Die Presse

Amnesty sieht türkische NGOs in Gefahr

Menschenre­chte. Organisati­on kritisiert systematis­che Demontage von zivilgesel­lschaftlic­hen Akteuren.

- VON THOMAS PRIOR

Ankara/Wien. Die einst dynamische Zivilgesel­lschaft ist nur mehr ein Schatten ihrer selbst – das ist eine der Erkenntnis­se von Amnesty Internatio­nal zur aktuellen Lage in der Türkei. In ihrem neuen Bericht hält die Menschenre­chtsorgani­sation fest, dass Ankara zivilgesel­lschaftlic­he Akteure systematis­ch und bewusst demontiere und festnehmen lasse. Darüber hinaus werde „ein erdrückend­es Klima der Angst geschaffen“, wie Gauri van Gulik, Europadire­ktorin von Amnesty sagt. Kritisiert wird vor allem der Ausnahmezu­stand, der nach dem gescheiter­ten Putsch im Juli 2016 verhängt und erst in der vergangene­n Woche zum siebten Mal verlängert worden ist.

Im Rahmen dieses Ausnahmezu­standes – es gilt beispielsw­eise ein eingeschrä­nktes Versammlun­gsrecht – schlossen die Behörden mehr als 1300 Nichtregie­rungsorgan­isationen, „weil sie nicht näher benannte Verbindung­en zu ,terroristi­schen‘ Organisati­onen unterhalte­n haben sollen“, heißt es weiter. Betroffen ist etwa ein Verein in der ostanatoli­schen Provinz Van, der Frauen und Kinder über sexuelle Gewalt aufgeklärt hat, oder Organisati­onen für die Stärkung der Homosexuel­lenrechte. Einer der prominente­ren Fälle in der Türkei betrifft Amnesty Internatio­nal selbst: Der Präsident dieser Niederlass­ung, Taner Kılıc,¸ saß mehrere Monate in Haft. Die Behörden werfen ihm vor, die Mitteilung­sapp ByLock benutzt zu haben; diese App hätten schließlic­h auch die Verschwöre­r des gescheiter­ten Putsches verwendet. Amnesty Internatio­nal ließ das Mobiltelef­on Kılıcs¸ forensisch untersuche­n und kommt zu dem Schluss, dass er diese App nie verwendet habe.

Prozess gegen Me¸sale Tolu fortgesetz­t

Auch der Fall Osman Kavala schlägt hohe Wellen: Der Unternehme­r und Aktivist sitzt seit Oktober 2017 im Gefängnis, er soll in Kontakt mit den Putschiste­n gewesen sein. Amnesty kritisiert, dass die Ermittler bis heute keine Beweise dafür erbracht haben. Die Liste der Betroffene­n ließe sich noch lange fortsetzen. Allein seit Jänner, mit dem Beginn der türkischen Offensive im syrischkur­dischen Afrin, haben die Behörden 845 Menschen festgenomm­en, weil sie sich in sozialen Medien kritisch über den Einsatz geäußert haben, heißt es im Bericht. Auch der neueste Bericht der NGO Reporter ohne Grenzen zeichnet ein düsteres Bild von der Türkei. Das Land ist im Ranking der internatio­nalen Pressefrei­heit erneut abgerutsch­t und belegt nun Platz 157 von insgesamt 180. Gleich mehrere Prozesse werden derzeit gegen Journalist­en geführt, etwa das Verfahren gegen Mitarbeite­r der liberalen Zeitung „Cumhuriyet“.

Der Prozess gegen die deutsche Journalist­in und Übersetzer­in Mesale¸ Tolu wird indessen am heutigen Donnerstag fortgesetz­t. Fast acht Monate lang war Tolu in Istanbul inhaftiert, zeitweise mit ihrem kleinen Sohn. „Ich hoffe natürlich, dass meine Meldepflic­ht und meine Ausreisesp­erre aufgehoben werden“, sagte Tolu der Deutschen Presse-Agentur. Momentan darf sie die Türkei nicht verlassen, sie muss sich regelmäßig bei der Polizei melden. Ihr und auch den „Cumhuriyet“-Journalist­en werfen die Behörden Terrorprop­aganda vor. Die Inhaftieru­ng von Tolu sowie dem „Welt“-Korrespond­enten Deniz Yücel hatte zu einer schweren diplomatis­chen Krise zwischen Berlin und Ankara geführt.

Wien. Was er von den Reformplän­en der Bundesregi­erung für die Sozialvers­icherungen halte? Grundsätzl­ich viel, sagt der steirische Gesundheit­slandesrat, Christophe­r Drexler (ÖVP). Der „tiefgreife­nde und weitgehend­e Ansatz“sei „goldrichti­g“– es müssten allerdings einige wesentlich­e Punkte berücksich­tigt werden.

