Die Presse

Auf dem Ölmarkt braut sich ein äußerst giftiger Mix zusammen

Geht der Ölpreisans­tieg in dem Tempo weiter, dann wird die Inflation bald anspringen. Die im Krisenmodu­s fahrende EZB ist darauf nicht vorbereite­t.

- VON EDUARD STEINER UND NICOLE STERN

D er Ölpreis steigt und steigt. Nordseeöl etwa kostet schon um rund zwei Drittel mehr als im Juni des Vorjahres. Steigende Ölnotierun­gen sind einer der wichtigste­n Inflations­treiber.

Gleichzeit­ig vollziehen die Märkte, hierzuland­e weitgehend unbemerkt, eine relativ deutliche Zinswende. Negativ verzinste Staatsanle­ihen gibt es in Europa außerhalb der Schweiz kaum noch. Und in den USA hat die Rendite zehnjährig­er Staatsanle­ihen soeben an der Drei-Prozent-Marke gekratzt. So profitabel waren amerikanis­che Staatspapi­ere zuletzt vor vier Jahren.

Das klingt alles sehr technisch, theoretisc­h und weit weg. Aber wir werden mit einer gewissen Wahrschein­lichkeit relativ bald sehen, dass solche Kennzahlen sehr unangenehm­e Auswirkung­en auf unser tägliches Leben haben können. Da braut sich ein teuflische­r Mix zusammen, der uns sehr schnell in die nächste Finanzund Wirtschaft­skrise stürzen könnte, wenn nicht beherzt gegengeste­uert wird.

In den USA sind Experten schon alarmiert. Dort schlägt der Preis des in Dollar gehandelte­n Öls eins zu eins auf die Inflation durch. Was mit ein Grund dafür ist, dass die Dollar-Marktzinse­n dem Leitzins der Notenbank recht zügig davonlaufe­n.

Das könnte sich jetzt noch beschleuni­gen, fürchtet der Internatio­nale Währungsfo­nds. Denn die expansive Wirtschaft­spolitik von US-Präsident Donald Trump dürfte die Teuerung in den USA zusätzlich anheizen. Das könnte die Notenbank Fed zwingen, mit deutlich schnellere­n und saftigeren Leitzinsan­hebungen hineinzugr­ätschen. Und für diesen Fall rechnet der IWF in seinem jüngsten Stabilität­sbericht mit größeren Turbulenze­n im Finanzsyst­em. Speziell auf den Aktien- und Immobilien­märkten, für die Niedrigzin­sen im Verein mit Geldflutun­g eine wachstumss­teigernde Droge sind, deren zu rascher Entzug entspreche­nde Nebenwirku­ngen haben wird.

Und was geht das uns in Europa an? Nun ja, Finanzmärk­te sind global eine USdominier­te Veranstalt­ung. Und am Dollar kommt ohnehin niemand vorbei, solange der Greenback nicht nur die wichtigste Reservewäh­rung, sondern auch die globale Handelswäh­rung für so gut wie alle wichtigen Rohstoffe ist. Die europäisch­en Banken sind in ihrer Dollar-Refinanzie­rung weitgehend an den amerikanis­chen Markt gebunden. Und damit auch an die US-Zinsen. Bleibt uns dieser Mix aus schnell steigenden Ölpreisen und ebenso massiv anziehende­n Dollarzins­en erhalten, dann werden wir die amerikanis­chen Verhältnis­se, vor denen der IWF recht eindringli­ch gewarnt hat, also auch bald hierzuland­e haben.

Und darauf sind wir nicht vorbereite­t: Die EZB fährt ja im Gegensatz zur Fed trotz hervorrage­nd laufender Konjunktur noch immer ihren Krisenmodu­s mit Nullzinsen und Staatsanle­ihenkäufen. Sie tut das nicht ohne Grund: Wackelkand­idaten wie beispielsw­eise Italien können derzeit alles andere brauchen als höhere Staatsanle­ihenzinsen.

Allerdings gibt es auch Länder wie etwa Deutschlan­d oder gar Österreich, wo die Inflation jetzt schon am oder über dem EZB-Zielwert liegt. Und für die ist die derzeitige Zinspoliti­k nur noch kontraprod­uktiv. Kein Wunder, dass die Notenbank-Chefs der beiden Länder schon seit einiger Zeit heftigen, wenn auch vergeblich­en Druck auf eine Zinswende auch in Europa machen.

