Stärkerer Schutz für Informanten
Transparenz. Die Kommission schlägt einheitliche Regeln für Whistleblower vor, die Missstände in Behörden oder Unternehmen aufdecken. Im eigenen Haus hat sie damit wenig Freude.
Brüssel. Das Ende des Schweizer Bankgeheimnisses für Steuerbetrüger, die Klagewelle gegen die betrügerischen Abgastests deutscher Autokonzerne, die Offenbarung des Diebstahls der persönlichen Daten von mehr als 80 Millionen Facebook-Nutzern: All diese Ereignisse eint, dass sie von Hinweisgebern (englisch Whistleblowern) ins Rollen gebracht worden waren, die trotz der Gefahr, ihre berufliche Karriere damit zu vernichten, mit vertraulichen Informationen über diese Missstände an die Öffentlichkeit gingen.
Mit langer Verzögerung hat die Europäische Kommission nun den Vorschlag für eine Richtlinie präsentiert, welche die in den Mitgliedstaaten entweder nicht existenten oder einander widersprechenden gesetzlichen Vorgaben für den Schutz solcher Informanten vereinheitlichen und verstärken soll.
Schweigen über Korruption
In den Augen der Kommission ist der Schutz von Hinweisgebern entscheidend für die wirksame Verteidigung gleich mehrerer öffentlicher Interessen der Bürger Europas. Dies sei ebenso „essenziell, damit investigativer Journalismus seine Rolle als Aufpasser wahrnehmen kann“, wie es für die wirksame Umsetzung von EURecht nötig sei, heißt es in der Einleitung des Entwurfs. Über diesen müssen allerdings noch die nationalen Regierungen und das Europaparlament entscheiden.
Aus Angst vor Repressalien halten jedoch die meisten Arbeitnehmer still, wenn sie von Malversationen im Betrieb oder dem Amt erfahren. 81 Prozent der Europäer erklärten voriges Jahr in einer Eurobarometer-Umfrage, sie würden Korruption nicht melden. Das ist schlecht für den Binnenmarkt, das Herzstück der Union, welches auf mehr oder weniger fairem Wettbe- werb fußt – vor allem, wenn es um die Vergabe staatlicher Aufträge geht: 5,8 Milliarden bis 9,6 Milliarden Euro an Schaden durch zu teure Auftragsvergaben könnten laut Kommission jährlich in Europa vermieden werden, gäbe es besseren Schutz für Hinweisgeber.
Die Kommission schlägt das nun also vor. Wer guten Willens – also ohne Missbrauchsabsicht – von Dingen erfährt, die nach Korruption oder sonstiger Gesetzwid- rigkeit riechen, soll dies zuerst intern und, nach verstrichener Dreimonatsfrist, bei speziell dafür ausgerichteten staatlichen Stellen melden können, ohne im Gegenzug eine Verurteilung wegen Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen oder Rufschädigung fürchten zu müssen. Um diesen Schutz zu garantieren, müssten alle Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten oder mehr als zehn Millionen Euro Jahresumsatz sowie alle öffentlichen Körperschaften bis hin zu Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern Ansprechpartner fachlich schulen und die Vertraulichkeit der Hinweisgeber und ihrer Angaben sicherstellen.
Die Grundregel „Zuerst intern, dann extern melden“soll für Hinweisgeber jedoch dann aufgehoben werden, wenn sie davon ausgehen müssen, dass die internen Kanäle ihre Zwecke nicht erfüllen, weil sie Repressalien befürchten müssten, ihre Vertraulichkeit nicht geschützt würde oder die Missetäter mit den Behörden unter einer Decke stecken oder Gefahr im Verzug sei. In derartigen Fällen gelte der Hinweisgeberschutz auch für jene, die direkt mit Medien in Kontakt treten.
Eigene Transparenz behindert
Die Kommission erhielt aus dem EU-Parlament Beifall für ihren Vorschlag. allerdings muss sie sich dem Vorwurf stellen, seit Jahren die Veröffentlichung von Missständen im eigenen Haus erschwert zu haben. Als der Journalist Jean Quatremer von der französischen Tageszeitung „Liberation“´ neulich ein Arbeitsdokument der Kommission veröffentlichte, das den scheidenden Kommissaren zweifelhafte Vergünstigungen in Aussicht stellte, wurde dies vom Sprecherdienst der Behörde als Erfindung abgewimmelt – selbst dann noch, als er das Papier in ausgedruckter Form vor die Kameras hielt.
Betrug. Die EU-Kommission will mit neuen Regeln Whistleblower besser schützen. Der Vorschlag soll einen EU-weiten Rechtsschutz für Informanten gewährleisten, die den Bruch von Gesetzen oder systematischen Betrug gemeldet haben. Gleichzeitig sollen die Betroffenen vor Vergeltungsmaßnahmen wie Entlassungen oder Herabstufungen bewahrt werden.