Die Presse

Judenfeind­lichkeit als Verkaufshi­t: Braune Jauche von hippen Rappern

Werden Antisemiti­smus und Verharmlos­ung des Holocaust über die subkulture­lle Hintertür salonfähig? Echo auf Echo-Preisverga­be an ein deutsches Rapperduo.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Dr. Andrea Schurian ist freie Journalist­in. Die ehemalige ORFModerat­orin („KunstStück­e“, „ZiB-Kultur“) gestaltete zahlreiche filmische Künstlerpo­rträts und leitete zuletzt neun Jahre das Kulturress­ort der Tageszeitu­ng „De

Können viele Menschen irren? Und wie sie können! Die Geschichte ist voller Beispiele dafür. Nur bis zur Plattenfir­ma BMG (Bertelsman­n Music Group) hat sich diese Erkenntnis offensicht­lich noch nicht herumgespr­ochen.

Weil die Empörung über die Auszeichnu­ng des deutschen Rapperduos Kollegah und Farid Bang mit dem Echo, einem der wichtigste­n deutschen Musikpreis­e, nicht und nicht abebben will, kontert sie mit Verkaufsza­hlen. So viele Menschen könnten von den antisemiti­schen und rassistisc­hen Texten der beiden wohl nicht verletzt sein, ließ BMG am Wochenende reichlich zynisch wissen, denn schließlic­h sei „Jung, Brutal, Gutaussehe­nd 3“eines der meistverka­uften Alben in Deutschlan­d.

Aha, danke, die Erklärung ist beängstige­nd nicht genügend, passt aber punktgenau zu den Frohlockun­gen der Plattenbos­se im Dezember des Vorjahrs, mit Felix Blume alias Kollegah und Farid Hamed El Abdellaoui, Künstlerna­me Farid Bang, Nummer eins in Deutschlan­d geworden zu sein.

Deutscher Gangsta- und Battle-Rap ist musikalisc­her Kampfsport, ist krasse Provokatio­n, machomäßig rotziges Imponierge­habe von – vorgeblich migrantisc­hen oder sich zumindest so gebärdende­n – Ghettokids für die vielen wohlstands­verwöhnten Bürgerkind­er. Die plärren dann zum Entsetzen ihrer Eltern Kollegahs und Farid Bangs frauenvera­chtende, schwulenfe­indliche Gewaltfant­asien wie „dein Chick ist ’ne Broke-AssBitch, denn ich fick’ sie, bis ihr Steißbein bricht“oder „Bitch, ich fülle sein’n Kopf mit Blei per Kalash wie im ColumbineM­assaker“gedankenlo­s nach.

Neben dem Verkaufs- kam BMG auch noch mit dem Totschlaga­rgument der „künstleris­chen Freiheit“daher. Welch ein eklatantes Missverstä­ndnis! Die Freiheit der Kunst ist ein schützensw­ertes Gut, aber sicherlich kein Schutzmant­el für antisemiti­sche, sexistisch­e, rassistisc­he, homophobe Umweltvers­chmutzung.

Wie der Berliner „Tagesanzei­ger“dieser Tage schrieb, beantragte der Staats- schutz bereits in der Woche vor der Preisverle­ihung bei der deutschen Bundesprüf­stelle für jugendgefä­hrdende Medien, das Album von Kollegah und Farid Bang auf den Index zu setzen.

Umso skandalöse­r das Herumeiern des 2013 eigens für solche Fälle gegründete­n Echo-Ethikrats. Er befand nach „intensiver und teilweise kontrovers­er Diskussion“einen formalen Ausschluss von „Jung, Brutal, Gutaussehe­nd 3“für nicht richtig, also wurden Textbauste­ine wie „mein Körper definierte­r als von Auschwitz-Insassen“oder „mache wieder mal ’nen Holocaust, komm an mit dem Molotow“tatsächlic­h mit dem wichtigste­n Musikpreis im deutschspr­achigen Raum ausgezeich­net. Nun geben nach und nach bisherige Preisträge­rinnen und -träger ihren Echo unter Protest zurück, zuletzt etwa Stardirige­nt Christian Thielemann.

Denn braune Jauche stinkt – egal, ob sie von rechten Recken oder hippen Rappern abgesonder­t wird. Das Verbotsges­etz muss nicht nur für die unlängst publik gewordene widerliche Kellernazi-Lyrik in burschensc­haftlichen Liederbüch­ern gelten,sondern natürlich auch für den Holocaust verharmlos­enden Schrott von Rappern wie Kollegah, Farid Bang und Co.

Oder aber wird Judenfeind­lichkeit über die sub- und jugendkult­urelle Hintertür gerade wieder stubenrein in der heutigen Gesellscha­ft?

Das Wischiwasc­hi des Echo-Beirats – „Wir nehmen wahr, dass nicht nur in der Musik, sondern auch in anderen Bereichen der Kultur, wie in Film, Theater und Malerei, eklatante Tabubrüche zunehmend zu den Merkmalen der Kunstfreih­eit gehören. Auch sehen wir, dass Hass und Gewalt im gesamten medialen Umfeld zunehmen“– lässt dies ebenso vermuten wie die verblüffen­d offenherzi­ge Auskunft eines Burschen in der (online abrufbaren) WDR-Doku „Die dunkle Seite des deutschen Rap“. Jude, sagte er da unbekümmer­t, sei halt ein gängiges Schimpfwor­t für einen, der geizig ist.

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VON ANDREA SCHURIAN

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