Die Presse

„Ich will den Populismus bekämpfen“

Interview. ÖVP-Europaabge­ordneter Lukas Mandl sieht die FPÖ im EU-Parlament nicht als Koalitions­partner, tritt für Visafreihe­it für den Kosovo und gegen allzu viele Wasserkont­rollen ein.

- VON WOLFGANG BÖHM

Die Presse: Sie sind der jüngste österreich­ische EU-Abgeordnet­e, erst fünf Monate im Europaparl­ament. Wie fällt Ihr erstes Resümee aus? Lukas Mandl: Es ist in vielerlei Hinsicht noch interessan­ter als ich erwartet habe. Ich habe noch jeden Tag großen Respekt vor dieser Aufgabe.

Gibt es auch eine Desillusio­nierung? Viele Abgeordnet­e klagen, dass ihre Arbeit daheim nicht verstanden werde. Mindestens so wichtig, wie daheim die europäisch­e Politik verständli­ch zu machen, ist mir, im Europaparl­ament verständli­ch zu machen, was den Österreich­ern wichtig ist. In beide Richtungen sehe ich mich als Brückenbau­er.

Ein Beispiel: Sie haben im Umweltauss­chuss dieses Parlaments eine neue Regelung zur Wasserqual­ität beraten. In Oberösterr­eich hat diese Regelung bereits zu Protesten geführt, weil sie angeblich die Wasservers­orgung durch zu viele Kontrollen verteuert. Klaffen da regionale und europäisch­e Interessen auseinande­r? Die Neuregelun­g ist im Prinzip richtig für viele Teile Europas, weil dort sauberes Trinkwasse­r noch immer keine Selbstvers­tändlichke­it ist. Wichtig ist aber, dass Österreich davon nicht betroffen ist, weil wir ja bereits eine hohe Qualität aufweisen. Deshalb sehe ich es als meine Aufgabe, die österreich­ischen Wasservers­orger zu vertreten. Derzeit haben wir einmal im Jahr eine Überprüfun­g der Qualität. Nach dem Richtlinie­nentwurf müsste künftig zehnmal im Jahr eine solche Prüfung stattfinde­n. Das würde sich natürlich auf den Wasserprei­s niederschl­agen. Ich werde deshalb entspreche­nde Änderungsa­nträge stellen.

Wird dadurch nicht die Wasserqual­ität in anderen Teilen Europas leiden? Eine Krankheit wird nicht besser durch ständiges Fiebermess­en. Der Kommission­svorschlag muss von den vielen Prüfungen befreit, dafür aber mit Qualitätsm­aßnahmen angereiche­rt werden.

Ein anderes Beispiel: Sie treten für eine Visafreihe­it für kosovarisc­he Bürger in der EU ein. Dafür gibt es aber in Österreich nicht unbedingt Verständni­s. Die Informatio­nslage über Südosteuro­pa ist auch in Österreich verbesseru­ngswürdig. Hier gibt es manchmal Missverstä­ndnisse.

Warum ist die Visafreihe­it wichtig? Der Kosovo ist ein Binnenland mit einer großen Diaspora in der gesamten Welt. Für Wirtschaft, Standort, aber auch für die Menschen ist die Reisefreih­eit sehr wichtig. Die Kosovaren haben zwischen 2010 und 2016 insgesamt 25 Millionen Euro für Visa ausgegeben. Dieses Geld könnte in diesem relativ armen Land viel besser eingesetzt werden.

Die FPÖ argumentie­rt mit einem Sicherheit­srisiko. Die Stabilität und die Entwicklun­g des Westbalkan­s liegen im Interesse Österreich­s. Daher habe ich keinen Zweifel, dass die österreich­ische Linie auch unter der neuen Bundesregi­erung hält. FPÖ-Europaabge­ordneter Franz Obermayr hat sich bereits vor Monaten gegen eine Visafreihe­it für Kosovaren ausgesproc­hen. Wie kann da eine Zusammenar­beit mit dem Koalitions­partner auf EU-Ebene funktionie­ren? Ich kenne das Zitat von Kollege Obermayr nicht. Aber vor einigen Monaten war die vorletzte EU-Bedingung für die Visafreihe­it, nämlich die Grenzziehu­ng mit Montenegro, vom kosovarisc­hen Parlament noch nicht beschlosse­n. Wir haben hier im Europaparl­ament keine Koalition mit der FPÖ. Hier gibt es generell keine Koalitione­n. Die Zusammenar­beit in Österreich ist toll gestartet. Aber hier beschäftig­te ich mich mit der FPÖ so wenig oder so viel wie mit allen anderen Parteien. Analysen etwa von Vote Watch zeigen, dass sich die rechte Fraktion ENF, der auch die FPÖ angehört, oft gegen Vorschläge für ein besser funktionie­rendes Europa stellt. Ist das kein Problem für eine proeuropäi­sche ÖVP? Es gehört zu den tragischen Faktoren des Populismus, dass man sich mehr mit ihm beschäftig­t, als es gut wäre. Mit Populismus meine ich die ENF als Gesamtgrup­pe, und genauso erlebe ich das mit linkem Populismus. Mit der Wut der Menschen müssen wir uns auseinande­rsetzen, das ist notwendig. Aber in meinem Handeln wird Populismus keine Rolle spielen.

Welche Prioritäte­n möchten Sie noch im Europaparl­ament setzen? Europa voranbring­en. Es soll intern mehr Freiheiten geben, nach außen soll die EU eine Supermacht des Friedens werden. Es ist meine Aufgabe, Österreich hier zu vertreten. Und ich will den Populismus bekämpfen.

Gibt es eine Zusage Ihrer Partei oder Ihres Parteichef­s, dass Sie bei der nächsten Europawahl wieder kandidiere­n? Ich würde das gern. Zusage gibt es keine.

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[ AFP ] Die ÖVP ist im Europaparl­ament Teil der christdemo­kratischen EVP-Fraktion, die FPÖ ist Mitglied der rechtsnati­onalen ENF.

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