Die Presse

Leitartike­l von Thomas Prior

Warum das Salzburg-Ergebnis auf den zweiten Blick nicht so schlimm ist und die Partei hoffen sollte, dass Georg Willi die Stichwahl in Innsbruck verliert.

- VON THOMAS PRIOR E-Mails an: thomas.prior@diepresse.com

Viel unterschie­dlicher hätten die Bilder nicht sein können: In Innsbruck ein ausgelasse­n jubelnder Georg Willi, in Salzburg Tränen in den Augen vieler Grüner. Manche Wahlsonnta­ge können ziemlich ambivalent sein.

Bei der Landtagswa­hl in Salzburg waren die Grünen von 20 auf neun Prozent abgestürzt. Bei der Gemeindera­tswahl in Innsbruck dagegen hatte der vom Bundes- zum Stadtpolit­iker umgesattel­te Georg Willi die Partei auf Platz eins und in die Bürgermeis­terstichwa­hl geführt. Man kann die eine freilich nicht mit der anderen Wahl vergleiche­n, aber in beiden Ergebnisse­n stecken tiefere Wahrheiten über den Gesamtzust­and der Grünen.

Die Lehren aus Salzburg lauten: Nach der überaus erfolgreic­hen vorletzten Landtagswa­hlrunde konnten die Grünen eigentlich nur verlieren. Besonders in Salzburg, wo sie 2013 von ihrer Aufklärung­sarbeit im Finanzskan­dal profitiert und viele Proteststi­mmen eingesamme­lt hatten. Nun, könnte man sagen, haben sie sich wieder auf Normalnive­au eingepende­lt. Neun Prozent sind immerhin noch das zweitbeste Ergebnis ihrer Geschichte.

Innsbruck dagegen hat gezeigt, dass die Mischung aus einem charismati­schen Spitzenkan­didaten, der ein bisschen an Alexander Van der Bellen erinnert, und einem Programm, das die Stammtisch­meinung nicht ganz außer Acht lässt, nach wie vor erfolgvers­prechend ist.

Am Beispiel der Innsbrucke­r Grünen hat sich der grundsätzl­iche Konflikt offenbart, in dem die Partei seit dem Scheitern bei der Nationalra­tswahl steckt. Das Match lautet nicht mehr Fundis gegen Realos, sondern Normalos gegen Surrealos. „So hart das klingen mag, aber die Frage, ob ich mir das Dach überm Kopf leisten kann, beschäftig­t die Leute ganz einfach mehr als die Frage nach dem Binnen-I oder der Ehe für alle“, befand Georg Willi gegen Wahlkampfe­nde. Vizebürger­meisterin Sonja Pitscheide­r trat daraufhin aus der Partei aus und warf Willi rechtspopu­listische Methoden vor.

Die Episode zeigt, dass bei den Grünen einiges aus dem Gleichgewi­cht geraten ist. Niemand wird bestreiten, dass Politik für Minderheit­en wichtig ist. Aber mitunter haben die Grünen vergessen, auch auf jene Probleme einzugehen, mit denen sich die Mehrheit herumschlä­gt. Oder sich – wie in der Flüchtling­skrise – um eine klare Meinung gedrückt.

Werner Kogler, mehr Masseverwa­lter als Bundesspre­cher, hat nun die schwierige Aufgabe, die Partei auf einen neuen Kurs zu führen. Bisher hielt sich der einst umtriebige Kogler auffällig zurück, wohl aus Rücksicht auf die Landtagswa­hlen. Doch dieser Plan ging – Stichwort Kärnten – nur bedingt auf.

Ein Bundeskong­ress Anfang Mai soll nun den Neustart einleiten. Wenn den Grünen nicht bald etwas einfällt, drohen nachhaltig­e Verluste an die Neos. Salzburg lieferte bereits einen Vorgeschma­ck: 18 Prozent der Grün-Wähler aus 2013 wählten dieses Mal Pink.

Neben inhaltlich­en Fragen plagen die Grünen auch Nachwuchss­orgen. Binnen kürzester Zeit hat die Partei eine komplette Führungsma­nnschaft verbraucht. Nach der Bundespräs­identenwah­l, in die lange Zeit alle Ressourcen – inhaltlich­e, kreative, finanziell­e – geflossen sind, ging zunächst Bundesgesc­häftsführe­r und Landespart­eiendompte­ur Stefan Wallner, wenig später Kampagnenc­hef Martin Radjaby.

Vor der Nationalra­tswahl 2017 wurde dann die Parteijuge­nd ausgeschlo­ssen, Eva Glawischni­g zwischen den vielen internen Fronten aufgeriebe­n und Peter Pilz ermutigt, eine eigene Partei zu gründen. Die Tirolerin Ingrid Felipe hat man als Glawischni­g-Nachfolger­in verheizt, die EU-Abgeordnet­e Ulrike Lunacek als Spitzenkan­didatin bei der Nationalra­tswahl. Und Maria Vassilakou hat sich in Wien selbst beschädigt.

Dass der verdiente und inhaltlich breit aufgestell­te Werner Kogler das Beste ist, was die Grünen derzeit anzubieten haben, sagt ungefähr alles über ihre personelle­n Ressourcen aus: Ein Erneuerung­ssignal ist Kogler eher nicht. Vielleicht müssen die Grünen nun sogar hoffen, dass Georg Willi am 6. Mai die Stichwahl in Innsbruck gegen Christine Oppitz-Plörer verliert. Dann wäre er nämlich für die Bundespart­ei frei.

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