Auf dem Ölmarkt braut sich ein äußerst giftiger Mix zusammen
Geht der Ölpreisanstieg in dem Tempo weiter, dann wird die Inflation bald anspringen. Die im Krisenmodus fahrende EZB ist darauf nicht vorbereitet.
D er Ölpreis steigt und steigt. Nordseeöl etwa kostet schon um rund zwei Drittel mehr als im Juni des Vorjahres. Steigende Ölnotierungen sind einer der wichtigsten Inflationstreiber.
Gleichzeitig vollziehen die Märkte, hierzulande weitgehend unbemerkt, eine relativ deutliche Zinswende. Negativ verzinste Staatsanleihen gibt es in Europa außerhalb der Schweiz kaum noch. Und in den USA hat die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen soeben an der Drei-Prozent-Marke gekratzt. So profitabel waren amerikanische Staatspapiere zuletzt vor vier Jahren.
Das klingt alles sehr technisch, theoretisch und weit weg. Aber wir werden mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit relativ bald sehen, dass solche Kennzahlen sehr unangenehme Auswirkungen auf unser tägliches Leben haben können. Da braut sich ein teuflischer Mix zusammen, der uns sehr schnell in die nächste Finanzund Wirtschaftskrise stürzen könnte, wenn nicht beherzt gegengesteuert wird.
In den USA sind Experten schon alarmiert. Dort schlägt der Preis des in Dollar gehandelten Öls eins zu eins auf die Inflation durch. Was mit ein Grund dafür ist, dass die Dollar-Marktzinsen dem Leitzins der Notenbank recht zügig davonlaufen.
Das könnte sich jetzt noch beschleunigen, fürchtet der Internationale Währungsfonds. Denn die expansive Wirtschaftspolitik von US-Präsident Donald Trump dürfte die Teuerung in den USA zusätzlich anheizen. Das könnte die Notenbank Fed zwingen, mit deutlich schnelleren und saftigeren Leitzinsanhebungen hineinzugrätschen. Und für diesen Fall rechnet der IWF in seinem jüngsten Stabilitätsbericht mit größeren Turbulenzen im Finanzsystem. Speziell auf den Aktien- und Immobilienmärkten, für die Niedrigzinsen im Verein mit Geldflutung eine wachstumssteigernde Droge sind, deren zu rascher Entzug entsprechende Nebenwirkungen haben wird.
Und was geht das uns in Europa an? Nun ja, Finanzmärkte sind global eine USdominierte Veranstaltung. Und am Dollar kommt ohnehin niemand vorbei, solange der Greenback nicht nur die wichtigste Reservewährung, sondern auch die globale Handelswährung für so gut wie alle wichtigen Rohstoffe ist. Die europäischen Banken sind in ihrer Dollar-Refinanzierung weitgehend an den amerikanischen Markt gebunden. Und damit auch an die US-Zinsen. Bleibt uns dieser Mix aus schnell steigenden Ölpreisen und ebenso massiv anziehenden Dollarzinsen erhalten, dann werden wir die amerikanischen Verhältnisse, vor denen der IWF recht eindringlich gewarnt hat, also auch bald hierzulande haben.
Und darauf sind wir nicht vorbereitet: Die EZB fährt ja im Gegensatz zur Fed trotz hervorragend laufender Konjunktur noch immer ihren Krisenmodus mit Nullzinsen und Staatsanleihenkäufen. Sie tut das nicht ohne Grund: Wackelkandidaten wie beispielsweise Italien können derzeit alles andere brauchen als höhere Staatsanleihenzinsen.
Allerdings gibt es auch Länder wie etwa Deutschland oder gar Österreich, wo die Inflation jetzt schon am oder über dem EZB-Zielwert liegt. Und für die ist die derzeitige Zinspolitik nur noch kontraproduktiv. Kein Wunder, dass die Notenbank-Chefs der beiden Länder schon seit einiger Zeit heftigen, wenn auch vergeblichen Druck auf eine Zinswende auch in Europa machen.
