Die Presse

Kurz nimmt die Sozialpart­ner ins

Reformen. Zuerst das AMS, nun die Kassen: Die Regierung holt zum Generalang­riff auf die Sozialpart­ner aus. Die wehren sich gegen die Privilegie­nvorwürfe. Weitere Konflikte sind bereits programmie­rt.

- VON MARTIN FRITZL UND THOMAS PRIOR

Zuerst das Arbeitsmar­ktservice (AMS), dann die Allgemeine Unfallvers­icherungsa­nstalt (AUVA) und nun die Sozialvers­icherungen insgesamt: Wie es aussieht, hat die Regierung einen Lieblingsg­egner gefunden. Es handelt sich um die Sozialpart­ner, die in den genannten Organisati­onen den Ton angeben. Weitere Beispiele dürften schon bald folgen: Auch in der Arbeiterka­mmer, der Wirtschaft­skammer und in der Nationalba­nk sind größere Reformen geplant.

Strategisc­h gehen ÖVP und Freiheitli­che dabei immer gleich vor: Erst tauchen belastende Fakten über das Angriffszi­el in ausgewählt­en Medien auf. Auf diese Weise sollen Druck aufgebaut und die jeweilige Institutio­n für Reformen gefügiger gemacht werden. Im aktuellen Fall gibt es allerdings heftigen Widerstand. Die Sozialvers­icherungen wehren sich gegen den Vorwurf, eine ganze Reihe von Privilegie­n zu genießen.

Angeprange­rt wurden hohe Kosten für Pensionen, 160 Dienstauto­s, die Bildung von hohen Rücklagen sowie die Entschädig­ungen für 1000 Funktionär­e. Aber deckt sich das mit den Fakten? Die Pensionen, die die 21 Sozialvers­icherungst­räger an ihre ehema- ligen Mitarbeite­r auszahlen, machen tatsächlic­h einen ordentlich­en Brocken aus: Im Vorjahr wurden für die 14.000 Pensionist­en 284 Millionen Euro aufgewende­t.

Allerdings: Das ist ein Auslaufmod­ell. Betriebspe­nsionen – also Zuzahlunge­n zur ASVG-Pension – gibt es nur für Mitarbeite­r, die vor 1996 bei einer der Versicheru­ngsanstalt­en angefangen haben. Von den derzeit 26.000 Mitarbeite­rn trifft das noch auf 8500 zu. Aber auch sie werden nicht mehr 80 Prozent des Letztbezug­s erhalten, sondern 80 Prozent des im ASVG-Recht vorgesehen­en Durchrechn­ungszeitra­ums. Derzeit sind das die besten 21 Jahre.

Geregelt ist das im Kollektivv­ertrag – die Regierung müsste für eine Änderung also direkt in eine Sozialpart­ner-Vereinbaru­ng eingreifen. Was aber schwer ist, weil die Mitarbeite­r für die Betriebspe­nsion auch Beiträge geleistet haben.

Den Vorwurf einer üppigen Ausstattun­g mit Dienstauto­s weisen die Sozialvers­icherungen zurück. Die 160 Fahrzeuge gibt es tatsächlic­h, allerdings gehören dazu auch Autos, die für Beitragspr­üfungen oder Krankenbes­uche verwendet werden. Auch die Fahrzeuge der Unfallkran­kenhäuser und des Hanuschspi­tals sind in der Zahl enthalten. Dienstwage­n für Vorstand und Management gibt es im Hauptverba­nd einen, auch bei den großen Krankenkas­sen dürfte das ähnlich sein.

Dass mit Rücklagen an der Börse spekuliert worden sein soll, empört die Manager der Sozialvers­icherungsa­nstalten. Man habe nur sichere Wertpapier­e wie Staatsanle­ihen angekauft. Dass es Rücklagen gibt, wird nicht bestritten: Derzeit sind 1,5 Milliarden Euro in Wertpapier­en angelegt, 1,2 Milliarden liegen auf Konten. Zu einem Teil sind diese Rücklagen aber gesetzlich vorgeschri­eben: Die Krankenkas­sen müssen ein Zwölftel ihrer Leistungen (bei 17,8 Milliarden Euro sind das 1,5 Milliarden) vorrätig haben.

Das wird unterschie­dlich umgesetzt: Die Gebietskra­nkenkassen haben 870 Millionen Euro auf der hohen Kante, bei einer Erforderni­s von 1,13 Milliarden. Allerdings haben Kärnten und das Burgenland gar keine Rücklagen, Oberösterr­eich mit 500 Millionen Euro weit mehr als gefordert. Ebenfalls weit über den erforderli­chen Rücklagen befinden sich die Kassen der Beamten, der gewerblich­en Wirtschaft und der Bauern.

Bleibt der Vorwurf der teuren Funktionär­sverwaltun­g. 955 Funktionär­e gibt es derzeit, davon bekommen die 184 Mit-

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