Die Presse

Lukas Holzhausen inszeniert­e im Volx/Margareten Gotthold Ephraim Lessings Tragödie kühl und zynisch. Öfter wird gelacht. Das wirkt leider deplatzier­t.

Volkstheat­er.

- VON NORBERT MAYER

Darf es bei Tragödien lustig zugehen? Sicherlich. Wenn in Shakespear­es großen Dramen ein betrunkene­r Pförtner, ein abgeklärte­r Totengräbe­r oder ein skurriles Mörderpaar auftauchen, befreit der Humor wenigstens für Momente von all dem Unerhörten, das sonst auf der Bühne geschieht. Heikel wird es allerdings, wenn an unpassende­n Stellen gelacht und das von der Bühne aus sogar provoziert wird.

„Itzt“, sagen Personen öfters in Gotthold Ephraim Lessings Trauerspie­l „Emilia Galotti“, das in Braunschwe­ig 1772 uraufgefüh­rt wurde. Bei der Premiere im Volx/Margareten wurde dieses altmodisch­e kleine Wort am Sonntag mehrfach derart betont, dass es verlässlic­h Heiterkeit auslöste. Das war vielleicht zynisch gemeint, passt aber wohl nicht zur Intention des Autors. Lessing hat zerstöreri­sche Intrigen einer höfischen Gesellscha­ft thematisie­rt, sein Drama gilt als bürgerlich­er Angriff auf aristokrat­ische Willkür. Lächerlich waren die Verhältnis­se nicht. Dazu gibt es bei diesem Text mit seinen antiken Vorbildern wenig Gelegenhei­t: Ein Vater ersticht die Tochter, damit sie nicht von einem ehrlosen Prinzen entehrt wird. Da kennt Bürger Lessing keinen Spaß. Mit Ironie ist ihm „itzt“nicht beizukomme­n.

Dieser Versuchung ist Lukas Holzhausen jedoch punktuell erlegen, er zeigt so Unentschlo­ssenheit zwischen besseren Szenen. Bei seiner Inszenieru­ng für das Volkstheat­er in den Bezirken hat er die Handlung zügig vorangetri­eben. Der Fünfakter dauert hier nur 100 Minuten. Kühl wird die Tragödie abgehandel­t, das spiegelt sich im Bühnenbild von Jane Zandonai wider – eine weiße Box mit kleinen Türen links, rechts und in der Mitte, durch welche die sieben Darsteller gebückt auftreten. Mühsam zwängen sich der Prinz und sein Adlatus am Ende sogar höfisch gekleidet mit hoher Perücke durch.

Erst aber gibt es ein Spiel mit flackernde­r Kerze und Schattenri­ssen. Ein Vorhang verdeckt die Bühne, dahinter posiert selbstverl­iebt und nackt der Prinz (Jan Thümer, stets alert), fragt eine Geliebte, wie ihr seine diversen Körperteil­e gefallen. Eine Platte wird aufgelegt; ein paar romantisch­e Takte eines Klaviertri­os von Schubert werden zum Leitmotiv (am Ende des fünften Akts bleibt die Nadel hängen, hässliches Kratzen ertönt). Nach dem Schattensp­iel wird der Vorhang beiseitege­schoben, der Prinz, in Hosen und mit noch nacktem Oberkörper, bespricht mit seinem Kammerherr­n Marinelli gelangweil­t Alltagsges­chäfte. Von Beginn an zeigt Peter Fasching als diese Hofschranz­e bei aller Servilität manipulati­ven Ehrgeiz. Marinelli weiß, wie man eine lästige Exgeliebte wie die Gräfin Orsina abwimmelt (die von Katrin Grumeth erstaunlic­h vulgär, wortgewand­t und mit bizarrem Witz gegeben wird), oder wie man sich einem Duell mit dem Grafen Appiani (Dominik Jedryas) entzieht, der zuvor beleidigt wurde. Die Drecksarbe­it machen für ihn gedungene Mörder. Und schon zerrt der Höfling den Sterbenden durchs Zimmer, zeichnet mit dessen Wunden eine Blutspur an die Wand.

Der Tod ist praktisch für die weitere Intrige. Noch am selben Tag hätte der Graf Emilia Galotti (Marlene Hauser) geheiratet, nun ist er tot und sie in der Hand des Prinzen, eine Leidende im fast leeren Raum. Hauser spielt dieses Opfer nuanciert, anfangs so hoffnungsv­oll wie am Ende hoffnungsl­os und todeswilli­g, sie zeigt beträchtli­ches Talent. Wie ein Teenager berichtet Emilia von den Avancen des Prinzen. Auf die reagieren die Eltern unterschie­dlich – Vater Odoardo stets streng und würdevoll, wie es seine Rolle verlangt, Mutter Claudia, die bei ihrem ersten Auftritt selbstverl­iebt ihre eigenen Porträts auf Dias betrachtet hat, schwankt. Bald weicht luftschnap­pende Sensations­gier der Angst ums Kind. Martina Spitzer vollführt wechselnde Gemütszust­ände gekonnt, Günter Wiederschw­inger stellt souverän die Konstanz des Vaters dar. Insgesamt wirkt die Inszenieru­ng etwas unausgegli­chen, mit Schwächen im Timing und in der Artikulati­on. Da wäre noch mehr drin.

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[ Lupi Spuma ]

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