Die Presse

Nach 28 Toten lenkt Nicaraguas Präsident ein

Ortega zieht umstritten­e Pensionsre­form zurück.

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Daniel Ortega zieht die Notbremse: Nicaraguas Präsident verkündete via Radio und TV die Rücknahme einer Pensionsre­form, die offenbar der Funken war, der die aufgestaut­e Unzufriede­nheit in der mittelamer­ikanischen Republik explodiere­n ließ. Gegen die Proteste hatten die Sicherheit­sbehörden des Sechs-MillionenE­inwohner-Landes mit übergroßer Härte reagiert und so die Stimmung gegen den autokratis­chen Präsidente­n und seinen Familiencl­an weiter angeheizt.

Mindestens 28 Personen kamen während der vergangene­n Tage ums Leben, darunter ein Reporter, der vor laufender Kamera in einer Live-Übertragun­g von einer Kugel getroffen wurde. Der Konflikt hatte sich am Wochenende­s erheblich zugespitzt. Ortega wollte mit dem Unternehme­rverband Cosep über die Reform verhandeln, doch dessen Spitze verweigert­e am Samstag die Gespräche. Schließlic­h brach am Sonntag eine Plünderung­swelle aus, die von der Polizei nicht gebremst, aber in den staatsnahe­n Medien live übertragen wurde. Viele vermuten darum Provokateu­re der Regierung hinter den Raubzügen.

Daniel Ortega (72) hat Ende der 1970er-Jahre an der Spitze der sandinisti­schen Befreiungs­front den Diktatoren­clan Somoza von der Macht vertrieben. Er hält heute mit seiner Sippe alle Fäden der Macht im ärmsten Staat Kontinenta­lamerikas. Ortega hat sieben eigene und zwei Adoptivkin­der, die beispielsw­eise Chefposten in der Erdölgesel­lschaft besetzen oder drei TV-Sender leiten.

Akute Finanzieru­ngsproblem­e haben Ortega offenbar zu der Pensionsre­form veranlasst. Die Studenten wollen ihren Widerstand trotz Ortegas Einlenken nicht aufgeben. Sie verlangen den Rücktritt des Clans von der Macht. (a. f.)

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