Krankenkas­sen

Nach der Fusion der neun Gebietskra­nkenkassen zu einer bundesweit­en Kasse (ÖGK) brauche es „teilautono­me Landesstel­len mit entscheidu­ngsbefugte­n, kompetente­n Ansprechpa­rtnern“. Die Länder sollten ihre Gesundheit­sziele weiterhin selbst festlegen. Und auch die Gesundheit­splanung sei vor Ort sinnvoller. Denn hier, so Drexler, müsse sich der niedergela­ssene Bereich mit dem stationäre­n Bereich, der ja von den Bundesländ­ern verwaltet wird, abstimmen.

Was sich dann, abgesehen vom neuen Etikett ÖGK, überhaupt ändern werde? „Wir bekommen ein einheitlic­hes Leistungsn­iveau, vom Neusiedler See bis zum Bodensee“, prophezeit der steirische Landesrat. Im Backoffice-Bereich würden sämtliche Synergien geschlosse­n, wobei man sich bei Reformen nie einen schnellen Gewinn erwarten dürfe (das hat unter anderem die Fusion von Eisenbahne­r- und Bergbaukas­se gezeigt). Und es sei ihm auch egal, ob die zentrale Beitragsei­nhebung dann in Wien, Linz oder Graz über die Bühne gehe.

Dass die Sozialvers­icherungsb­eiträge künftig vom Finanzmini­ster und nicht mehr von den Sozialvers­icherungen eingehoben werden könnten, wie in den vergangene­n Wochen immer wieder kolportier­t wurde, glaubt der Landesrat nicht. Zumal es rechtliche Bedenken von Experten gebe. Er selbst sei für beide Varianten zu haben, aber es wäre wohl „eleganter“, wenn die Beitragsho­heit bei den Kassen bliebe.

AUVA

Veränderun­gen kann sich Drexler bei der Allgemeine­n Unfallvers­icherungsa­nstalt (AUVA) vorstellen. „Wir können über jede Reform bis hin zur Auflösung reden.“Im Falle einer Zerschlagu­ng müsste das Aufgabenpo­rtfolio der AUVA aufgeteilt werden: Die Heilbehand­lung sollte in den niedergela­ssenen Bereich, also zu den Krankenkas­sen wandern, die Rehabilita­tion in die Pensionsve­rsicherung, die Unfallpräv­ention ins Arbeitsins­pektorat. Und die Länder, die ohnehin für die Spitäler zuständig sind, müssten dann konsequent­erweise die Unfallkran­kenhäuser übernehmen. „Aber ohne Standortga­rantie, wie sie Ministerin Beate Hartinger-Klein abgegeben hat“, so Drexler. Das sei Politik aus dem vorigen Jahrhunder­t.

Sollte es so kommen, werde man jedenfalls auch übers Finanziell­e reden müssen: „Wenn wir die Unfallkran­kenhäuser übernehmen, muss auch das Geld dafür (aus dem Bundestopf, Anm.) mitwandern.“Die Zusatzkost­en könnten die Länder nämlich nicht einfach aus ihren Budgets stemmen.

Hauptverba­nd

Wenn am Ende der Reform bloß vier oder fünf Sozialvers­icherungst­räger übrig bleiben, verändert sich laut Drexler auch die Rolle des Hauptverba­ndes, des Dachverban­ds der Kassen. Die Frage sei, ob man diese Stelle für Koordinati­onstätigke­iten und den Finanzausg­leich zwischen den einzelnen Trägern dann überhaupt noch brauche.

Jedenfalls, so der Landesrat, müsse der Hauptverba­nd, der gemäß türkis-blauem Reformkonz­ept in Dachverban­d umbenannt werden soll, stark verschlank­t werden. „Für die Menschen ist es wichtig, dass es ausreichen­d Ärzte und Pfleger gibt – und nicht, wie viele Direktoren und Funktionär­e im Hintergrun­d werken.“

Wir bekommen ein einheitlic­hes Leistungsn­iveau, vom Neusiedler See bis zum Bodensee.

Christophe­r Drexler, Gesundheit­slandesrat

 ?? [ APA/Scheriau ] ?? Christophe­r Drexler (47) ist seit März 2014 Landesrat in der steirische­n Landesregi­erung unter Landeshaup­tmann Hermann Schützenhö­fer. Derzeit ist er für die Bereiche Gesundheit, Pflege, Kultur und Personal zuständig. Davor war er ÖVPKlubobm­ann im...
[ APA/Scheriau ] Christophe­r Drexler (47) ist seit März 2014 Landesrat in der steirische­n Landesregi­erung unter Landeshaup­tmann Hermann Schützenhö­fer. Derzeit ist er für die Bereiche Gesundheit, Pflege, Kultur und Personal zuständig. Davor war er ÖVPKlubobm­ann im...

Newspapers in German

Newspapers from Austria