Viele Fragen um die Entlassung des Wiener Kunstuni-Professors
Kunstuni. Was darf ein Arbeitgeber über die Entlassung eines Mitarbeiters sagen, der seine Position „gröblich missbraucht hat“? Eigentlich nichts.
Vergangene Woche entließ Ulrike Sych, die Rektorin der Wiener Universität für Musik und darstellende Kunst (MDW), einen Professor. Er unterrichtete dort seit 2009 eine Cello-Klasse. Gleichzeitig ist der Musiker Mitglied der Philharmoniker und als solches bei der Wiener Staatsoper angestellt. Über die genauen Gründe, die zur Entlassung führten, wollte man sich an der MDW nicht äußern, nur dass der Musiker „seine Stellung als Universitätsprofessor gröblich missbraucht hat“, hieß es in einem offiziellen Statement.
Ob Studierende sexuell missbraucht wurden, wie in Medien zu lesen war, dazu wollen die Anwälte der MDW nichts sagen. Nur: „Es hat mehrere Fälle des Missbrauchs gegeben, die verschiedene Studierende betroffen haben. Jeder einzelne wäre für sich für eine Entlassung ausreichend gewesen. Mehr können wir zum Schutz der Betroffenen nicht sagen“, sagt Christoph Wolf.
Nur wenige Tage nach der Entlassung einigte sich Staatsoperndirektor Domenique Meyer mit besagtem Cellisten einvernehmlich bis auf Weiteres auf eine Dienstfreistellung. „Inwiefern die Entlassungsgründe an der Musikuniversität auch für die Staatsoper relevant sind, sei noch zu klären“, sagte der Sprecher des Hauses. Doch genau das wird gar nicht so leicht sein. Denn der Fall wirft rechtlich einige Fragen auf.
Etwa: Hat ein Arbeitgeber (hier die Kunstuni) den anderen Arbeitgeber (die Staatsoper) davon zu unterrichten, wenn er den gemeinsamen Arbeitnehmer entlässt? Und darf er Details dazu preisgeben? „Nein, das darf er prinzipiell nicht. Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer gegenüber eine Fürsorge- pflicht, die auch über das Arbeitsverhältnis hinaus wirkt. Weshalb sich ein Unternehmen von einem Mitarbeiter trennt, geht niemanden etwas an“, sagt Anwältin Andrea Potz. Und darüber hinaus gibt es in diesem Fall weitere Gründe, weshalb sich die Kunstuni so bedeckt hält. Zum einen will man der Familie des Professors noch weitere Belastungen ersparen, zum anderen „wurde den betroffenen Studierenden absolute Verschwiegenheit zugesagt. Sie haben Angst, ausgeforscht zu werden, und dass ihr berufliches Fortkommen damit Schaden nehmen könnte“.
Bleibt die Frage, wie die Staatsoper dennoch so rasch von dem Rauswurf eines ihrer Cellisten aus der MDW erfahren hat? „Nicht von uns“, betont Wolf. „Die Rektorin hat lediglich den Vorstand der Philharmoniker von der Beendigung des Dienstverhältnisses informiert, weil es eine Kooperation des Orchesters mit der Kunstuni gibt.“Dass es diese und andere Infos wieselflink in die Direktion der Staatsoper geschafft haben, wundert freilich nicht. Dort ließ man sich aber nicht zu voreiligen Handlungen hinreißen, reagierte also nicht mit einer Entlassung, wie dies auf vielen Internetforen gefordert wurde.
Denn der Umstand, dass der Cellist als Universitätsprofessor sich gegenüber den Studierenden gröblich daneben benommen haben mag und damit als Lehrender untragbar ist, heißt nicht automatisch, dass er als Orchestermusiker der Wiener Philharmoniker seine Pflichten nicht zur Zufriedenheit aller erfüllt hat. Und anders als auf der Universität stehen die übrigen Orchestermitglieder wohl auch nicht in einem Verhältnis der Über- und Unterordnung zu ihrem Kollegen. Deshalb gibt es auch weniger Spielraum für Missbrauch welcher Art auch immer. Bei der Staatsoper betont man derweil, dass man die Sache jedenfalls sehr ernst nehme und etwa nächste Woche zu einem Ergebnis kommen will, ob sich das Haus von dem Cellisten trennt oder die Dienstfreistellung wieder aufgehoben wird. Doch zurück zur Kunstuni. Hat die Rektorin auch eine Strafanzeige gegen den ehemaligen Professor gemacht? „Noch nicht“, sagt Wolf. „Wir prüfen gerade, ob es dazu seitens der Rektorin eine Verpflichtung gibt. Wenn es diese nicht gibt, werden wir auch keine erstatten. Denn unser Anliegen war es primär, dass die Studierenden nicht mehr mit diesem Lehrer zusammenarbeiten müssen.“Dem Professor, aber auch den Missbrauchten, werden jedoch Ermittlungen nicht erspart bleiben. Nachdem die Behörden von dem Fall aus den Medien erfahren haben, müssen sie zu ermitteln beginnen.