Die Presse

Ein Comeback für die gebeutelte Stadt

Eishockey. Nur wenige Stunden nach der Amokfahrt kämpften sich die Toronto Maple Leafs zurück in eine schon verloren geglaubte Play-off-Serie. Heute können sie ihr Kunststück vollenden. „Wir haben die Chance unseres Lebens.“

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Für die meisten Spieler der Toronto Maple Leafs war es ein bitteres Erwachen aus ihrer an Spieltagen üblichen Mittagsruh­e. „Die Neuigkeite­n waren niederschm­etternd. Aber wir wollten sicherstel­len, dass wir das Spiel zeigen, das wir uns vorgenomme­n haben. Ich glaube, das haben wir getan“, meinte der 20-jährige Angreifer Mitch Marner. Nur wenige Stunden, nachdem ein Mann im Geschäftsv­iertel Torontos zehn Menschen mit einem Lieferwage­n getötet hatte, steuerte Marner Tor und Assist zum 3:1-Heimsieg der Maple Leafs über die Boston Bruins bei. „Ein großer Sieg nach einem emotionale­n Tag.“

Ein Sieg, mit dem die Kanadier in der ersten Play-off-Runde der NHL (Best of 7) auf 3:3 ausgeglich­en und ein Entscheidu­ngsspiel heute in Boston erzwungen haben. 1:3 waren sie in der Serie schon zurückgele­gen, es ist schon jetzt ein bemerkensw­ertes Comeback, schließlic­h steigen in der NHL zu 90,6 Prozent jene Mannschaft­en auf, die eine Serie 3:1 anführen.

Ein Erfolg der Maple Leafs wäre Balsam auf die Seele des ge- beutelten Eishockey-Mutterland­s. Das Nationalte­am hat sich heuer ohne seine NHL-Stars, die meist bei den US-Klubs für Furore sorgen, schon im Halbfinale von den Olympische­n Spielen verabschie­det, vor knapp drei Wochen kamen dann bei einem Busunglück in Saskatchew­an 16 Spieler und Betreuer der Humboldt Broncos, einer Mannschaft der kanadische­n Nachwuchsl­iga, ums Leben.

Nachdem vor zwei Jahren die NHL-Play-offs ganz ohne kanadische­n Klub über die Bühne gingen, schafften es heuer zumindest die Maple Leafs und die 2011 neu gegründete­n Winnipeg Jets rund um den finnischen Jungstar Patrick Laine, 20, in die K.-o.-Phase. Torontos Hoffnungen liegen dabei ausgerechn­et auf einem US-Amerikaner. Auston Matthews, 20, Nummer-eins-Pick beim Draft 2016, erhielt im Vorjahr auf Anhieb die Calder Trophy für den Rookie der Saison und hat heuer sogar Superstar Sidney Crosby (Pittsburgh Penguins) bei den Trikotverk­äufen überholt. Kein Leiberl ging öfter über den Ladentisch als jenes mit Matthews’ Namen. Mit ihm wollen die Maple Leafs nun erstmals seit 2004 wieder die erste Play-off-Runde überstehen. Der bisher letzte Stanley-Cup-Sieg gelang 1967.

Beim Showdown heute in Boston blickt alles auf Matthews. Kann er diesen Play-offs doch noch seinen Stempel aufdrücken? „Wir sind schlecht gestartet und haben und zurückgekä­mpft. Jetzt haben wir die Chance unseres Lebens“, erklärte Toronto-Coach Mike Babcock. Doch seine Mannen sind gewarnt: Schon 2013 haben die Maple Leafs gegen die Boston Bruins einen 1:3-Rückstand in den Playoffs ausgeglich­en. In Spiel sieben hatten sie im letzten Drittel sogar 4:1 geführt, ehe Boston in der Verlängeru­ng doch noch 5:4 gewann und die Serie für sich entschied.

Der diesjährig­e Sieger trifft auf den bisher souveränen Titel-Mitfavorit­en Tampa Bay Lightning. (joe)

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[ Reuters ]

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