Es kann durchaus sein, dass die Ölpreishausse bald wieder zum Stehen kommt. Etwa durch forciertes „Fracken“in den USA, wie es Donald Trump ja schon angedeutet hat. Es kann aber durchaus auch sein, dass die Ölpreisrallye in die Gegend von 100 Dollar geht und damit auch in Europa stärkeren Inflationsdruck erzeugt. Dann steht die EZB vor der Wahl, ob sie Staatskrisen im Club Med riskieren oder die Inflation in Ländern wie Österreich durch Zinszurückhaltung davonlaufen lassen soll.
Es wäre besser, wenn sie sich langsam auf dieses Szenario einstellte, statt weiter die Geldpumpe für reformresistente Länder zu betätigen. Sonst werden ausgerechnet die besser wirtschaftenden Euroländer per Inflation die Zeche für die reformresistenten bezahlen.
Wien. Was in jüngster Zeit auf dem Ölmarkt vor sich geht, hätten sich die Förderländer in ihren kühnsten Träumen nicht ausgemalt. Da hatten sie eben erst den tiefen Schock über den dramatischen Ölpreisverfall seit Juni 2014 von 115 Dollar je Fass auf unter 30 Dollar (Anfang 2016) verwunden – und nun hebt der Preis wieder so richtig ab. Vor allem seit ein paar Wochen ist er nicht mehr zu halten, nachdem er schon in der zweiten Hälfte 2017 kräftig angezogen hatte. Am Dienstag übersprang der Preis der für Europa relevanten Nordseesorte Brent erstmals seit November 2014 kurz die 75-DollarMarke. Die gewöhnlich billigere US-Sorte WTI kostete über 69 Dollar. Das wurde Ende der Vorwoche denn auch Donald Trump zu bunt: „Anscheinend ist die Opec wieder am Werk“, wetterte der US-Präsident auf Twitter: „Die Ölpreise sind künstlich sehr hoch! Dies ist nicht gut und wird nicht akzeptiert!“
Trump spricht aus der Sicht der Verbraucher und aus Sicht der Konjunktur, die beide zunehmend von den hohen Ölnotierungen belastet werden. Aber was ist es, das den Ölpreis wirklich treibt? Und was kommt da auf die Konsumenten zu?
Opec und ihre Verbündeten
Mit dem Vorwurf an die von Saudiarabien geführte Organisation Erdöl produzierender Länder (Opec) liegt Trump richtig. Genau genommen müsste er Opec plus (Opec+) sagen, denn es ist diese Allianz aus Opec-Staaten und einigen Nichtmitgliedern wie Russland, die sich Ende 2016 auf preistreibende Förderkürzungen verständigt und diese inzwischen bis Ende 2018 verlängert hat. Saudiarabien, das mit einer Überproduktion 2014 den Preisverfall ausgelöst hat, um die US-Konkurrenz auszustechen, spricht sich jetzt sogar für noch höhere Preise bis zu 100 Dollar aus – schließlich will es seinen Ölkonzern Aramco teuer an die Börse bringen. Das Wunder ist, dass sich die Länder der Opec+ im Unterschied zu früher an die Förderkürzungen auch halten. Außerdem drückt in letzter Zeit auf das Angebot, dass der Opec-Staat Venezuela ungewöhnlich starke Produktionsausfälle hat, weil das Land finanziell ausgeblutet ist.
Geopolitik
Zugenommen hat in letzter Zeit auch wieder der geopolitische Faktor. Vor allem bestehen Spekulationen über neue US-Sanktionen gegen den Ölproduzenten Iran, der ohnehin erst seit Kurzem wieder auf den Ölmarkt zurückgekommen ist. Noch ist offen, wie die USA Mitte Mai entscheiden werden. „Die Unsicherheit darüber dürfte den Ölpreisen weiteren Auftrieb geben“, heißt es in einer Analyse der Commerzbank. Sollten Sanktionen kommen, würden die Preise explodieren, was Trump nicht wollen kann.