Die Presse

Pensionsal­ter anheben – und was dann?

Wo bleiben die Sozialpart­ner, wenn man sie einmal wirklich braucht?

- Josef.urschitz@diepresse.com

Österreich ist EuropaSchl­usslicht bei Arbeitsmod­ellen für Ältere, hat IHSChef Martin Kocher neulich gesagt. Und so sieht die Beschäftig­ungsquote der über 55-Jährigen auch aus: In Österreich haben blamable 52,2 Prozent noch einen Job. Das ist meilenweit vom EUSchnitt (57,7 Prozent) und dem der OECD (60,8 Prozent) entfernt. Und Lichtjahre von den Werten Deutschlan­ds (70,9 Prozent) und Schwedens (76,4 Prozent).

Wenn wir davon ausgehen, dass österreich­ische Arbeitnehm­er nicht wesentlich arbeits- und weiterbild­ungsunwill­iger als Deutsche sind, lässt das nur einen Schluss zu: Die heimische Arbeitsmar­ktpolitik ist, was die Altersbesc­häftigung anbelangt, ein Musterbeis­piel für Totalversa­gen.

In dieser Situation von einer Anhebung des Pensionsan­trittsalte­rs zu sprechen, ist reine Chuzpe. Erstens sind wir vom geltenden gesetzlich­en Pensionsal­ter von 65 Jahren noch sehr weit entfernt. Und selbst die Angleichun­g an dieses bringt dem Staat noch nichts, wenn es sich vielfach nur um eine Umschichtu­ng von der Notstandsh­ilfe in die Pension handelt.

Das heißt: Es bringt schon was. Die Pensionen sind dadurch beträchtli­ch niedriger. Auch eine Art von Pensionsre­form, wenngleich die mit Abstand unsozialst­e. Man

kann es drehen und wenden, wie man will: Wir sehen hier ein krasses Versagen der Sozialpart­ner: Arbeitgebe­rorganisat­ionen rufen zwar gern (und zu Recht) nach höherem Pensionsan­trittsalte­r, schaffen es aber nicht, ihren Mitglieder­n zu verklicker­n, dass ein Arbeitnehm­er in der Regel mit 45 (ja, ab da wird es schon schwierig) noch nicht zum alten Eisen gehört. Gewerkscha­ften und Arbeiterka­mmer haben sich im Frühpensio­nsparadies recht gut eingericht­et und verteidige­n dort, wo das UltraFrühp­ensionspri­vileg noch existiert, dieses mit Zähnen und Klauen. Und beide zusammen schaffen es nicht, Kollektivv­erträge so zu gestalten, dass ältere Arbeitnehm­er nicht aus Kostengrün­den aus dem Markt gepreist werden.

Hier hätten die Sozialpart­ner einmal Gelegenhei­t, ihre Existenzno­twendigkei­t zu beweisen. Also: Wo bleiben sie, wenn man sie einmal wirklich braucht?

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