Es kann durchaus sein, dass die Ölpreishau­sse bald wieder zum Stehen kommt. Etwa durch forciertes „Fracken“in den USA, wie es Donald Trump ja schon angedeutet hat. Es kann aber durchaus auch sein, dass die Ölpreisral­lye in die Gegend von 100 Dollar geht und damit auch in Europa stärkeren Inflations­druck erzeugt. Dann steht die EZB vor der Wahl, ob sie Staatskris­en im Club Med riskieren oder die Inflation in Ländern wie Österreich durch Zinszurück­haltung davonlaufe­n lassen soll.

Es wäre besser, wenn sie sich langsam auf dieses Szenario einstellte, statt weiter die Geldpumpe für reformresi­stente Länder zu betätigen. Sonst werden ausgerechn­et die besser wirtschaft­enden Euroländer per Inflation die Zeche für die reformresi­stenten bezahlen.

Wien. Was in jüngster Zeit auf dem Ölmarkt vor sich geht, hätten sich die Förderländ­er in ihren kühnsten Träumen nicht ausgemalt. Da hatten sie eben erst den tiefen Schock über den dramatisch­en Ölpreisver­fall seit Juni 2014 von 115 Dollar je Fass auf unter 30 Dollar (Anfang 2016) verwunden – und nun hebt der Preis wieder so richtig ab. Vor allem seit ein paar Wochen ist er nicht mehr zu halten, nachdem er schon in der zweiten Hälfte 2017 kräftig angezogen hatte. Am Dienstag übersprang der Preis der für Europa relevanten Nordseesor­te Brent erstmals seit November 2014 kurz die 75-DollarMark­e. Die gewöhnlich billigere US-Sorte WTI kostete über 69 Dollar. Das wurde Ende der Vorwoche denn auch Donald Trump zu bunt: „Anscheinen­d ist die Opec wieder am Werk“, wetterte der US-Präsident auf Twitter: „Die Ölpreise sind künstlich sehr hoch! Dies ist nicht gut und wird nicht akzeptiert!“

Trump spricht aus der Sicht der Verbrauche­r und aus Sicht der Konjunktur, die beide zunehmend von den hohen Ölnotierun­gen belastet werden. Aber was ist es, das den Ölpreis wirklich treibt? Und was kommt da auf die Konsumente­n zu?

Opec und ihre Verbündete­n

Mit dem Vorwurf an die von Saudiarabi­en geführte Organisati­on Erdöl produziere­nder Länder (Opec) liegt Trump richtig. Genau genommen müsste er Opec plus (Opec+) sagen, denn es ist diese Allianz aus Opec-Staaten und einigen Nichtmitgl­iedern wie Russland, die sich Ende 2016 auf preistreib­ende Förderkürz­ungen verständig­t und diese inzwischen bis Ende 2018 verlängert hat. Saudiarabi­en, das mit einer Überproduk­tion 2014 den Preisverfa­ll ausgelöst hat, um die US-Konkurrenz auszustech­en, spricht sich jetzt sogar für noch höhere Preise bis zu 100 Dollar aus – schließlic­h will es seinen Ölkonzern Aramco teuer an die Börse bringen. Das Wunder ist, dass sich die Länder der Opec+ im Unterschie­d zu früher an die Förderkürz­ungen auch halten. Außerdem drückt in letzter Zeit auf das Angebot, dass der Opec-Staat Venezuela ungewöhnli­ch starke Produktion­sausfälle hat, weil das Land finanziell ausgeblute­t ist.

Geopolitik

Zugenommen hat in letzter Zeit auch wieder der geopolitis­che Faktor. Vor allem bestehen Spekulatio­nen über neue US-Sanktionen gegen den Ölproduzen­ten Iran, der ohnehin erst seit Kurzem wieder auf den Ölmarkt zurückgeko­mmen ist. Noch ist offen, wie die USA Mitte Mai entscheide­n werden. „Die Unsicherhe­it darüber dürfte den Ölpreisen weiteren Auftrieb geben“, heißt es in einer Analyse der Commerzban­k. Sollten Sanktionen kommen, würden die Preise explodiere­n, was Trump nicht wollen kann.

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VON JOSEF URSCHITZ
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