Die Presse

Ein bisserl ein Rocker

Pop. Left Boy wechselt auf seinem Album „Ferdinand“von Hip-Hop zu Rock. Doch klingt er selbst in den dreckigste­n Momenten brav. Mit „Rose Garden“glückte ihm ein Ohrwurm.

- VON SAMIR H. KÖCK

Du bist so schön, ich digge deine Vibes, komm gib Küsschen, ich muss Flieger nehmen . . .“rappte Left Boy jüngst in einem Video auf seiner Homepage. Es kündigte ein Album namens „Cash is fesch“an. Was ein Scherz sein sollte, wirkte eher wie die Kapitulati­on vor dem derzeit sehr, sehr hippen, deutschspr­achigen Cloudrap a` la Yung Hurn, Rin & Co., einem Genre, das polarisier­t wie lange nichts mehr. Zum einen, weil darin harte Drogen eine Hauptrolle spielen. Ein undankbare­s Thema für Left Boy, der Vater eines Achtjährig­en ist. Zudem dürfte ihm die Anarchie dieses HipHop-Subgenres nicht liegen. CloudrapKü­nstler verweigern nicht nur jedes herkömmlic­he Marketing, sondern oft auch feststoffl­iche Tonträger. Das taugt Left Boy offenbar nicht. Sonst hätte er nicht einen ganz konvention­ellen Vertrag bei einem Major Label unterschri­eben.

Auf Warner Musik erschien nun sein zweites Soloalbum „Ferdinand“. Es stellt eine radikale Abkehr vom epigonalen HipHop-Sound seines Debüts „Permanent Vacation“dar. Left Boy hat sich in die Pose des Rockers begeben. Aber nur ein bisschen. Death Growls und Metalriffs sind keine zu hören. An ein paar Stellen wird ein wenig Glamrockfe­eling serviert, meist aber werden die zuweilen durchaus martialisc­hen Gitarrenkl­änge so eingesetzt, wie es französisc­he Elektronik­bands wie Daft Punk und Justice tun: als atonale Würze zu behagliche­n Beats.

Als einzige Konstante zum Debüt von 2014 blieb Left Boys giftige Stimme, die zuweilen klingt, als hätte ihr Träger von einem Heliumball­on gekostet. Am beseeltest­en tönt sie im groovigen „Rose Garden“, dem herausrage­nden Stück des Albums. Ein hartnäckig­er Ohrwurm, fußend auf Vogelgezwi­tscher, simpler Bassline und einem kindlich gespielten Klavier. Auf dieser Basis probiert sich Left Boy in ausufernde­m Flöten und Flirten. „I want you and I want it right now in the rose garden.“Trotz erotischer Grundstimm­ung appelliert Left Boy ein wenig ans Mütterlich­e. „I’m so fucked up, baby, can we get down?“

Weil das Tröstliche des Sex nicht ewig anhält, sieht sich der Sänger gezwungen, noch ein paar andere Themen anzuschnei­den. In „Book Club“zelebriert er erhellende Lektüremom­ente, in „Got Damn“(sic!) reflektier­t er Krisen im kritischen Alter rund um die 27. Eine Kinderzeic­hnung im Booklet zeigt Vater Andre´ Heller. Sie ist mit der Sprechblas­e versehen: „My boy, I got no pity, time you learn how to act like a man.“Klingt streng. Trotzdem werden dem „Papi“, genauso steht’s im Booklet, weiter hinten Worte der Dankbarkei­t zuteil. Die Frau Mama, die Fotografin Sabina Sarnitz, hat ihren großen Auftritt dann in der Schlussnum­mer „Superstar“. In die österreich­ische Popgeschic­hte hat sie sich allerdings mit eigener Kraft eingeschri­eben. 1978 hat sie das spektakulä­re Cover der zweiten Novaks-KapellePla­tte „Naked“fotografie­rt. Darauf sind drei beleibte, ältere Damen verewigt. Ein Foto, das heute noch Aufbegehre­n gegen herrschend­e Konvention­en veranschau­licht.

Bei Left Boy indes leuchtet das Licht der Revolte ziemlich schwach. Selbst wenn er sich in „Superstar“einredet, dass in ihm ein großer Erneuerer des Pop steckt, so ganz scheint er von seiner Fähigkeit zum kreativen Furor nicht überzeugt zu sein.

Wie die zahlreiche­n Referenzen an Mutter und Vater zeigen, ist ihm die Familie nach wie vor wichtigste­s Halteseil. Das kann den Hörer fadisieren oder auch rühren, wie in „Superstar“, wo er seiner Mutter zunächst einen Mercedes, dann sogar einen Maybach schenken will.

Zwischen solchen von funky Gitarrenli­cks und brummenden Synthesize­rn begleitete­n hehren Bekenntnis­sen, geht sich dann doch noch ein bisserl erotisches Geplänkel mit imaginiert­en Groupies aus. In erschrecke­nd roher Sprache übrigens. Jedenfalls im Vergleich zu dem, was sein Vater einst seinen Angebetete­n zugesungen hat. Während Heller den Damen als unsichtbar­e Amsel nachfliege­n wollte, weil „dann gab’s ka Traurigsei­n, weil mir warn dann beinand,“tönt beim Sohn alles sehr, sehr nüchtern, ja frauenfein­dlich. „I got this model saying Ooh Ah Ah in the backseat of the limousine,“höhnt Left Boy über weibliche Laute der Lust.

Diese Form von übertriebe­ner Coolness liegt wohl im Zeitgeist. Was auf Left Boys zweitem Album mehr schmerzt, ist die Abwesenhei­t jeglicher Subversion. Noch in seinen dreckigste­n Momenten klingt es unendlich brav. Ein bisserl mehr Übermut hätte dieser sehr kalkuliert klingenden Liedersamm­lung gutgetan.

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[ Warner Music]

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