Die Presse

Bayerns Regierung fliegen Sicherheit­sgesetze um die Ohren

Deutschlan­d. Nach heftiger Kritik entschärft­e der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder ein neues Psychiatri­egesetz: Psychisch Kranke hätten demnach wie verurteilt­e Straftäter behandelt werden können. Ein Polizeiges­etz weckt Ängste vor einer Totalüber

- Von unserem Mitarbeite­r PAUL KREINER

Wenn das kein Fortschrit­t ist: „Nunmehr wird der Maschineng­ewehreinsa­tz gegen eine Menschenme­nge gesetzlich verboten.“So steht es tatsächlic­h im neuen Polizeiauf­gabengeset­z, besser gesagt in der Begründung, mit welcher die Bayerische Landesregi­erung ihren Entwurf anpreist.

Weitaus eindeutige­r nimmt sich der bayerische Fortschrit­t im ursprüngli­chen Gesetzesen­twurf zur Hilfe für psychisch Kranke aus. Da steht nämlich in den ersten vier Artikeln, dass der Freistaat flächendec­kende und rund um die Uhr besetzte Krisendien­ste einrichten will. Die „wesentlich­en Belastunge­n für den Staatshaus­halt“nimmt man gelassen in Kauf.

Die Fachwelt war entsetzt über die Vorlage, denn in ihren restlichen 35 Artikeln sprach sie zunächst nur über die Gefährlich­keit von psychisch Kranken, vor welcher man die Öffentlich­keit durch Polizeimaß­nahmen bewahren will. Ausdrückli­ch hat die Staatsregi­erung festgehalt­en: Psychisch Kranke, selbst jene, die noch niemandem etwas angetan haben, sollten laut dem mittlerwei­le entschärft­en Entwurf so ähnlich behandelt werden wie Personen im Maßnahmenv­ollzug – also wie gerichtlic­h verurteilt­e Straftäter, die man in der Psychiatri­e wegsperrt.

Bayerische­r „Sicherheit­swahn“

Nach Ansicht von Opposition, der Medien und Demonstran­ten belegen beide Gesetzesen­twürfe nur eins: Bayerns Landesregi­erung sei in einer Art „Sicherheit­swahn“befangen. Dass Bayern zum Polizeiund Schnüffels­taat werde, das indes bestreitet der CSU-Innenminis­ter. Joachim Herrmann sagt, man passe sich nur an geänderte Bedrohungs­lagen und an die Rechtsprec­hung des Bundesverf­assungsger­ichts an. Die Polizei darf demnach schon bei „drohender“Gefahr tätig werden; sie muss nicht mehr abwarten, bis eine Gefahr „konkret“wird. Schon im August 2017 hat die erste Neufassung des Polizeiges­etzes die Schwelle abgesenkt; seither dürfen „Gefährder“auch bei nur vagem Verdacht für praktisch unbegrenzt­e Zeit in Vorbeugeha­ft genommen werden.

Mit der Neufassung der Neufassung, die Mitte Mai im Landtag beschlosse­n werden soll, geht Bayern noch weiter. So weit, dass Experten bei einer Anhörung im Parlament vom „ersten Schritt zu einer Totalüberw­achung der Bürger“sprachen. „Eines Rechtsstaa­ts unwürdig“sei das, hieß es. Andere Juristen hingegen vertraten Herrmanns Linie: Der Rechtsstaa­t müsse seinen Herausford­erern – der Blick richtet sich vorwiegend gegen islamistis­che Angreifer – technisch und polizeirec­htlich „auf Augenhöhe begegnen“können.

Die Polizei darf künftig bei „drohender“Gefahr, nicht nur bei Terrorverd­acht, zu Fahndungsm­itteln greifen, die bisher dem Verfassung­sschutz vorbehalte­n sind. Sie darf etwa Wohnräume auch mit Drohnen überwachen, „intelligen­te Videotechn­ik“inklusive Gesichtser­kennung einsetzen und aus DNA-Spuren Phantombil­der von Gefährdern erstellen. Auch deren Umfeld darf ausspionie­rt werden, selbst ohne „konkrete“Gefahr.

Innenminis­ter Herrmann sagt, man wolle „beschützen, nicht überwachen“; mit mehr Richtervor­behalten als bisher bringe sein Gesetz sogar „mehr Rechtsschu­tz für den Bürger und nicht weniger“. Der Kritik nachzugebe­n, dafür sieht Herrmann „keinerlei Anlass.“

Mit dem Psychiatri­egesetz indes machte Markus Söder als neuer Regierungs­chef kurzen Prozess: Der Aufschrei im Land war ihm als Wahlkämpfe­r zu laut. So korrigiert­e die Landesregi­erung am Dienstag ihren erst zwei Wochen alten Entwurf in den umstritten­sten Teilen wieder: Die „Unterbring­ungsdatei“, wo die Daten aller zwangsweis­e eingewiese­nen Patienten fünf Jahre lang gespeicher­t werden sollten, zugänglich für alle möglichen Behörden, wird gestrichen.

Die „Sprache“des Gesetzes soll mehr auf Kranke abgestellt werden; Verweise auf den Maßnahmenv­ollzug für Straftäter entfallen. In der Sache aber bleiben die Bestimmung­en erhalten. Mit der wichtigen Klarstellu­ng: Sie sollen nur gelten für Menschen, die anderen gefährlich werden können.

Kreuz in jeder Amtsstube

Wellen schlägt ein anderer Beschluss des Landeskabi­netts: Ab ab Juni muss in jeder Behörde ein Kreuz hängen. „Als Ausdruck der geschichtl­ichen und kulturelle­n Prägung Bayerns, (. . .) als sichtbares Bekenntnis zu den Grundwerte­n der Rechts- und Gesellscha­ftsordnung in Bayern“, wie die Staatskanz­lei mitteilte.

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