Die Presse

„Als Darbo habe ich keine Wahl“

Nahrung. Der Klimawande­l macht Marmeladeh­ersteller Darbo das Leben schwer. Früchte werden teurer. Preise gebe er an Kunden weiter. Sie sind wie sein Obst großteils aus dem Ausland.

- VON ANTONIA LÖFFLER

Früher hatten es Marmeladeh­ersteller leichter. Sie kauften die Marillen und Erdbeeren, kochten sie ein – und im nächsten Jahr ging alles schön planbar von vorn los. „Das Klima war regelmäßig­er“, sagt Martin Darbo. „Heute kaufen wir in guten Jahren viel mehr auf Vorrat, weil wir nicht wissen, was die Zukunft bringt.“

Martin Darbo sitzt im obersten Stock eines großen Industrieg­ebäudes an der Inntalauto­bahn. Hier oben hört man den Verkehr nicht, man sieht nur die hohen Berge zu beiden Seiten vor dem blauen Himmel aufsteigen. Von außen erkennt man auch nicht, was hier produziert wird – würde nicht ein kleines Schild an der Einfahrt darauf hinweisen: Hier sitzt das 1879 gegründete Familienun­ternehmen Darbo, bekannt für Marmelade, Sirup, Honig.

Dreht Vorstand Martin Darbo den Kopf etwas nach links, sieht er auf ein raumfüllen­des Baugerüst. Nicht besonders schön. Aber die Lagerhalle­n sind zu klein geworden. Die Fläche wird bis Jahresende mehr als verdoppelt. Darbo wächst. Das verdankt man nicht dem österreich­ischen Markt. Der ist gesättigt. „Wir haben um die 60 Prozent im Marmelader­egal. Wir arbeiten hart, um das zu halten“, so Darbo. In guten Jahren kommt noch ein Prozent dazu, etwa durch Neueinführ­ungen wie jüngst das Fruchtmous­se „Tagtraum“.

Der Name passt zum künstleris­chen Werbeauftr­itt der Firma. Den hat Ex-Chef Klaus Darbo in den Achtzigern persönlich miterfunde­n. 2009 zog er sich zurück. Seine vier Söhne teilten den Betrieb unter sich auf. Aber darüber redet Martin Darbo nicht gern. Das Produkt und die Werbung sollen im Vordergrun­d stehen, nicht die Familie. Also zurück zum Wachstum: „Die großen Zuwächse und Investitio­nen verdanken wir dem Export“, sagt er. Mit den gut gehenden Hauptmärkt­en Deutschlan­d und Italien und 53 weiteren Ab- satzländer­n wuchs die Firma in der 2000-Seelen-Gemeinde Stans in den vergangene­n Jahren verlässlic­h einstellig. Die Exportquot­e liegt bei 51 Prozent. Werden im Juni die Zahlen für 2017 präsentier­t, wird sie wieder höher sein.

Irgendwann mussten die Tiroler wählen: Füllen sie für Eigenmarke­n ab oder bleiben sie reiner Markenprod­uzent? Man entschied sich schon aus Kapazitäts­gründen für Letzteres. Dass seine Händler mit ihren Linien zu Konkurrent­en mutieren, kommentier­t Darbo knapp: „Es muss mir egal sein, unter welchem Namen der Mitbewerbe­r läuft.“Die größte Konkurrenz, das betonte schon der Vater gern, seien die Hausfrauen. „In starken – oder für uns schwachen – Jahren kochen sie nach wie vor mehr Marmelade ein als sie im Supermarkt einkaufen.“

Für alle, die lieber zukaufen, werden 15.000 Tonnen Obst pro Jahr verarbeite­t. Sie kommen großteils „aus der erweiterte­n Nachbarsch­aft Österreich­s“: Italien, der Schweiz, Serbien, Ungarn, Skandi-

navien. In Österreich habe sich keine Industrie herausgebi­ldet. Liegt das am Lohnniveau? Nein, er kaufe ja auch in der Schweiz, sagt Darbo. Und der Anbieter im Niedrigloh­nland wisse sehr wohl, was die internatio­nale Konkurrenz verlangt.

Billiger werden die Rohstoffe nicht. Klimabedin­gte Preisschwa­nkungen sind eine Herausford­erung. „Aber als Darbo habe ich keine Wahl. Ich brauche genau die Erdbeere. Ich kann nicht auf eine schlechter­e ausweichen.“Davor gibt er die Preise – so weit möglich – an die Kunden weiter. Die will er in den nächsten Jahren hauptsächl­ich in Europa dazugewinn­en. „Je weiter man weggeht, desto mehr unterliegt man Währungssc­hwankungen.“Darbo spricht aus Erfahrung: In Russland holte er sich durch den Rubelverfa­ll ein paar blaue Flecken. Ihm seien berechenba­re Märkte lieber.

Generell ist Martin Darbo kein Risikospie­ler. Seine Philosophi­e: „Neues einbringen ist nicht verboten. Aber was funktionie­rt, soll man nicht ändern.“So steht er auch zur Frage einer Produktion­sverlageru­ng weg aus Tirol: Hier habe man zwar eine behäbige Bürokratie und den allgegenwä­rtigen Fachkräfte­mangel, aber eben auch Kaufkraft, Stabilität und alle Abteilunge­n in Rufweite. „Es wäre illusorisc­h zu glauben, dass wir die Infrastruk­tur und Innovation einfach woanders hin transplant­ieren und im Billiglohn­land die gleiche Qualität bei der Rampe herauskomm­t.“

Apropos Fachkräfte: Heute muss Darbo die Stelle des Marmeladek­ochs oft dreimal ausschreib­en. Aber akut sei das Problem noch nicht, sagt er. Schließlic­h habe man noch keinem sein Marmeladeg­las vorenthalt­en müssen.

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[ Bernhard Kux ]

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