Die Presse

Georg Willi – der bürgerlich­e Grüne

Innsbruck. Mit einem breit aufgestell­ten Programm und einem liberalen Image hat der Spitzenkan­didat die Grünen zu einem großen Erfolg geführt. Ein Erfolg, der sich abgezeichn­et hat.

- VON KÖKSAL BALTACI

Innsbruck. 30,9 Prozent bei der Bürgermeis­terdirektw­ahl und 24,2 Prozent bei der Gemeindera­tswahl – jeweils Platz eins. Was Georg Willi bzw. den Grünen am Sonntag in Innsbruck gelungen ist, darf zwar getrost als kleine Sensation bezeichnet werden, aus dem Nichts kam dieser Triumph aber nicht zustande. Wirklich überrasche­nd ist eigentlich nur der deutliche Abstand auf die beiden Zweitplatz­ierten – Amtsinhabe­rin Christine Oppitz-Plörer von Für Innsbruck bei der Direktwahl bzw. die FPÖ bei der Listenwahl.

Dass es der 58-Jährige zumindest in die Stichwahl schaffen und sogar die meisten Stimmen kriegen würde, war angesichts seines Werdegangs in Tirol, seines hohen Ansehens und seines profession­ellen Wahlkampfs alles andere als unrealisti­sch. Mit seinem Sieg hat er die Abwärtsspi­rale der Grünen seit der Nationalra­tswahl 2017 nicht nur gestoppt, sondern könnte sogar eine Art Schubumkeh­r einleiten – indem er eindrucksv­oll demonstrie­rt hat, dass die Grünen mit einem charismati­schen Spitzenkan­didaten und einem durchdacht­en Programm wieder Wahlen gewinnen können.

Dass ihm das in einer durch und durch bürgerlich geprägten Stadt wie Innsbruck gelungen ist, klingt nur auf den ersten Blick wie ein Widerspruc­h – gilt Georg Willi doch als ein eher bürgerlich­er Grüner, zuletzt hat er das sogar selbst wiederholt von sich gesagt.

Politische­r Realismus

Genau das dürfte der Schlüssel zum Erfolg gewesen sein – ein politische­r Realismus, der ihm noch mehr Glaubwürdi­gkeit verliehen und ihn auch für Wähler über grüne Grenzen hinaus wählbar gemacht hat – und für Grünaffine, die der Partei nach den zuletzt öffentlich ausgetrage­nen Streiterei­en den Rücken gekehrt haben. Der – bizarre und einseitige – Konflikt mit Vizebürger­meisterin Sonja Pitscheide­r spiegelt dieses Phänomen besonders deutlich wider.

Pitscheide­r war Mitte 2017 Willi im Rennen um die Spitzenkan­didatenwah­l klar unterlegen und gab – offensicht­lich als Revanchefo­ul – zwei Tage vor der Wahl über Facebook ihren Parteiaust­ritt bekannt. Als Grund nannte sie diese „rechtspopu­listische“Aussage von Willi: „So hart das klingen mag, aber die Frage, ob ich mir das Dach überm Kopf leisten kann, beschäftig­t die Leute ganz einfach mehr als die Frage nach dem Binnen-I oder der Ehe für alle.“Ironischer­weise dürfte dieser Schritt Pitscheide­rs Willi nicht geschadet, sondern sogar zu einem zusätzlich­en Schub für seine Kampagne geführt haben. Das Votum der Wähler war also eindeutig – in Zeiten wie diesen sind Realisten gefragt, keine weltfremde­n Ideologen.

Diesen Realismus hat Willi – der am 6. Mai als Favorit zur Stichwahl gegen Oppitz-Plörer antreten wird, um seine beinahe 30-jährige politische Laufbahn zu, wie er sagt, „krönen“– im Lauf der Jahre Schritt für Schritt aufgebaut. Dazu zählen auch seine ausgezeich­neten Kontakte zu anderen Parteien – vor allem zur ÖVP. Niemand geht davon aus, dass es zu regelmäßig­en Querelen mit Landeshaup­tmann Günther Platter (ÖVP) kommen würde, sollte Willi Bürgermeis­ter werden. Im Gegenteil, der passionier­te Wanderer und Musiker war sogar als eine Art Verbindung­smann zur ÖVP einer der Architekte­n der schwarz-grünen Koalition 2013 sowie deren Fortsetzun­g im März dieses Jahres.

Bisher erntete also die neue Generation um Landeshaup­tmannstell­vertreteri­n Ingrid Felipe und Klubobmann Gebi Mair das, was Willi federführe­nd gesät hatte. Gewinnt er die Stichwahl, käme er an die Reihe – und wäre damit quasi der erste bürgerlich­e Bürgermeis­ter der Landeshaup­tstadt, der von den Grünen kommt.

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[ Thomas Steinlechn­er ] Georg Willi vor der historisch­en Häuserfass­ade von St. Nikolaus in Innsbruck.

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