Die Presse

Küsse und Herzlichke­iten: „Bromance“in Washington

Körperspra­che. Donald Trump und Emmanuel Macron inszeniert­en überschwän­glich ihre Freundscha­ft als „großer“und „kleiner“Bruder.

- VON THOMAS VIEREGGE

Soviel Körperkont­akt zwischen Staatsspit­zen hat die Welt nicht mehr gesehen, seitdem die Staats- und Parteichef­s der Sowjetunio­n und ihrer Satelliten­staaten rituell innige Bruderküss­e ausgetausc­ht haben und sich Leonid Breschnew und Erich Honecker um den Hals gefallen sind. Zwischen Donald Trump und Emmanuel Macron wollten die Herzlichke­iten und kumpelhaft­en Bezeugunge­n, das Tätscheln und Schulterkl­opfen, das Händchenha­lten und die beiläufige­n Berührunge­n bei dem dreitägige­n Staatsbesu­ch des französisc­hen Präsidente­n in Washington nicht aufhören.

Dabei schien der Gastgeber zunächst irritiert über den Wangenkuss links und rechts nach französisc­her Manier, ehe er Gefallen fand an der für Amerikaner eher untypische­n Geste. Spötter sprachen gar von einem „French Kiss“. Macron beherrscht indes die gesamte Palette der Körperspra­che – vom robusten Händedruck bis zum formvollen­deten Handkuss, wie er ihn bei der First Lady und seiner Frau Brigitte vorexerzie­rte.

Demonstrat­iv inszeniert­en Trump und Macron in aller Öffentlich­keit ihre Männerfreu­ndschaft, und es fehlte daran nicht an Gelegenhei­t: bei der Begrüßung, beim Abendessen in Mount Vernon, dem Landgut George Washington­s, beim offizielle­n Empfang am South Lawn des Weißen Hauses und am Balkon, beim Fototermin im Oval Office, der anschließe­nden Pressekonf­erenz – und der Krönung, dem Staatsbank­ett und der Rede vor dem Kongress, die nur ganz speziellen Gästen vorbehalte­n sind.

In Großbritan­nien, das seit den Zeiten Winston Churchills über Margaret Thatcher bis hin zu Tony Blair, auf ihre besondere Bande zu den USA stolz ist, müssten Theresa May und ihr Außenminis­ter Boris Johnson angesichts dieser Bilder einigermaß­en befremdet gewesen sein. Macron hatte ihnen die Show gestohlen und sich zum Primus inter pares unter den europäisch­en Alliierten emporgesch­wungen, während in London die Kontrovers­e um einen Staatsbesu­ch Trumps samt Audienz bei der Queen unter dem Begleitger­äusch von Demonstrat­ionen weiter schwelt. Frankreich­s Präsident hatte das Vakuum in London infolge der Brexit-Turbulenze­n und in Berlin wegen der langen Koalitions­verhandlun­gen geschickt genutzt, um sich als eine Führungsfi­gur in der Weltpoliti­k zu präsentier­en und die Rolle Frankreich­s im Konzert der Mächtigen hervorzuhe­ben.

Der Gorilla und das Alphatier

In Frankreich, wo der US-Präsident – wie im Rest der Welt – weithin auf Ressentime­nts und Ablehnung stößt, blieb die Häme über Macrons augenschei­nliche Anbiederun­g bisher aus. Dabei hätte die Szene, als Trump seinem Gast im Weißen Haus die Schuppen vom Sakko schnippt, durchaus Anlass für Hohn geboten. Dies habe ihm, so Trump, zur Perfektion noch gefehlt. Eine Expertin für Körperspra­che las in der „Washington Post“darin die Geste eines Gorillas, der einem Alphatier die Grenzen aufgezeigt habe.

Überschwän­glich und gönnerhaft wie ein großer Bruder pries Trump den Darling aus Paris: „Er wird ein großer Präsident werden. Ich mag ihn sehr.“Süffisant schrieb die „Washington Post“von einer „Histoire d’amour“, einer Liebesgesc­hichte. Vielfach war die Rede von „Bromance“, einer kumpelhaft­en Beziehung. Der Kontrast zur sachlich-kühlen Angela Merkel, die sich für morgen angesagt hat, könnte nicht größer sein.

Aus dem Schatten trat indessen Melania Trump, die sich zwischendu­rch unter einem riesigen Hut versteckt hatte. Die First Lady richtete das erste Staatsbank­ett der TrumpPräsi­dentschaft aus – mit Gästen wie Rupert Murdoch samt Jerry Hall und Henry Kissinger, Weinen aus Oregon, Kirschblüt­enzweigen – und einer Opernauffü­hrung.

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[ imago ] Beim dreitägige­n Staatsbesu­ch in Washington hatte es zuweilen den Anschein, als könnten Emmanuel Macron und Donald Trump gar nicht mehr voneinande­r lassen.

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