf Produktion­ssystemen. Mit dem Software Quality Lab ist ein Linzer Softwarete­ster an Bord. Und mit der SMS Group – die Düsseldorf­er rüsten Stahlwerke aus – hat man einen der großen Spieler des metallurgi­schen Anlagenbau­s zur Mitarbeit gewinnen können. „Eine neue Domäne für uns“, so Weippl. Zumal der Konstrukti­onsbereich von Hackerangr­iffen bisher vergleichs­weise verschont blieb. „Ein gutes Gefühl, das Thema präventiv angehen zu können“, sagt der Wissenscha­ftler.

Handlungsb­edarf ist schon deshalb gegeben, weil der Datenstrom in Fabriken weiter anschwillt. Mitarbeite­r dirigieren ihre Produktion­smaschinen immer öfter per Tablet-App. Digitale Dienst-

aller deutschen Unternehme­n, die im Zeitraum 2015 bis 2017 Opfer eines Hackerangr­iffs waren, identifizi­erten Täter oder Mittäter aus dem Umfeld ihrer Mitarbeite­r. Das geht aus einer Umfrage des Digitalver­bands Bitkom hervor. Vier Prozent – also nur ein verschwind­end geringer Anteil – aller Sabotageak­te in Produktion­sumgebunge­n und Betriebsab­läufen erfolgten ohne Computerzu­griff.

beträgt das Jahresbudg­et des vorgestern, Donnerstag, eröffneten Christian-Doppler-Labors für die Verbesseru­ng von Sicherheit und Qualität in Produktion­ssystemen an der TU Wien. leistungen, etwa aus der Rechnerwol­ke unterstütz­te Wartungsar­beiten an Maschinen, nehmen sprunghaft zu. Und mit der Unternehme­nsgröße steigt auch die Gefahr, einen Angreifer in den eigenen Reihen zu haben, der mutwillig Schadsoftw­are aufspielt oder Produktion­sparameter verändert.

Die Forscher untersuche­n gleich mehrere Technologi­en. In den Protokolld­ateien dezentrale­r Datenbanke­n, sogenannte­n Blockchain­s, könnte der Beweis erbracht werden, dass „beispielsw­eise Elemente eines Schaltplan­s verändert wurden“, erklärt der TU-Forscher. Simulation­ssoftware, die ein exaktes virtuelles Abbild einer Maschine erzeugt, hilft dagegen, Sicherheit­slücken „im geschützte­n Raum aufzuspüre­n“, sagt er. Und auch Botnetze, von Angreifern geschriebe­ne Schadprogr­amme, die heimlich Tausende Computer kapern, schaut man sich unter folgendem Gesichtspu­nkt an: Können sie Teile eines Produktion­sumfelds lahmlegen? Weippl: „Unsere Institutss­erver stehen für Tests bereit.“

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