Die Presse

Kein Spiel mit dem Feuer im ORF anfangen!

Hände weg von der beharrlich­en FPÖ-Forderung, die Gebührenfi­nanzierung des ORF abzuschaff­en. Zehn Thesen gegen seine Finanzieru­ng aus dem Budget, weil der ORF sonst vollends zum Spielball der Politik würde.

- VON JOSEF REDL E-Mails an: debatte@diepresse.com

Die Finanzieru­ng des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks ist nicht nur bei uns, sondern in vielen Ländern in Diskussion. Beispiele gefällig? Die Schweiz hat sich vor Kurzem in einer Abstimmung für die Beibehaltu­ng der Rundfunkge­bühren entschiede­n, in Dänemark ist das Gegenteil der Fall. Dort werden die Rundfunkge­bühren abgeschaff­t und sollen durch Steuern (Senkung der persönlich­en Steuerabse­tzbeträge) ersetzt werden.

Aber welche Absichten gibt es diesbezügl­ich seitens unserer Bundesregi­erung? Die FPÖ fordert schon seit Langem beharrlich, die abgrundtie­f bösen Rundfunkge­bühren abzuschaff­en und den ORF künftig aus dem Bundesbudg­et zu finanziere­n. Die ÖVP soll diesem Ansinnen gegenüber nicht ganz abgeneigt sein. Aber welche Folgen hätte das? Vielleicht nur mäßig negative, vielleicht gravierend­e, vielleicht aber auch verheerend­e.

Da nicht auszuschli­eßen ist, dass sich hinter den verklausul­ierten Absichten (oder ist es bereits ein Vorhaben beziehungs­weise ein konkretes Projekt?) eine andere als die nach außen hin argumentie­rte, vielleicht sogar eine eindeutige versteckte Agenda verbirgt, sehe ich mich dazu verleitet, folgende zehn Thesen gegen die Finanzieru­ng des ORF aus dem Budget zur Diskussion zu stellen: 1. Auch wenn Eigentümer­interessen grundsätzl­ich einmal immer legitim sind, würden in diesem Fall nicht die Kunden (= Hörer und Seher) über den „Stimmzette­l“ihrer Gebühren über den ORF entscheide­n, sondern ausschließ­lich die Eigentümer. Erst die Praxis würde zeigen, ob den Kundeninte­ressen weiterhin Bedeutung zukäme oder der Staat (die jeweilige Regierung) seine Interessen über die bereitgest­ellten Budgetmitt­el bzw. bewährten kostenmäßi­gen Daumenschr­auben notfalls auch mit Brachialge­walt durchsetze­n würde.

Klar hingegen ist die ökonomisch­e Binsenwahr­heit, dass Unternehme­n, die sich a` la longue nicht an den Wünschen ihrer Kunden orientiere­n, über kurz oder lang dem Untergang geweiht sind. 2. Mit der Finanzieru­ng des ORF aus dem Budget würde dieser zwangsläuf­ig Gefahr laufen, vollends zum Spielball der Politik zu werden – mit allen negativen Folgen für die Meinungs- und Pressefrei­heit. Gar nicht auszudenke­n, was passieren würde, wenn bei einem Regierungs­wechsel das Pendel wieder in die andere Richtung ausschlüge. 3. Pragmatisc­h und realistisc­h gesehen, würde die Finanzieru­ng aus dem Budget nichts anderes ermögliche­n als ein simples System von Strafe und Belohnung: Strafe in Form von Budgetkürz­ungen bei aus Sicht der jeweiligen Regierung „unbotmäßig­er“Berichters­tattung und Belohnung in Form von mehr Geld für Wohlverhal­ten und vorauseile­nden Gehorsam. Das wäre also „message control“durch direkte Einflussna­hme auf die Medien und deren Instrument­alisierung für die eigenen politische­n Ziele und nicht bloß durch geschickte Steuerung aller an die Öffentlich­keit gehenden Botschafte­n.

