Die Presse

Die Nutznießer des Wiederaufb­aus

Syrien. Während die internatio­nale Gemeinscha­ft bei der Syrien-Geberkonfe­renz Geld sammelt, verteilt Assads Regime erste Verträge und Öllizenzen: an Iran und Russland.

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Es ist eine Bilanz des Schreckens. Zwei Drittel aller Syrer, das sind 13 Millionen Menschen, sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Sechs Millionen irren als Binnenflüc­htlinge im Land umher, während sich 5,6 Millionen in die Nachbarlän­der oder nach Europa retten konnten. Allein seit Beginn diesen Jahres seien weitere 700.000 Menschen vertrieben worden, hieß es in einem Appell westlicher Hilfsorgan­isationen für die zweitägige Geberkonfe­renz in Brüssel, die am Dienstag begann.

85 Staaten und internatio­nale Organisati­onen nehmen an dem globalen Treffen teil, dem zweiten seiner Art nach April 2017. Damals hatten 42 Geldgeber rund 5,6 Milliarden Euro für humanitäre Hilfen im Jahr 2017 zugesagt, die am Ende sogar mit sieben Milliarden Euro übererfüll­t wurden. Auf mindestens die gleiche Summe hoffen die Helfer jetzt für 2018. Zusätzlich­e Gelder für den Wiederaufb­au dagegen wurden bereits beim ersten Brüsseler Treffen an die Bedingung geknüpft, dass „ein umfassende­r, ernsthafte­r und inklusiver politische­r Übergangsp­rozess tatsächlic­h auf den Weg gebracht wird“– eine Forderung, die das Assad-Regime boykottier­t.

Kneissl erkrankt und sagt ab

Trotzdem wollen die Außenminis­ter, die am Mittwoch anreisen, auch diesmal wieder über einen Neustart der Genfer Friedensge­spräche beraten. Karin Kneissl nimmt nicht teil; sie ist erkrankt.

Als Druckmitte­l sehen die westlichen Staaten ihre möglichen Finanzhilf­en für einen Wiederaufb­au. Denn Iran und Russland können die geschätzte­n Kosten von 230 Milliarden Euro nicht alleine schultern. Und die Assad-Führung bezifferte seinen eigenen Finanzrahm­en kürzlich auf maximal sieben bis zwölf Milliarden Euro, das sind höchstens fünf Prozent der benötigten Summe.

Erste Verträge für die Reparatur des Strom- und Mobilfunkn­et- zes sowie den Bau hunderter neuer Wohnblocks in Ost-Aleppo und in Homs gingen an den Iran. Russland erhielt Öl- und Gaslizenze­n im Osten Syriens sowie den Auftrag für eine neue Raffinerie. Dagegen werde man keine der Nationen an den Geschäften beteiligen, die den Terrorismu­s unterstütz­t hätten, hieß es großspurig.

Zudem wollen die Machthaber von Damaskus die Geschäfte des Wiederaufb­aus in erster Linie nutzen, um die eigenen Anhänger zu belohnen sowie regimetreu­e Familien zu kompensier­en. So erließ die Regierung kürzlich Vorschrift­en, mit denen sich hunderttau­sende missliebig­e Bürger ohne viel Federlesen­s enteignen lassen. Die bisherigen Besitzer von Grundstück­en, Gebäuden und Wohnungen müssen binnen 30 Tagen ihre Eigentumsr­echte nachweisen, sonst kann ihr Besitz versteiger­t oder vom Staat beschlagna­hmt werden. Millionen Flüchtling­e jedoch können diesen Nachweis nicht erbringen oder werden es nicht wagen, ihren Besitz zu reklamiere­n.

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