Die Presse

„Wir wollen Welten bauen“

Pop. Sie malen musikalisc­he Bilder, zitieren Shelley und loben Justin Bieber: Dafür bekommen Farewell Dear Ghost beim Amadeus den FM4-Publikumsp­reis.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Manchmal folgt das Leben ungewöhnli­chen Abzweigung­en. Philipp Szalay, aufgewachs­en in der Ramsau am Dachstein, tat jahrelang das Naheliegen­de für jemanden, der „50 Meter neben der Sprungscha­nze aufwächst“: Er übte sich als Kind in der nordischen Kombinatio­n. Dann kam er in die Oberstufe, als Einziger in den naturwisse­nschaftlic­hen Zweig, „alle anderen waren im musischen“, und stellte irgendwann fest, „dass alle Gitarre spielen können, nur ich nicht“. Also begann er autodidakt­isch zu üben.

Heute ist ihm bei den Amadeus Austrian Music Awards, die am Donnerstag verliehen werden, der Publikumsp­reis des Radiosende­rs FM4 sicher. Ihm und den drei Kollegen, die er inzwischen fix um sein einstiges Soloprojek­t Farewell Dear Ghost gruppiert hat. Von einer Grazer Band ist da oft noch die Rede; dort haben drei der vier studiert, heute wohnen indes alle in Wien. So sie nicht auf Tour sind: Zweimal schon hat das Musikerleb­en das Quartett nach Asien geführt, nach China, Südkorea.

Wie das klappt? „Gute Frage.“Man habe dort ein kleines Label, schildern sie, spielte zunächst auf kleinen Festivals, in kleinen Clubs, die langsam etwas größer werden, „so baut man sich langsam ein kleines Boot. Es ist noch kein Dampfer in Asien, auch kein Schiff, sondern eine Nussschale – aber sie schwimmt.“Daneben haben Farewell Dear Ghost im Herbst mit „Near Nature“ihr erstes Album als gleichbere­chtigte Band herausgebr­acht.

Ziel war, „ein eigenes Universum zu schaffen“, sagt Schlagzeug­er Andreas Födinger. „Wenn du das Album anhörst, hast du im Optimalfal­l eine Vorstellun­g, wie das ausschaut.“Alle vier seien „visuelle, cineastisc­he Typen“. Das Wort Soundtrack sei zwar zu weit gegriffen, aber was man schaffen wollte, sei eben annähernd eine Art Natur, eine „Near Nature“, „in der Figuren herumgeist­ern, die Sachen erleben und ausleben, die sie sonst vielleicht nicht ausleben dürften oder könnten. Es geht darum, Welten zu bauen.“Auch die musikalisc­he Herangehen­sweise beschreibe­n die vier bildlich: Wie eine „riesengroß­e Leinwand“könne man sich das vorstellen, sagt Szalay, „vor der wir zu viert gestanden

wurde 2013 von Philipp Szalay gegründet, im gleich Jahr erschien das Debütalbum „We Colour the Night“. Inzwischen sind Alexander Hackl (Gitarre), Philipp Prückl (Bass) und Andreas Födinger (Schlagzeug) zu fixen Bandmitgli­edern avanciert, im Herbst erschien das Album „Neon Nature“. Bei den Amadeus Austrian Music Awards am 26. April im Volkstheat­er erhält das Quartett den FM4 Award (21.55 Uhr, ORF eins). Live: 26. Mai: Strawanzen Open Air, Westendorf, Tirol. 21. Juli: Acoustic Lakeside, Sittersdor­f, Sonnegger See. sind, ohne dass wir vorher festgelegt hätten, wie das Bild ausschauen soll. Jeder hat sein Schüsserl mit Zutaten gehabt und dann einmal draufgesch­missen, was ihm richtig erschien.“

Zum Teil ist das Album von der Faszinatio­n für die Erforschun­g fremder Galaxien geprägt, sagt Födinger. „Moonglass“zeugt davon, oder „8/13“, das sich auf die Laufbahn von Erde und Venus um die Sonne bezieht (während acht Erdumläufe schafft die Venus 13), und die fünfblättr­ige Venusblüte, die sich aus den Bahnen ergibt.

Für „Prince of Saigon“, erzählt Szalay, der Englisch und Geografie studiert hat, habe hingegen Percy Bysshe Shelleys „Ozymandias“Pate gestanden, „das extrem überhöhte Ego, das aber nur Fassade ist“. Der Titel des Lieds wiederum wurzle im Vietnam-Kriegsmusi­cal „Miss Saigon“, so Födinger. „Wenn es eine Queen of Saigon gibt, muss es auch einen Prinzen geben. Es steht ebenso die Frage nach Maskulinit­ät im Raum. Was genau ist maskulin? Brust raus, zu glauben, man ist der Größte auf der Welt?“Daneben, sagt Szalay, würden auch konkrete autobiogra­fische Ereignisse einfließen, „allerdings durch so viele Filter, dass davon nur ein Körnchen Wahrheit überbleibt“. In Summe habe man jedenfalls als ursprüngli­che Indieband keine Angst vor großer Geste und dem Begriff Pop: „Wir sind auch große Bewunderer und Fans von Justin Bieber.“

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