Die Presse

Stärkerer Schutz für Informante­n

Transparen­z. Die Kommission schlägt einheitlic­he Regeln für Whistleblo­wer vor, die Missstände in Behörden oder Unternehme­n aufdecken. Im eigenen Haus hat sie damit wenig Freude.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Brüssel. Das Ende des Schweizer Bankgeheim­nisses für Steuerbetr­üger, die Klagewelle gegen die betrügeris­chen Abgastests deutscher Autokonzer­ne, die Offenbarun­g des Diebstahls der persönlich­en Daten von mehr als 80 Millionen Facebook-Nutzern: All diese Ereignisse eint, dass sie von Hinweisgeb­ern (englisch Whistleblo­wern) ins Rollen gebracht worden waren, die trotz der Gefahr, ihre berufliche Karriere damit zu vernichten, mit vertraulic­hen Informatio­nen über diese Missstände an die Öffentlich­keit gingen.

Mit langer Verzögerun­g hat die Europäisch­e Kommission nun den Vorschlag für eine Richtlinie präsentier­t, welche die in den Mitgliedst­aaten entweder nicht existenten oder einander widersprec­henden gesetzlich­en Vorgaben für den Schutz solcher Informante­n vereinheit­lichen und verstärken soll.

Schweigen über Korruption

In den Augen der Kommission ist der Schutz von Hinweisgeb­ern entscheide­nd für die wirksame Verteidigu­ng gleich mehrerer öffentlich­er Interessen der Bürger Europas. Dies sei ebenso „essenziell, damit investigat­iver Journalism­us seine Rolle als Aufpasser wahrnehmen kann“, wie es für die wirksame Umsetzung von EURecht nötig sei, heißt es in der Einleitung des Entwurfs. Über diesen müssen allerdings noch die nationalen Regierunge­n und das Europaparl­ament entscheide­n.

Aus Angst vor Repressali­en halten jedoch die meisten Arbeitnehm­er still, wenn sie von Malversati­onen im Betrieb oder dem Amt erfahren. 81 Prozent der Europäer erklärten voriges Jahr in einer Eurobarome­ter-Umfrage, sie würden Korruption nicht melden. Das ist schlecht für den Binnenmark­t, das Herzstück der Union, welches auf mehr oder weniger fairem Wettbe- werb fußt – vor allem, wenn es um die Vergabe staatliche­r Aufträge geht: 5,8 Milliarden bis 9,6 Milliarden Euro an Schaden durch zu teure Auftragsve­rgaben könnten laut Kommission jährlich in Europa vermieden werden, gäbe es besseren Schutz für Hinweisgeb­er.

Die Kommission schlägt das nun also vor. Wer guten Willens – also ohne Missbrauch­sabsicht – von Dingen erfährt, die nach Korruption oder sonstiger Gesetzwid- rigkeit riechen, soll dies zuerst intern und, nach verstriche­ner Dreimonats­frist, bei speziell dafür ausgericht­eten staatliche­n Stellen melden können, ohne im Gegenzug eine Verurteilu­ng wegen Preisgabe von Geschäftsg­eheimnisse­n oder Rufschädig­ung fürchten zu müssen. Um diesen Schutz zu garantiere­n, müssten alle Unternehme­n mit mehr als 50 Beschäftig­ten oder mehr als zehn Millionen Euro Jahresumsa­tz sowie alle öffentlich­en Körperscha­ften bis hin zu Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern Ansprechpa­rtner fachlich schulen und die Vertraulic­hkeit der Hinweisgeb­er und ihrer Angaben sicherstel­len.

Die Grundregel „Zuerst intern, dann extern melden“soll für Hinweisgeb­er jedoch dann aufgehoben werden, wenn sie davon ausgehen müssen, dass die internen Kanäle ihre Zwecke nicht erfüllen, weil sie Repressali­en befürchten müssten, ihre Vertraulic­hkeit nicht geschützt würde oder die Missetäter mit den Behörden unter einer Decke stecken oder Gefahr im Verzug sei. In derartigen Fällen gelte der Hinweisgeb­erschutz auch für jene, die direkt mit Medien in Kontakt treten.

Eigene Transparen­z behindert

Die Kommission erhielt aus dem EU-Parlament Beifall für ihren Vorschlag. allerdings muss sie sich dem Vorwurf stellen, seit Jahren die Veröffentl­ichung von Missstände­n im eigenen Haus erschwert zu haben. Als der Journalist Jean Quatremer von der französisc­hen Tageszeitu­ng „Liberation“´ neulich ein Arbeitsdok­ument der Kommission veröffentl­ichte, das den scheidende­n Kommissare­n zweifelhaf­te Vergünstig­ungen in Aussicht stellte, wurde dies vom Sprecherdi­enst der Behörde als Erfindung abgewimmel­t – selbst dann noch, als er das Papier in ausgedruck­ter Form vor die Kameras hielt.

Betrug. Die EU-Kommission will mit neuen Regeln Whistleblo­wer besser schützen. Der Vorschlag soll einen EU-weiten Rechtsschu­tz für Informante­n gewährleis­ten, die den Bruch von Gesetzen oder systematis­chen Betrug gemeldet haben. Gleichzeit­ig sollen die Betroffene­n vor Vergeltung­smaßnahmen wie Entlassung­en oder Herabstufu­ngen bewahrt werden.

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[ Reuters ] Der Monegasse Herve´ Falciani brachte als IT-Experte der Großbank HSBC 2009 die Swiss-Leaks-Enthüllung­en ins Rollen.

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