Konzerthaus: Nichts dem Zufall überlassen
Piotr Anderszewski beeindruckte im Wiener Konzerthaus mit Bach, Mozart, Chopin und Jan´aˇcek.
Piotr Anderszewski wegen seines ebenso ausgeprägten Hangs zur Schwerblütigkeit gleich mit der großen Clara Haskil zu vergleichen, mag übertrieben erscheinen. Dass der neben Krystian Zimerman wichtigste polnische Pianist aber zu den Besten seines Fachs zählt, machte er mit einem akklamierten Auftritt im Mozartsaal des Wiener Konzerthauses wieder einmal deutlich.
Mit einem Programm, das die weite Spannbreite seines interpretatorischen Interesses zeigte. Vor allem sein Faible für das Klavierschaffen Leosˇ Jana´ceks.ˆ Und hier wiederum für dessen Reihe „Auf verwachsenen Pfade“. Aus diesem Zyklus wählte der 49-jährige Pianist, der einst seine Laufbahn als brillanter Begleiter der Geigerin Viktoria Mullova begonnen hatte, fünf Stücke aus, deren Stimmungen er mit besonderer Eindringlichkeit und sensiblem Sinn für plastisch geformte Details nachspürte.
Der Höhepunkt des Abends? Oder war es die mitreißende Eloquenz, mit der Anderszewski am Ende dieses Recitals Bachs dritte Englische Suite BWV 808 darbot? Technisch auf höchstem Niveau, exemplarisch durchsichtig, mit einer bis ins Detail durchdachten Tempodramaturgie, die er aus dem Charakter der jeweiligen Abschnitte ganz selbstverständlich entwickelte. Man spürte förmlich, wie viel Freude er an diesem Werk hatte.
Mut zur Expressivität
Nicht ganz so frei und gelassen gelang am Beginn dieses Abends Bachs C-Dur-Präludium und -Fuge aus dem zweiten Band des Wohltemperierten Klaviers BWV 870. Sensibel, aber auch mit ausdrücklichem Mut zu romantischer Expressivität präsentierte der Pianist Mozart c-Moll-Fantasie und -Sonate KV 475/457. Klar in der Linienführung, bei den Wiederholungen in den Sätzen immer wieder mit unerwarteten Akzenten aufwartend.
Wollte der Pole den Fokus vornehmlich auf Bach, Mozart und seine Liebe für Jana´cekˇ legen? Verglichen mit diesen stets Eleganz mit Tiefsinn verknüpfenden Darstellungen fiel seine Deutung der zwischen Mozart und Jana´cekˇ platzierten Chopin-Gruppe, 3 Mazurken Opus 56, etwas ab. Hier wirkte die Nachdenklichkeit etwas manieriert, nahm den Stücken einiges von ihrer elementaren Kraft. Auch wenn Anderszewski wiederholt auf einige sonst weniger beachtete Details hinwies.