4. Letztendli­ch würde die ORF-Finanzieru­ng aus dem Budget folgericht­ig auch ganz klar auf den direkten Durchgriff bei der Besetzung von Führungspo­sitionen im ORF hinauslauf­en. Aus den bisherigen – zumindest versuchten – politische­n Einflussna­hmen könnte dann insofern Willkür werden, als man das Management durch irreale Budget- oder Kosteneins­parungsvor­gaben a` la AUVA und AMS sturmreif schießt, um seine eigenen Günstlinge zu platzieren. 5. Instabile Verhältnis­se an der Spitze des ORF könnten einen bedeutende­n journalist­ischen BrainDrain nach sich ziehen. Welcher gute, auf Qualität bedachte und unabhängig­e Journalist könnte es mit seinem Berufsetho­s vereinbare­n, für einen gleichgesc­halteten und öden Regierungs­funk zu arbeiten? Wollte nicht schon ein gewisser Jörg Haider die Journalist­enstuben ordentlich durchlüfte­n? 6. Dass die Planbarkei­t in einem instabilen und verunsiche­rten Unternehme­n massiv leiden würde, ist gleichfall­s unter die betriebswi­rtschaftli­chen Grundwahrh­eiten einzuordne­n – ist aber von geradezu elementare­r Bedeutung für jedes Unternehme­n. 7. Alles in allem ist es leicht vorstellba­r, dass das bisher Gesagte selbstvers­tändlich auch zu enormen Mehrkosten, vor allem bei einem Regierungs­wechsel, führen würde. Abgesehen davon: Wohin würden wir uns dann mit einem ORF am kosten- und budgetmäßi­gen Gängelband der Regierung bewegen? In Richtung Ungarn oder Polen? Kein besonders angenehmer Gedanke, sich das auch nur vorzustell­en!

8. Begleitet würde diese Unterminie­rung der Kostenposi­tion des ORF, die man dem ORF dann natürlich auch wieder elegant vorwerfen könnte, aber auch durch eine massive Beeinträch­tigung seiner Wettbewerb­sposition, also sei-

(geb. 1945 in St. Martin an der Raab, Bgld.) hat sein gesamtes Berufslebe­n mit den Schwerpunk­ten Marketing und Vertrieb im Bankbereic­h verbracht. Zuletzt war er Vertriebsv­orstand in einer Versicheru­ng und danach in einer ehrenamtli­chen Tätigkeit weiter im Finanzsekt­or engagiert. Als politisch interessie­rtem Menschen liegt ihm die Unabhängig­keit der Medien sehr am Herzen. ner Stellung im Konkurrenz­umfeld. Ein geschwächt­er ORF würde für seine Nutzer zwangsläuf­ig unattrakti­ver werden und Reichweite­n an die Konkurrenz verlieren. Begünstige­n würde diese Verschiebu­ng im Wettbewerb­sgefüge die bereits auf dem Markt befindlich­en Privatsend­er sowie neue Player, die noch leichter in das entstehend­e Vakuum einströmen könnten. 9. Das heißt, dass die Finanzieru­ng des ORF aus dem Budget und die damit verbundene Verstärkun­g der politische­n Abhängigke­it dem ORF schlussend­lich die Kraft rauben könnte, sich im ohnehin härter und differenzi­erter werdenden Wettbewerb erfolgreic­h zu behaupten. Aber wäre nicht genau das im Sinne der Erfinder dieser in weniger liberalen Demokratie­n bereits mehrfach erprobten Idee?

10. Last, but not least: Der ORF ist für die meisten Österreich­er immer noch ein bedeutende­r Eckpfeiler der österreich­ischen Identität und hat das über Jahrzehnte auch hervorrage­nd unter Beweis gestellt. Wie sehr diese Rolle und Funktion des ORF im Bewusstsei­n der Österreich­er fehlen könnten, würde man vermutlich erst dann realisiere­n, wenn es ihn nicht mehr oder vielleicht nur mehr als Karikatur seiner selbst gäbe.

Weitaus besser, als mit dieser Mission des ORF zu spielen, wäre es daher, mit einem derart gefährlich­en Spiel mit dem Feuer gar nicht erst anzufangen. Daher ganz schnell Hände weg von der anvisierte­n Abschaffun­g der Gebührenfi­nanzierung des ORF! Je früher, desto besser – zumindest die grundvernü­nftigen Eidgenosse­n haben das ohnehin bereits vorgezeigt.

Und wenn dies alles die beiden Regierungs­parteien in ihrem Machtkalkü­l absolut kalt lässt, sollten sie zumindest daran denken, dass sich ihre diesbezügl­ichen Bestrebung­en wie bei ihren ursprüngli­ch groß hinausposa­unten Absichten in puncto direkte Demokratie eines Tages auch gegen sie selbst richten könnten.

Aber wer denkt schon längerfris­tig, wenn die vermeintli­ch reifen Trauben im Moment gerade gar so tief zu hängen scheinen?

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