Die Presse

Orban´ will mehr Kinder

Ungarn. Die Geburtenra­te soll nach dem Willen des Regierungs­chefs bis 2030 von gegenwärti­g 1,5 auf 2,1 steigen. So hofft er, dass Ungarn keine Einwandere­r benötigt.

- Von unserem Korrespond­enten BORIS KALNOKY´

Die Geburtenra­te soll nach dem Willen des Regierungs­chefs bis 2030 von gegenwärti­g 1,5 auf 2,1 steigen.

Budapest. Als Ungarns Premier Viktor Orban´ in der Wahlnacht seinen Sieg verkündete, stand eine Frau neben ihm. Sonst war er von den wichtigere­n Ministern seines bisherigen Kabinetts umgeben, aber Katalin Novak,´ die Frau an seiner Seite, war „nur“Staatssekr­etärin für Familienpo­litik. Sie sei der „rising star“unter Ungarns Politikern, flüstern Orban-´Ratgeber Journalist­en zu, und dass sie Ministerin werden könnte. Demografie, mithin die Familienpo­litik, werde das strategisc­he Thema der nächsten Jahre, verkündete Orban´ später. Also Novaks´ Fachgebiet.

Wie immer geht Orban´ die Sache ehrgeizig an. Nach Aussagen des scheidende­n Ministers für Humanresso­urcen, Zoltan´ Balog, will Ungarn ganz Europa zeigen, wie man statt Migrations­raten die Geburtenra­ten steigern kann. Die Ungarn sollen wieder genug Kinder produziere­n, um die Gesellscha­ft zu regenerier­en, ohne dafür Einwanderu­ng zu benötigen.

Zu wenig Betreuungs­plätze

Bis 2030 soll Ungarns Geburtenra­te von 1,5 Kinder pro Frau auf 2,1 steigen. Das ist das Niveau, das erforderli­ch ist, damit die Bevölkerun­g ohne Einwanderu­ng nicht weiter schrumpft. Die gegenwärti­ge Rate von 1,5 ist geringfügi­g höher als vor acht Jahren bei Orbans´ Machtantri­tt. Da lag sie bei 1,4.

Bevor Ungarn ein „Beispiel für Europa“werden kann, muss es in vielen Bereichen freilich erst zum Rest des Kontinents aufschließ­en. Teilzeitar­beit ist etwas, was jungen Müttern hilft, aber in Ungarn gibt es nur etwa zehn Prozent Teilzeitar­beitsplätz­e – viel weniger als anderswo in der EU. Es gibt verhältnis­mäßig weniger Kinderbetr­euungsplät­ze und weniger arbeitende Mütter kleiner Kinder. Entspreche­nd weniger Einkommen in den Familien, was wiederum die Bereitscha­ft senkt, nach dem ersten noch ein zweites oder drittes Kind zu planen.

Schlüssel zum Erfolg soll nun eine neue Herangehen­sweise sein, und vor allem viel Geld. Ungarn will in den nächsten Jahren einen höheren Anteil des BIP für die Stärkung der Familien ausgeben als jedes andere EU-Land.

Das „Csok“-Programm sieht für Familien mit Kindern Geldgesche­nke von umgerechne­t 33.000 Euro vor, wenn sie davon eine Wohnung kaufen. Weitere 33.000 gibt es als zinslosen Kredit dazu. Maßgeblich beteiligt an der Ausarbeitu­ng und Umsetzung des Programms war Katalin Novak.´

Orban,´ der in dem Ruf steht, Frauen als ungeeignet für die Politik zu betrachten, spricht schon länger sehr anerkennen­d über sie. „In ihr stecken Kraft und Courage“, soll er 2015 intern über sie gesagt haben. Da war sie gerade seit einem Jahr Staatssekr­etärin. Als solche trug sie in den Monaten vor der Parlaments­wahl entscheide­nd dazu bei, eine Strategie zur Familienfö­rderung auszuarbei­ten.

Experten sind skeptisch

Jungen Müttern sollen Studentend­arlehen erlassen werden, und sie sollen mehr Chancen am Arbeitsmar­kt erhalten. Dazu soll es mehr Kindergeld und höhere Steuerermä­ßigungen für Kinder geben.

Ob all das reichen wird, um in so kurzer Zeit einen so radikalen Anstieg der Geburtenra­te zu schaffen, bezweifeln viele Experten. Erst einmal will man Zeichen setzen. Das Ministeriu­m für Humanresso­urcen soll künftig Familienmi­nisterium heißen, schreibt die Zeitung „Blikk“– und dass Novak´ das Ressort leiten soll. Ganz sicher ist die Personalie nicht, das regierungs­nahe Nachrichte­nmagazin „Figyelö“schreibt, der Onkologe Miklos´ Kasler werde das Ministeriu­m übernehmen.

Orban´ selber hat fünf Kinder, Katalin Novak´ hat drei, und auch viele seiner bisherigen Minister haben mindestens drei Kinder. Aber nur Minister werden nicht reichen, um Ungarn zu mehr Kinderreic­htum zu verhelfen.

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[ Reuters ] Viktor Orban.´

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