Judenfeindlichkeit als Verkaufshit: Braune Jauche von hippen Rappern
Werden Antisemitismus und Verharmlosung des Holocaust über die subkulturelle Hintertür salonfähig? Echo auf Echo-Preisvergabe an ein deutsches Rapperduo.
Können viele Menschen irren? Und wie sie können! Die Geschichte ist voller Beispiele dafür. Nur bis zur Plattenfirma BMG (Bertelsmann Music Group) hat sich diese Erkenntnis offensichtlich noch nicht herumgesprochen.
Weil die Empörung über die Auszeichnung des deutschen Rapperduos Kollegah und Farid Bang mit dem Echo, einem der wichtigsten deutschen Musikpreise, nicht und nicht abebben will, kontert sie mit Verkaufszahlen. So viele Menschen könnten von den antisemitischen und rassistischen Texten der beiden wohl nicht verletzt sein, ließ BMG am Wochenende reichlich zynisch wissen, denn schließlich sei „Jung, Brutal, Gutaussehend 3“eines der meistverkauften Alben in Deutschland.
Aha, danke, die Erklärung ist beängstigend nicht genügend, passt aber punktgenau zu den Frohlockungen der Plattenbosse im Dezember des Vorjahrs, mit Felix Blume alias Kollegah und Farid Hamed El Abdellaoui, Künstlername Farid Bang, Nummer eins in Deutschland geworden zu sein.
Deutscher Gangsta- und Battle-Rap ist musikalischer Kampfsport, ist krasse Provokation, machomäßig rotziges Imponiergehabe von – vorgeblich migrantischen oder sich zumindest so gebärdenden – Ghettokids für die vielen wohlstandsverwöhnten Bürgerkinder. Die plärren dann zum Entsetzen ihrer Eltern Kollegahs und Farid Bangs frauenverachtende, schwulenfeindliche Gewaltfantasien wie „dein Chick ist ’ne Broke-AssBitch, denn ich fick’ sie, bis ihr Steißbein bricht“oder „Bitch, ich fülle sein’n Kopf mit Blei per Kalash wie im ColumbineMassaker“gedankenlos nach.
Neben dem Verkaufs- kam BMG auch noch mit dem Totschlagargument der „künstlerischen Freiheit“daher. Welch ein eklatantes Missverständnis! Die Freiheit der Kunst ist ein schützenswertes Gut, aber sicherlich kein Schutzmantel für antisemitische, sexistische, rassistische, homophobe Umweltverschmutzung.
Wie der Berliner „Tagesanzeiger“dieser Tage schrieb, beantragte der Staats- schutz bereits in der Woche vor der Preisverleihung bei der deutschen Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, das Album von Kollegah und Farid Bang auf den Index zu setzen.
Umso skandalöser das Herumeiern des 2013 eigens für solche Fälle gegründeten Echo-Ethikrats. Er befand nach „intensiver und teilweise kontroverser Diskussion“einen formalen Ausschluss von „Jung, Brutal, Gutaussehend 3“für nicht richtig, also wurden Textbausteine wie „mein Körper definierter als von Auschwitz-Insassen“oder „mache wieder mal ’nen Holocaust, komm an mit dem Molotow“tatsächlich mit dem wichtigsten Musikpreis im deutschsprachigen Raum ausgezeichnet. Nun geben nach und nach bisherige Preisträgerinnen und -träger ihren Echo unter Protest zurück, zuletzt etwa Stardirigent Christian Thielemann.
Denn braune Jauche stinkt – egal, ob sie von rechten Recken oder hippen Rappern abgesondert wird. Das Verbotsgesetz muss nicht nur für die unlängst publik gewordene widerliche Kellernazi-Lyrik in burschenschaftlichen Liederbüchern gelten,sondern natürlich auch für den Holocaust verharmlosenden Schrott von Rappern wie Kollegah, Farid Bang und Co.
Oder aber wird Judenfeindlichkeit über die sub- und jugendkulturelle Hintertür gerade wieder stubenrein in der heutigen Gesellschaft?
Das Wischiwaschi des Echo-Beirats – „Wir nehmen wahr, dass nicht nur in der Musik, sondern auch in anderen Bereichen der Kultur, wie in Film, Theater und Malerei, eklatante Tabubrüche zunehmend zu den Merkmalen der Kunstfreiheit gehören. Auch sehen wir, dass Hass und Gewalt im gesamten medialen Umfeld zunehmen“– lässt dies ebenso vermuten wie die verblüffend offenherzige Auskunft eines Burschen in der (online abrufbaren) WDR-Doku „Die dunkle Seite des deutschen Rap“. Jude, sagte er da unbekümmert, sei halt ein gängiges Schimpfwort für einen, der geizig ist.